Die
Besten und Schlechtesten können die gelbe Weste tragen. Aber die
Zukunft der Bewegung - und vieles andere mehr - wird auf der Straße
entschieden werden, und nicht durch den Diskurs der verwirrten
Linken.
In den Wochen vor dem ersten Aktionstag der
"Bewegung der gelben Westen" (mouvement des gilets jaunes)
am 17. November gab es unter meinen Genossen der antiautoritären
Linken wenig darüber zu hören, auch wenn wir uns normalerweise über
solche beginnenden Mobilisierungen austauschen. Eine Petition gegen
die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron angekündigte
Erhöhung der Kraftstoffsteuern hatte bereits Hunderttausende von
Unterschriften gesammelt. Auch die Facebook-Veranstaltung des
Lastwagenfahrers Éric Drouet zu einem „nationalen Tag der
Straßenblockaden“ gegen die Steuererhöhung war weit verbreitet.
Dennoch war Anfang November in den von mir häufig genutzten
Nachrichtenfeeds, Mailinglisten und Chatgruppen kaum von jenen
"gelben Westen" die Rede. Normalerweise stehen solche Dinge
immer dann zur Diskussion, wenn ein Streik oder eine Demonstration in
der Luft liegt. Unnötig zu sagen, dass wir überrascht waren, als
Hunderttausende von Menschen am 17. November loszogen, um Straßen zu
blockieren.
Gerade weil die „gelben Westen“ aus dem
Nichts kamen, oder zumindest von einem Ort, der weit von den Parolen
und Floskeln der Linken entfernt ist, blieben einige Radikale
misstrauisch, ja sogar feindlich gegenüber den Wendungen der
Ereignisse. Widerstand gegen Steuererhöhungen passt nicht so leicht
in die Grammatik der Forderungen der radikalen Linken, und wenn er
nicht passt, dann muss er mit einem anderen politischen Etikett
versehen werden: populistisch, rechtsgerichtet, faschistisch usw..
Hatten nicht einige „gelbe Westen“ rassistische oder sexistische
Beleidigungen ausgesprochen? Hatten nicht andere die Polizei wegen
„illegaler“ Migranten gerufen? War dies nicht eine breite,
konservative Koalition von Proletariern, die mit der Mittelschicht
und mit großen und kleinen Kapitalisten zusammenarbeitet?
Viele
antiautoritäre Radikale waren gezwungen, ihre ursprünglichen
Urteile zu überdenken, als La Réunion, eine französisch besetzte
Insel im Indischen Ozean, von großen Anti-Bullen-Riots heimgesucht
wurde, die mehrere Tage andauerten, als die gelben Réunionnais die
Straßen der Insel verbarrikadierten, gegen die Steuererhöhungen
protestierten und ein Leben jenseits von Unsicherheit, niedrigen
Löhnen und teuren Importgütern forderten. Die Inselwirtschaft wurde
fast vollständig stillgelegt, als ihre Zuckerfabriken, Tanklager,
Handelshafen, Flughafen und Supermärkte blockiert wurden. Den Blick
auf das französischen Festland zurück geworfen, erstreckten sich
die Blockaden bis zum 20. November nun auf Ölraffinerien, Depots und
Häfen. Vier Tage später demonstrierten Tausende im ganzen Land, an
jenem Tag, als die Unruhen sich in die noblen Viertel rund um den Arc
de Triomphe in Paris ausbreiteten. Die amtierende Regierung und
bürgerliche Zeitungen versuchten verzweifelt, die Rechtsextremen
oder Faschisten für die Unruhen verantwortlich zu machen, aber die
Teilnehmer wehrten sich weitgehend gegen solche politischen
Zuschreibungen. Es stimmt, dass acht "offizielle Sprecher"
für die „gelben Westen“, einige mit mehr oder weniger
informellen Verbindungen zur Rechten, gewählt wurden, aber ihre
Legitimität wurde von der breiten Masse der Bewegung sofort
abgelehnt. Die acht wurden am dreißigsten Tag in den Palast von
Premierminister Édouard Philippe eingeladen, aber nur zwei tauchten
tatsächlich auf, von denen einer seinen Namen wegen all der
Drohungen, die er von anderen „gelben Westen“ erhalten hatte,
nicht nennen wollte.
