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Im Resonanzraum der Supermärkte

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Das
Einkaufszentrum

Warum
heute noch Baudrillard lesen?
Sicherlich sind heute viele der poststrukturalistischen Texte,
die oft genug als Science-Fiction-Texte
wahrgenommen
wurden, paradoxerweise »dated«,
und manche der
Texte von
Baudrillard,
sieht man einmal davon ab, dass es generelle Zweifeln
an
seiner Simulationstheorie gibt,
sind
da wirklich keine
Ausnahme.1
Aber doch
sind es gerade
die inzwischen
längst zur Normalität
geronnenen
Alltagsphänomene, die
Baudrillard frühzeitig
entdeckt und heraus kristallisiert hat, als ob er ein Bild im Sinne
einer erforschenden Photographie angehalten hat, Phänomene, die
einen
heute oft
weitgehend
unberührt
lassen,
vielleicht
dann auch
gegenüber Baudrillard selbst, da
man schließlich selbst zu
normalisiert
und
abgestumpft schon ist.
So
scheint es,
dass hinsichtlich der drei von Deleuze beschriebenen Zeitsynthesen
(Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft) beim zeitgenössischen
Konsumenten
ganz die Gewohnheit, die
der
Gegenwart angehört,
regiert.

Baudrillard
analysierte schon im Jahr 1970 die ersten Shoppingmalls und
definierte sie umgehend als eine Synthese der Fülle und der
Kalkulation zugleich. Sie waren damals schon als Orte vorgezeichnet,
an denen man sich verlaufen, aber nichts weiter erleben konnte als
den Anblick der Schaufenster der ubiquitären Firmen-Ketten, die eine
Ausgeburt ultramoderner Kleinkariertheit darstellten, im Modus des
Flüssigfernsehers zu genießen. Jeder Versuch, diesen Shopping Malls
Benjamins Aura der Pariser Passagen des 19. Jahrhunderts
zuzuschreiben, musste von Anfang an misslingen. Die Langeweile beißt
einem ja geradezu in s Gesicht, wwenn man heute durch die
Einkaufsstraßen selbst der großen Metropolen geht. Viel später
führte Baudrillard dann aus, dass das postmoderne Subjekt das Leben
einer schleichenden Katze führe, die sich sich in einer
indifferenten und zugleich hochdesignten Häuslichkeit wohlfühle,
welche allerdings ganz und gar öffentlich geworden sei und damit, um
es in Worten von Günther Anders auszudrücken, zu einer Verbiederung
des Öffentlichen führe.

Es
ist so einigermaßen bekannt, dass Baudrillard das Einkaufszentrum
nicht lediglich als eine optimierte Anordnung von materiellen
Warensorten versteht, sondern als die verräumlichte Ausstellung von
Zeichen, die stets geteilt sind und miteinander in Beziehung stehen
und dabei immer Teile einer Totalität von Wohlstands-Zeichen
bleiben. Und so mutierte das sterile weiße Kulturzentrum, das die
globale Mittelschicht heute ganz unverdorben und unverschämt mit
ihren Leitwerten der Singularität, Weltoffenheit, Toleranz und
Cleverness propagiert, schon früh zum integralen Bestandteil des
Einkaufszentrums, sodass die Ware schnell auch kulturalisiert und in
spielerische Eleganz und distinktive Substanz verwandelt werden
konnte.

