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Regime Change im Iran durch harte Sanktionen?

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Interview mit Mohssen Massarrat

Es
dürfte Trump schwerfallen, in den USA einen innenpolitischen Konsens
für einen Krieg gegen Iran herzustellen, wenn klar ist, dass er sich
eine massive Ablehnung der EU einhandeln würde. Deshalb müsste die EU
schon jetzt erklären, dass sie einen Krieg gegen Iran ablehnt und sich
nicht an ihm beteiligen wird.

Wodurch
ist der iranisch-israelische Konflikt entstanden und welche der beiden
Seiten hat tatsächlich Gründe dafür, sich bedroht zu sehen?

Der
iranisch-israelische Konflikt entstand einerseits dadurch, dass der Iran
sich nach der Islamischen Revolution klar gegen die israelische
Besatzung Palästinas positionierte, und andererseits, weil Israel mit
seinem Atomarsenal als einzige Atommacht im Mittleren und Nahen Osten
eine nukleare Bedrohung auch für den Iran darstellte. Insofern kann man
von einer beidseitigen Bedrohung sprechen, die der Sturz der Monarchie
im Iran hervorrief. Es ist überdies auch offensichtlich: Israel als
einzige Atommacht im Mittleren und Nahen Osten hat mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit bei der Entstehung des iranischen
Atomprogramms eine zentrale Rolle gespielt. Ungeachtet dieser Tatsache
haben die USA und die EU – anstatt im Sinne einer den Konflikt
entschärfenden Strategie und der Eindämmung nuklearer Weiterverbreitung
den Weg zu einer regionalen atomwaffenfreien Zone einzuschlagen – sich
dafür entschieden, einseitig Iran als eine neue regionale Atommacht zu
verhindern und damit das Atommonopol ihres Verbündeten Israel
aufrechtzuerhalten.                                    

Wie wahrscheinlich ist dabei eine militärische Eskalation?

Israel unterstützt,
seit Iran den Aufbau eines eigenen Atomprogramms aufgenommen hat, alle
Bemühungen der USA zu einem Regime Change im Iran. Inzwischen hat sich
auch Saudi Arabien in derselben Richtung voll auf der israelischen Seite
hinzugesellt. Beide Staaten sehnen sich ohne Zweifel nach einem Regime
Change im Iran, notfalls auch durch einen Krieg.  Doch
sie trauen sich selbst auf keinen Fall zu einem Alleingang zu diesem
Schritt. Sie würden sich jedoch lieber heute als morgen an einem
US-Krieg gegen den Iran beteiligen. Rein theoretisch wäre auch denkbar,
dass Israel oder Saudi Arabien einen kriegerischen Alleingang
provozieren, allerdings in der Hoffnung, dass dann den USA nichts
anderes übrig bleibt, als nachzuziehen. Ob sich jedoch die USA trotz der
Kriegsbefürworter  John Bolton
und Mike Pompeo im Trump-Team zu einem Krieg gegen den Iran in der Lage
sehen und einen solchen Krieg mit allen seinen Folgen auch wirklich
wollen, steht auf einem anderen Blatt. Es ist ziemlich klar, dass die
US-Machteliten im Umkreis des militärisch industriellen Komplexes einen
solchen Krieg entschieden anstreben. Trump selbst entfernt sich jedoch
offensichtlich immer stärker von einem Krieg gegen den Iran. Es wäre
auch höchst widersprüchlich, den Rückzug des US- Militärs aus Syrien und
Afghanistan anzukündigen und gleichzeitig einen Krieg gegen den Iran
anzustreben. Mit seiner Äußerung im Dezember 2018, die USA seien nicht
der Weltpolizist im Mittleren Osten, signalisierte Trump jedenfalls
andere Ziele als einen neuen Krieg. Durch die Zuspitzung des
Atomkonflikts mit Iran und den massiven Rüstungsexporten an Saudi
Arabien und Israel hat Trump die Rüstungsindustrie vorerst mit genügend
Aufträgen versorgt und seinen Wählern neue Arbeitsplätze beschert. Das
neue Wettrüsten im Mittleren Osten hat damit ohnehin reichlich Nahrung
erhalten, die Spirale von Öl gegen Waffen ist also für weitere Jahre in
Gang gesetzt. Insofern kann auch ein Krieg gegen den Iran auf
unbestimmte Zeit verschoben werden. Das ist auch vielleicht der Grund
für das betretene Schweigen von Israel und Saudi Arabien gegenüber der
neuen Trump-Politik. 

Donald
Trump setzt offenbar darauf, dass die im November 2018 eingeleitete
zweite Etappe der Wirtschafts- und Finanzsanktionen den Iran in die Knie
zwingen werden. Wie realistisch ist das?