Dann, am 1. Dezember, belagerte eine
improvisierte, fluoreszierende Kriegsmaschine, bewaffnet bis auf die
Zähne mit allem, was man zu Hause finden oder entlang der Champs
Elysées auflesen konnte - einschließlich Straßenschildern und
mittelgroßen Metallkugeln, die für das Pétanque-Spiel verwendet
werden - den Arc de Triomphe und die umliegenden Boulevards, zwang
die Bereitschaftspolizei zum Rückzug und ließ die meisten
französischen Black Block-Aktionen wie ein ruhiges Schachspiel
aussehen. „Gelbe Westen“ plünderten die Einkaufsviertel des
achten und neunten Arrondissements, schicke Viertel im Zentrum von
Paris, vor den zerstörten Fassaden der Banken knallten
Champagnerflaschen. Trotz mindestens einer effizienten
Antifa-Intervention tauchten die französischen Fahne und keltischen
Kreuze, getragen von einigen Teilnehmer, aus dem Chaos auf, um somit
für die „Schwarzseher“ den eigentlich rechtsgerichteten oder
faschistischen Charakter von allem was geschah, zu beweisen. In den
folgenden Tagen waren die Verhandlungssäle der Pariser Gerichte mit
Hunderten von „gelben Westen“ bevölkert, die während der
Unruhen verhaftet und in Schnellverfahren verurteilt wurden. Viele
der verurteilten Demonstranten erwiesen sich als prekäre - oder
Niedriglohnarbeiter, die noch nie zuvor an einer Pariser
Demonstration teilgenommen hatten.
Obwohl sich die
wichtigsten Aktionen der „gelben Westen“ am achten, fünfzehnten
und zwanzigsten Dezember als weniger heftig erwiesen, fanden in den
ersten zwei Wochen des Monats kämpferische Blockaden und Streiks
statt, insbesondere an den Gymnasien der ärmeren Regionen im ganzen
Land. Gymnasiasten protestierten gegen Macrons Reform des
Bildungssystems, einschließlich massiver Kürzungen des
Lehrpersonals, einer stärkeren Spezialisierung und Personalisierung
des Abiturs und neuer Auswahlkriterien für die Einschreibung an
Universitäten. Am 6. Dezember wurden protestierende Gymnasiasten in
Mantes-la-Jolie, einem meist proletarischen und migrantisch geprägten
Gebiet westlich von Paris, mit einer Historie von Unruhen gegen Morde
durch Polizisten, von der Polizei zusammengetrieben und gezwungen,
mit den Händen hinter dem Kopf mehrere Stunden im Schlamm zu knien.
Der Polizist, der die Szene gefilmt und getwittert hat, hatte
wahrscheinlich nicht erwartet, dass diese kniende Position von
„gelben Westen“ im ganzen Land eingenommen wird, um ihre
Solidarität mit den Gymnasiasten zum Ausdruck bringen.
Während
viele in der radikalen Linken sich von den „gelben Westen“
distanziert haben - ob sie sie ablehnten oder nur auf eine Kopie
reduzierten, waren die Menschen außerhalb der linken Netzwerke oft
von Anfang an besser im Bilde. Der erste, der mir einen Einblick in
die „gelben Westen“ gab, war ein marokkanischer Freund von mir.
Wann immer ich über die französische Politik spreche, sagt mir
dieser Freund, dass er nur zu einem Zweck nach Frankreich gekommen
ist: der Lohnarbeit für TNT. "Ich bin hier, um Geld zu
verdienen, das ist alles." Angesichts steigender
Kraftstoffsteuern war die Einstellung meines Freundes jedoch
plötzlich eine andere. Er schickte mir ein kurzes Video vom
fünfundzwanzigsten Oktober. Vorgestellt wurde Ghislain Coutard, ein
Servicetechniker aus einer kleinen Gemeinde in Südfrankreich. Von
seinem Van aus, mit der Hand am Steuer, forderte Coutard alle auf, am
17. November auf die Straße zu gehen und ihre obligatorischen
fluoreszierenden gelben Sicherheitswesten griffbereit zu halten.
Statt expliziter politischer Bezüge rief seine kurze impulsive Rede
die großen spontanen Straßenfeste der Jahre 1998 und 2018 in
Erinnerung, als die französische Mannschaft die
Fußballweltmeisterschaft gewann. Jetzt sei es an der Zeit zu
beweisen, dass "nicht nur Fußball uns zusammenbringt",
denn "die Steuern ficken uns, alle ficken uns". Dies
kommentierte mein Freund: "Das ist keine schlechte Idee."
Als es mich erreichte, war dieses kurze Video bereits viral geworden.
Aus diesem Grund wurde die gelbe Weste zu einem Symbol für die
vielen Blockaden, Versammlungen, Demonstrationen und Unruhen, die
kommen sollten.