Um
es einmal auf einige Zahlen
herunter zu rechnen: Im Durchschnitt
verbringt der Konsument zwei Jahre seiner Lebenszeit im
Supermarkt vor den Regalen mit Käse, Fleisch und anderen
Lebensmitteln oder den Vitrinen mit Tiefkühlkost und schließlich
zum krönenden Abschluss in den Warteschlangen an den Kassen.
Statistisch legt er dabei 3800 Kilometer zurück und braucht doch
angeblich ungefähr nur drei Sekunden, um ein Produkt auszuwählen
und es aus dem Regal zu ziehen und in seinen Einkaufswagen zu legen,
eine Reaktionszeit, die in ungefähr an das Verhalten einer
konditionierten Ratte in der Skinner Box erinnert. Wie in einer Art
subtil gesteuerter Kamerafahrt fließen und zirkulieren die
Konsumenten kollektiv und zugleich vereinzelt, das heißt meisten
ohne jeden Augenkontakt zueinander, wie von selbst und eingeschlossen
in das hermaphroditische Milieu der Waren durch die klimatisierten
und seicht bespielten Einkaufszentren, in denen sie verdaut und mit
Tüten voller Waren auf die Straßen ausgespuckt werden. (Baudrillard
2015: 47) Zur Steigerung der Zirkulationsgeschwindigkeit und der
Einkaufseffektivität der durch die Supermärkte fließenden
Konsumenten ist doch eine Art unsichtbarer Steuerung vonnöten, die
in gut regulierter Raumtemperatur vonstatten geht und ohne Einspruch
auch konsumiert wird. Shoppingmalls sind scheinbar leichte Zonen des
Durchquerens, die in ihrer nüchternen und ernüchternden affektlosen
Fluidität die Durchquerenden und Durchquerten doch einer kinoesken
Flüchtigkeit aussetzen und dabei eine Kinetik der
Transitlandschaften in Gang setzen. Ein privater Nicht-Ort, der
gleichzeitig fern und nah und permanent in Bewegung ist, der in
Boutiquen, Elektronikshops, Mulitmedia-Restaurants und Designerbars
kadriert und von weißen Elementen aus Licht und unsichtbaren Wellen
von Muzak leise durchflutet ist. Wo der Wunsch als Maschine mit sich
selbst und mit der Maschine spazieren geht, da sucht er im
Einkaufszentrum für die Waren die passenden Konsumenten und für die
Konsumenten die passenden Waren. Mit Verve und doch ohne Leidenschaft
gleiten die Körper der Shopping-Movers reibungslos durch Korridore
und Boutiquen, währenddessen die Blicke nahtlos durch sämtliche
Komfort-Installationen der Shoppingcenter geleitet und gleichzeitig
durch Kameras kontrolliert und gescannt werden. Die Kameras dienen
der tayloristischen, der algorithmischen Analyse, die mittels der
Verpixelung, Zerlegung und Teilung des Einkaufsverhaltens die
Präzisierung, Antizipation und Steuerung der Effektivierung des
Konsums leisten soll und schließlich mit einer weitgehenden
Dequalifizierung des Konsumenten einhergeht, die allerdings mit einer
Steigerung seiner Kaufproduktivität positiv korreliert.

Es
ist längst kein Hirngespinst mehr, dass in Zukunft die
Einkaufsregale in den Supermärkten eine smarte Haut überziehen
wird, die mit RFID Technologie ausgestattet ist und erkennr
analysiert und kommuniziert, um bestimmte Einkaufs-Parameter zu
operationalisieren, die das Kaufverhalten der Kunden für das
Unternehmen optimieren. Der Konsument betrachtet - ohne weiter zu
reflektieren - die bunten Verpackungen, fühlt sich frei und
entspannt, ohne zu ahnen, dass jeder der eigenen Blicke in Echtzeit
in digitalisierte Klicks transformiert und in ein algorithmisches
Beobachtungsnetz (Foucault) integriert wird. Gleichzeitig reizen
verschiedene Effekte die individuellen Sehakte und animieren den
Verstand zum Kaufen, weil unter anderem Augenbewegungsscanner
detaillierte Informationen über das Kaufverhalten sammeln, ausgehend
vom Momentum, wie lange man ein gekauftes oder nicht-gekauftes
Produkt betrachtet und es kauft oder nicht kauft, woraus künstliche
Maschinen ihre Schlüsse ziehen, um dem Unternehmen
Kaufmodifikationen vorzuschlagen, denen die Konsumenten
quasi-automatisiert Folge leisten. Heute ist der Supermarkt einer der
mit Kameras am effektivsten überwachten Orte und das geht hin bis
zur Ausspähung und Bearbeitung von Emotionen, die aus den
Gesichtsausdrücken des Kunden beim Anschauen eines Produkts gelesen
werden, womit die digitalen Geräte zudem noch zu Emotionsverstärkern
und Stimmungsaufhellern transformieren, wenn sie denn beim Einkauf
entsprechende Vorgaben machen, vielleicht einen Joghurt, dessen
spezielle Bakterienkultur angeblich die Widerstandskräfte stärkt,
empfehlen, wobei natürlich nichts von seinem Produktionsprozess und
von möglichen den Schäden an Menschen und Umwelt erzählt wird, wie
andere Produkte nichts von der Sklavenarbeit auf den
Orangen-Plantagen in Brasilien, von den Milchbauern, die unter ihrem
Herstellungspreis verkaufen müssen, von der Zerstörung des
Regenwalds durch die Palmölplantagen in Malaysia erzählen.