Der Iran hat mit
US-Sanktionen seit der Islamischen Revolution 1979 langjährige
Erfahrungen. Selbst Obama hatte gegen iranische Ölexporte Sanktionen
verhängt, die erst nach dem Inkrafttreten des Atomabkommens aufgehoben
wurden. Zwar muss jetzt damit gerechnet werden, dass Irans Ölexporte von
ca. 3 Millionen Barrel am Tag – übrigens ähnlich wie damals schon durch
Obamas Sanktionen – auf die Hälfte schrumpfen werden. Zu einer
vollständigen Austrocknung der Öleinnahmen für das Land wird es aller
Wahrscheinlichkeit nach jedoch nicht kommen. Für diese Annahme spricht
auch die Tatsache, dass selbst in der gegenwärtigen harten
Sanktionsetappe acht Staaten, darunter Japan, Indien, Südkorea und damit
die wichtigsten Importeure des iranischen Öls, von den Sanktionen
ausgenommen sind – offensichtlich unter dem Druck von moderaten Kräften
im Trump-Team selbst oder durch Einflussnahme der europäischen
Verbündeten der USA. Trotz seiner Ankündigung zum militärischen Rückzug
aus Syrien und aus der Region insgesamt, wird Trump ziemlich sicher
seine Politik der Schwächung der islamischen Republik durch ökonomische
Sanktionen und politische Subversion fortsetzen und die Dauerkrise im
Iran weiter puschen. 

Politische
Unruhen gegen die Elite der Islamischen Republik flackerten ja in der
Vergangenheit wiederholt auf. Die neuen Sanktionen dürften sicherlich
die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wieder anheizen. Welche
innenpolitische Entwicklung kann sich daraus ergeben?

Die Unzufriedenheit
der überwältigenden Mehrheit der iranischen Bevölkerung schreit zum
Himmel, nicht wegen der neuen US-Sanktionen, sondern vor allem wegen der
neoliberalen Politik der Umverteilung von unten nach oben und wegen der
grassierenden Korruption. Seit Monaten erlebt die islamische Republik
eine anhaltende Streikwelle, weil zahlreiche staatliche und private
Unternehmen die Löhne der Beschäftigten nicht zahlen können. Auf Grund
fehlender politischer Alternativen schlägt sich die massive
Unzufriedenheit der Bevölkerung nicht in einer  wirksamen
Oppositionspolitik gegen die Machtelite des Landes nieder. Denkbar ist
aber eine erneute spontane Rebellion, die sich flächendeckend und massiv
ausbreiten könnte. In einem solchen Fall rechne ich damit, dass die
Pasdaran, die mächtigen Revolutionsgarden der islamischen Republik, mit
der Rückendeckung des Revolutionsführers  die
gewählte Regierung absetzen und selbst Regierungsaufgaben übernehmen,
um mit ein paar Reförmchen die Gemüter zu beruhigen und die schlimmsten
ökonomischen und sozialen Folgen der Politik des Präsidenten Rouhani zu
beheben. Diese Alternative dürfte jedoch in erster Linie der
Systemstabilität dienen und mit neuen Repressionen gegen die ohnehin
sehr schwache Opposition einhergehen. Die realen Machtverhältnisse
lassen so oder so einen echten Regime Change von innen kaum zu. 

Welche
Rolle könnten Deutschland und die EU bei diesem Konflikt noch spielen?
Oder ist die EU faktisch bereits völlig eingeknickt gegenüber der
US-Politik?

Es dürfte Trump
schwerfallen, in den USA einen innenpolitischen Konsens für einen Krieg
gegen Iran herzustellen, wenn klar ist, dass er sich eine massive
Ablehnung der EU einhandeln würde. Deshalb müsste die EU schon jetzt
erklären, dass sie einen Krieg gegen Iran ablehnt und sich nicht an ihm
beteiligen wird.

Schließlich und
endlich wäre es anlässlich des Konflikts um das Iran-Atomabkommen
angebracht, dass die EU ankündigt, alsbald die UN-Konferenz für eine von
Massenvernichtungswaffen freie Zone im Mittleren und Nahen Osten zu
reaktivieren, die 2012 durch die USA und Israel blockiert worden war.
Dafür müsste allerdings erst der Strukturfehler des UN-Beschlusses
behoben werden, wonach die Teilnahme aller betroffenen Staaten zur
Voraussetzung der Konferenz gemacht worden war. Diese Vorbedingung wurde
jedoch durch die USA und Israel als Veto zur Verhinderung der Konferenz
missbraucht. Deshalb müsste diese Bedingung, die zur Selbstblockade
führt, ersatzlos gestrichen werden. Stattdessen müsste die Konferenz
zunächst durch die Teilnahme von willigen Staaten beginnen, um dann, in
einem späteren Stadium, sämtliche betroffene Staaten einzubeziehen.

Diese Perspektive bietet sich auch geradezu für die Aufarbeitung und Regelung vieler anderer Konflikte im Mittleren und Nahen Osten an, beispielsweise den Syrienkonflikt. Damit könnte der seit langem von außen in die Region hineingetragenen Politik der Spaltung und Vertiefung von religiösen und ethnischen Feindschaften, des regionalen Wettrüstens und zahlreicher Kriege endlich ein Ende gesetzt werden.

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