Wie der Bevölkerungswissenschaftler
Hervé Le Bras schon früh feststellte, waren die meisten gelben
Westen, die am 17. und 24. November auf den Straßen demonstrierten
und Mautstellen blockierten, Bewohner dünn besiedelter ländlicher
Gebiete, genauso wie jener Coutard. Diese Gebiete, die sich von den
Ardennen im Norden bis zum Pays Basque im Süden erstrecken, werden
von den öffentlichen Dienstleistungen eher vernachlässigt. Hier ist
ein Auto mehr als nur ein Fahrzeug. Es ist ein Bindeglied zum Rest
der Gesellschaft. Kein Wunder also, dass diejenigen, die von ihren
dieselbetriebenen Autos abhängig sind, um überhaupt irgendwo
hinzukommen, steigende Kraftstoffsteuern als zunehmende soziale
Ausgrenzung erleben. Die Demonstranten, die in Paris zu sehen waren,
beschrieben ihre Westen mit Slogans, die die tägliche Härte dieser
Abhängigkeit vom Auto und indirekt die Anfälligkeit für globale
Ölpreisschwankungen zum Ausdruck brachten. Die umweltfreundliche
Begründung der Macron-Regierung für die Steuererhöhung klingt aus
ihrer Sicht wie ein schlechter Witz, denn selbst das billigste
Elektroauto kostet etwa das Zehnfache des Mindestlohns. Angesichts
dieser Einschränkungen sollte es nicht verwundern, dass die „gelben
Westen“ als eine Bewegung von 'Benzinfressern' begannen.
'Le
Monde' veröffentlichte am 11. Dezember eine vorläufige
soziologische Untersuchung der Bewegung und schätzte, dass die
abhängig beschäftigten Arbeiter 33 Prozent der Demonstranten
ausmachten, wobei etwas weniger als die Hälfte davon auf die
Arbeiter im verarbeitenden Gewerbe entfiel. Dies war zu erwarten, da
langfristige Tendenzen wie die Deindustrialisierung und der damit
verbundene Anstieg von Arbeitslosigkeit und Prekarität, ganz zu
schweigen von den jüngsten arbeitsrechtlichen Reformen, viele der
traditionellen Bindungen, die einst die Arbeiter als Arbeiter
vereinten, zerstört haben. So ist beispielsweise die Organisierung
in den Gewerkschaften stark zurückgegangen. Viele „Gilets Jaunes“
sind so weit gegangen, dass sie jede Beteiligung der Gewerkschaften
an ihren Demonstrationen und Versammlungen ablehnen. Ich habe in den
letzten Wochen in Paris nicht mehr als eine Handvoll Personen mit
Gewerkschaftsaufklebern auf ihren gelben Westen gesehen. Was zunächst
die „gelben Westen“ vereinte, war eine Wiederentdeckung ihrer
gemeinsamen materiellen Abhängigkeit, nicht von Lohnarbeit, sondern
vom Kauf von Diesel und Benzin, das das Alpha und Omega von Coutards
viralem Video bildete.
Ebenso haben die Teilnehmer der
Bewegung weder auf die Symbole des zwanzigsten Jahrhunderts (die
Arbeiterbewegungen, den Widerstand gegen die nationalsozialistische
Besatzung) noch auf die des neunzehnten Jahrhunderts (die großen
Volksaufstände von 1848 oder die Pariser Kommune) zurück gegriffen.
Stattdessen beziehen sich die „Gilets Jaunes“ ständig auf die
Französische Revolution. "1789" Grafitti sind nach
Versammlungen und Demonstrationen an vielen Wänden zu sehen, während
"La Marseillaise", die Nationalhymne Frankreichs seit der
Revolution, der wichtigste Soundtrack ist. Die „Gelben Westen“
singen es spontan in allen möglichen Situationen und nutzen es
gleichermaßen, um die Bereitschaftspolizei aufzurufen, sich den
Protesten anzuschließen oder um Polizeiwagen zu zerstören.
In
echter jakobinischer Manier beschreiben die Social-Media-Posts und
Demonstrationstransparente der „gelben Westen“ regelmäßig ihre
Aktionen als Teil eines breiten Aufruhrs gegen die politische Klasse.
Es ist "das Volk" gegen "den König" (Makron).
Auf diese Weise kehren die „gelben Westen“ irgendwie zu den
Grundlagen zurück - also zu dem, was jeder Franzose in der Schule
lernt. Für sie ist die Berufung auf eine imaginäre nationale
Gemeinschaft ein Weg, um das Spiel der parlamentarischen Politik mit
ihren ständigen internen Spaltungen und Wettbewerben zu vermeiden.