Der
Supermarkt soll heute so weit wie möglich an eine Art
Roundabout-Center, der von elektronischen Reizen, maschinellen
Analysanden und billiger Pop-Musik durchflutet ist, herangefahren
werden, jedoch nicht mehr als ein Flüssigfernseher, wie dies Arthur
Kroker am Ausgang des 20.Jahrhunderts noch annahm, sondern als ein
Flüssigcomputer, der ohne jede Unterbrechung das Kaufverhalten der
Kunden analysiert und daraufhin Anreize und Optionen als buntes
Warensortiment auswirft und anbietet, um das Begehren, die Kauflust
und das Genießen, das in den vielen einzelnen humanen
Mikroschaltkreisen zirkuliert, zu vernetzen, anzustacheln und zu
optimieren. Permanent-Vacation und Travelling-Panoramieren, die
beides unter der Kontrolle unsichtbarer Verbreitungsalgorithmen
stehen, inkludieren eine ständige antizipierende Formatierung der
Verflüssigungsprozesse des Kaufens. So setzt
Walmart eine App für das »predictive shopping« ein, mit der die
Analysten des Unternehmens aufgrund der
Kenntnis der Verlaufsform
und des Umfangs früherer
Einkäufe eines Kunden ganz
für ihn speziell neue
Einkaufslisten mit
sogenannten Wunschwaren
erstellen
und auf dessen Smartphone senden,
sodass der
Wunsch längst automatisiert
ist, die
individuellen Präferenzen qua Musterbildungen maschinisiert
sind, nur
um künftige Kaufentscheidungen zu
»erleichtern«, womit
letztendlich maschinell organisierte Entscheidungen zur Addition
weiterer maschinell organisierter Verkaufsentscheidungen führen,
beruhend auf
Datenprofilen, die eben aus
der maschinellen Verarbeitung der Einkäufe und der
Suchmaschineneingaben der Kunden resultieren. Als
wäre das nicht genug, liefert man einen
persönlichen
digitalen
Lebensmittel-Butler Frei Haus mit, der für den Konsumenten
auf den Online-Markt geht und dort die algorithmisch empfohlenen
Wunschwaren zusammensucht.

Um
es noch einmal zusammenzufassen: An den Regalen, an den Einkaufswagen
und vor den Theken der neoliberalen Cloud-Supermärkte sind Kameras
und Sensoren angebracht, die wiederum drahtlos mit dem zentralen
Computer des Supermarktes verbunden sind, der ständig mit
genetischen Algorithmen gefüttert ist, die nicht nur auf das
Kaufverhalten der Kunden reagieren und mit ihnen über Smartphones
und Tablets kommunizieren, sondern die auch Kaufmodifikationen in
Gang setzen, indem sie Kaufentscheidungen antizipieren und
Kaufvorschläge unterbreiten, was vor allem jenem wunschlosen
Unglücklichsein der Mittelklasse-Konsumenten entgegen kommt, das
blitzschnell in das Verlangen umschlägt, alle Filterbubble-Waren
haben und sie gleich wieder entsorgen zu wollen. Die durch die
Beobachtung des Kaufverhaltens entstehenden Datenströme werden
permanent mit dem internen Warenwirtschaftssystem des Supermarkts
abgeglichen. Und der Kunde kann nun dankenswerterweise auf seinem
Smartphone prüfen, gegen welche Lebensmittel er allergisch ist,
indem er das Gerät wie eine Kamera vor das gefüllte Regal hält und
daraufhin im Display sofort das Bild des ausgewählten Lebensmittels
erkennt, das entweder mit einem roten X oder einem grünen Haken
versehen ist. Es ist kaum noch erwähnenswert, dass der
Einkaufszettel schon zuhause in einer Cloud gespeichert wurde, wobei
er beim Betreten des Supermarktes jederzeit über das Smartphone
abgerufen und mit denjenigen Produkten abgeglichen werden kann, die
im Warenwirtschaftssystem des Supermarktes gerade vorhanden sind.
Wenn es ein Produkt auf der Einkaufsliste nicht gibt, bekommt der
Kunde natürlich sofort Alternativvorschläge angeboten. Im Idealfall
führt ihn dann sein Navigationssystem umgehend vor das richtige
Regal. Und um es nicht zu vergessen, der Supermarkt ist natürlich
ein gieriger Daten-Grabber, insofern es eine Reihe von Schnittstellen
gibt, die aktuelle persönliche Informationen mit solchen Infos
verbinden, die einer Handelskette schon längst vorliegen, sodass
weiterhin möglichst genaue Produkt-Angebote gemacht werden können.