Viele „gelbe Westen“ weigern sich, sich zu etablierten Formen der
politischen Repräsentanz zu bekennen. Sie identifizieren sich als
Durchschnittsbürger, die durch ihre gemeinsame Zugehörigkeit zur
Französischen Republik vereint sind.
Diese Art der
politischen Anonymität hat einen deutlichen Bruch mit dem normalen
Kurs der kontrollierten liberalen Demokratie in Frankreich markiert.
Ungehörte Menschen machen ihre Stimmen jetzt überall hörbar. Die
„gelben Westen“ beanspruchen nicht nur ihr Recht auf politische
Meinungsäußerung, sie besetzen und definieren jeden Ort, der eine
gewisse Präsenz gewährt, als öffentlichen Raum neu und rücken
sich in den Mittelpunkt. In Frankreich ist es heute unmöglich, durch
kleinstädtische Kreisverkehre und die Straßen der Großstädte zu
fahren, ohne mit in gelb 'gekleideten' Informationen über die
Missständen der hohen Preise für Treibstoff, Miete und andere
Notwendigkeiten, gemessen an unzureichenden Löhnen und Renten,
konfrontiert zu werden. Ausnahmsweise einmal wurden im Prime-Time-TV
Frauen, in Westen gekleidet, gezeigt, die über die fast unmögliche
Möglichkeit sprachen, über die Runden zu kommen. Die Bewegung hat
die ursprünglichen Beschwerden von Drouet und Coutard über den
Kraftstoffpreis übertroffen. Die „gelbe Weste“ ist zum Outfit
für jede Art von autonomen Protest "von unten" und gegen
den traurigen Zustand der Welt geworden.
Nach dem, was
ich seit dem 1. Dezember auf den Straßen von Paris gesehen habe, ist
dieser Aufruf zu einem Référendum d'Initiative Citoyenne (RIC) zu
einer der wichtigsten Forderungen der Bewegung geworden. „Gelbe
Westen“ Facebook-Seiten sind voll von Bildern und Memes, die das
RIC zu einer Art Master-Forderung erklären - die Forderung, die,
wenn sie erfüllt ist, gelbe Westen die Macht geben wird, alle
anderen Forderungen erfolgreich zu stellen.
Es
könnte verlockend sein, dieser politischen Forderung die sozialen
Forderungen nach verbesserten materiellen Bedingungen
entgegenzustellen und den Erfolg des RIC als eine Art
legalistisch-reformistischer Konsilidierung der gelben Westen zu
analysieren. Schließlich haben sowohl der rassistische
'Rassemblement National' [ehemaliger 'Front National] als auch die
linken 'France Insoumise' die RIC-Perspektive schnell übernommen. Es
wäre jedoch wahrscheinlich realistischer, das RIC als die politische
Form zu beschreiben, die spontan dem diffusen sozialen Gehalt der
gelben Westenbewegung angemessen ist. Die „gelbe Weste“ ist "one
size fits all", sowohl sozial als auch politisch. Wie viele
Radikale betont haben, können sich Menschen mit sehr
unterschiedlichen Klassenpositionen mit der Ablehnung bestimmter
Steuern und der Ablehnung von Macron identifizieren. Diese breite
gesellschaftliche Koalition könnte sich nun zu einer politischen
Koalition entwickeln, in der sich alle gegen ein vage definiertes
"System" zusammenschließen.
Das
Problem dabei ist, dass die Kritik am "System" in den
meisten Fällen keinen Antagonismus gegenüber der kapitalistischen
Klasse impliziert, sondern eine Ablehnung des politischen Rahmens,
den der "Globalismus" den nationalen Gemeinschaften mit
"Eliten da oben" und den "Massen hier unten"
aufgezwungen haben soll. Mehrere Genossen beobachteten einen
fortschreitenden Rückgang der Anzahl der gelben Westen bei den
Versammlungen am 15. und 22. Dezember, was darauf hinweisen könnt,
dass dies doch zu einer "sozialen Bewegung" werden könnte,
d.h. zu einem vorübergehenden Ausbruch von Kämpfen, die durch den
Rückzug der geplanten Reformen und durch Demonstranten, die
buchstäblich der Bereitschaftspolizei und ihrer schweren Bewaffnung
unterlegen sind, beendet werden könnte. Einige der „gelben
Westen“, die noch auf den Straßen sind, zielen nicht auf viel
anderes als die Rothschild-Bank (für die Macron arbeitete) oder in
bestimmten Fällen auf die angeblich jüdischen Drahtzieher der
politischen und wirtschaftlichen Macht. Viele haben gesehen, wie
gelbe Westen die 'Quenelle', die für den antisemitischen
Stand-Up-Comedian Dieudonné's charakteristische Armgeste ausführten.
Die Verwendung dieser Geste geht Hand in Hand mit der wachsenden
Bedeutung der Ablehnung der Einwanderung durch einige „gelbe
Westen“ (sowohl online als auch auf der Straße), angeblich
verstärkt durch das jüngste internationale Abkommen von Marrakesch
über den administrativen Umgang mit Flüchtlingen.
Was
solche Beobachtungen erfordern, ist keine übereilte Reduzierung der
„gelben Westen“ auf eine unreine "rechte",
"populistische" oder unzureichend marxistische
Mobilisierung. Stattdessen geben sie uns einen Einblick in den
aktuellen Stand der Dinge, in dem eine gründliche Kritik an Kapital,
Staat und Nationalismus sich meist auf enge linksradikale Milieus
beschränkt. Viele von denen, die nicht in solchen Räumen erzogen
wurden, werden stattdessen dazu gebracht, an Armut und Prekarität
als fremd und unveränderlich zu denken - der Immigrant, der
Flüchtling - und Reichtum und Macht in Form von Elitebankiers oder
gar Genealogie zu konzipieren: eine angeblich homogene, organisierte,
internationale Gemeinschaft, die manchmal "Zion" genannt
wird. Aus dieser Perspektive geht es bei der Umverteilung darum,
weniger an unverdiente Ausländer und kosmopolitische Eliten zu geben
und mehr an die authentischen Mitglieder der Nation.
Darauf
mit dem Gefühl der Klarheit von gut ausgebildeten Revolutionäre,
mit der Angst, von den Ideen und Auswirkungen der Vulgären berührt
und kontaminiert zu werden, zu reagieren, vergrößert die Kluft
zwischen den kleinen Gruppen von Radikalen, die wir sind, und den
Tausenden und Abertausenden von Blockierern, Demonstranten und
Aufständischen nur noch weiter. Umgekehrt zu reagieren - oder besser
gesagt, nicht zu reagieren - mit der Ausrede, dass solche
Schimpfwörter über das "System" aus einem gesunden, aber
fehlgeleiteten Volkszorn kommen, würde den gleichen Effekt haben,
weil es unsere Position als bloße Betrachter stärkt, die den Lauf
der Ereignisse nicht beeinflussen können.
Im
Moment ist die vielversprechendste Position die Annahme, dass die
„gelben Westen“ weder ein zu besiegendes Monster noch ein Zug
sind, an dem wir unsere bevorzugten Ursachen und Programme ankoppeln
könnten. Die meisten radikalen Organisationen haben diesen Rat nicht
befolgt und meist nur das getan, was sie immer tun, außer der
Ausnahme eine gelbe Weste, auf der sie vielleicht die Worte
"antirassistisch" oder "antisexistisch"
aufgeschrieben haben, übergestreift zu haben. Diese Fokussierung auf
die gelbe Weste an sich - was bedeutet das? wovon kann es das Symbol
sein?" - wirft Fragen auf, die weder mit abstrakter Theorie noch
mit hochgestochener Strategie beantwortet werden können. Die
Tausenden von Gymnasiasten im ganzen Land, die, als sie eine massive
Kontroverse über Macrons Politik spürten, ihren eigenen,
lokalisierten Antagonismus zu einem immer ungleicheren und
ungerechteren Schulsystem zum Ausdruck brachten, ihre Schulen
blockierten und die Polizei bekämpften, manchmal mit Lehrern, Eltern
oder Syndikalen gemeinsam organisiert, wissen besser, wie man die
Gelegenheit nutzt. Eine Gelegenheit, nicht nur auf ein schemenhaftes
"System" hinzuarbeiten, das immer nur die Reflexion unserer
eigenen Machtlosigkeit ist, sondern auch die tatsächlichen
Auswirkungen bürgerlicher Politiken von dort, wo wir stehen, zu
bekämpfen und so Orientierung zu bieten, zu einer Zeit, in der die
Regierung einige Feinde hat, die noch nicht unsere Freunde sind.
Zacharias
Zoubir
Erschienen
auf
commune magazine (https://communemag.com/a-vest-that-fits-all/),
übersetzt am 30. Januar 2019 von Sebastian Lotzer
Der Beitrag Eine Weste die allen passt erschien zuerst auf non.copyriot.com.