Im
zukünftigen Supermarkt teilt der Kunde die Infosphäre also mit
einer Reihe von artifiziellen Agenten, die smart, autonom und zudem
angeblich noch sozial agieren, und dies bis zu einem Punkt, an dem
der Kunde einem Fisch im Wasser gleicht, der aber das Wasser nicht
kennt, oder er gleicht einem Bemitleidenswerten, der im digitalen
Ozean untergeht ohne Blasen zu hinterlassen. In diesem digitalen
Bestarium ist der Konsument wirklich voll und ganz mit digitalen
Maschinen connected, sein Verhalten und sein Denken werden bis in das
kleinste Detail aufgespürt, getrackt und verfolgt, um als daten in
die algorithmischen Maschinen eingespeist analysiert, prozessiert und
moduliert zu werden. Selbst im Supermarkt herrscht nun eine
ausgeklügelte algorithmische Governance, die auf den ubiquitären
digitalen und ins Räumliche übersetzten Technologien basiert, mit
denen die Angebote der Smart-Supermärkte designt werden, sehr naiv
‘autonomic computing’ und ‘ambient computing’ genannt,
Technologien, deren Unsichtbarkeit sie gerade umso aktiver und
effizienter macht. Eindeutig sind die profundesten Technologien
diejenigen, welche unsichtbar sind, weil sie sich damit so
selbstverständlich in die Netzwerke des alltäglichen Lebens
einweben können, dass sie von ihm letztendlich ununterscheidbar
werden.

Inzwischen
drängen auch
Internet-Monopolisten
wie Amazon in den Lebensmitteleinzelhandel vor.
Und bald
können wir unseren Grundbedarf online per Abonnement erledigen.
Besuche im Supermarkt würden dann sehr viel seltener werden. Das
Unternehmen Amazon
verdient Geld damit, dass es
über das, was die
Konsumenten
kaufen, Kundendaten erhebt
und damit quasi deren
Kaufgewohnheiten
auswendig
kennt.
Das
wird wahrscheinlich dazu führen, dass die
Konsumenten
auf
der Webpage von Amazon zukünftig gar
nicht mehr in ein komplett ausdifferenziertes Warensortiment blicken,
sondern in einer sehr engmaschigen Filterbubble ganz
bestimmte
Waren
präsentiert bekommen,
von denen relativ wahrscheinlich ist, dass sie
sie auch
kaufen,
weil sie eben
ganz
genau ihren
Käufer- und Interessenprofilen
entsprechen. Unter
dem Label Personalisierung wendet Amazon algorithmische Verfahren an,
die uns Buchempfehlungen auf Grundlage früherer Bestellungen geben,
wobei es am effizientesten ist, wen du ein Buch bekommst, dass du
wirklich haben willst.
In
diesem Fall kennen die Algorithmen die Wünsche des Kunden, bevor es
sich selbst über diese klar wird oder sie reflexiv behandelt, sodass
wir hier von einer präemptiven Persönlichkeit reden können.

Die
neoliberale Vision des hochklassigen
Cloud-Supermarkets
besitzt eine voll integrierte digitale
Infrastruktur,
sie
ist ein
Traumland vor
allem für
die Upper-Classes, während es für die Arbeiter und Angestellten,
die Migranten und Prekären ganz anders aussieht, die von den
High-Class Supermärkten von vornherein ausgeschlossen sind. Zwar
begegnet man heute in den klassischen
Supermärkten
noch unterschiedlichen sozialen Schichten und kann sie anhand der
Produkte ihrer Einkaufswagen auch
leicht
analysieren. Und dennoch entwickeln sich die Supermärkte zusehends
zu an die jeweiligen
Klassen und Schichten
angepassten Ghettos. Zwischen dem billigen Discounter mit einem
Warensortiment von etwa 1000 Produkten und dem High-Class-Supermarkt
mit
bis
zu 50.000 Produkten klafft eine signifikante
Lücke,
was
wiederum
auch auf
das langsame
Verschwinden
der sicheren
Positionen der Mittelklasse
verweist., die
sich immer stärker mit dem Discounter begnügen muss.
Die
Mittelklasse will zwar weiter an die Luxuswaren heran, kann sie sich
oft genug aber nur noch am Flachbildschirm als Konsum eines Bildes
leisten, während sie öfters als gewollt ganz real mit den No-Name
Produkten im Discounter Vorlieb nehmen muss, welche die Markenwaren
nicht einmal mehr unbedingt kopieren, verpackt am sie doch oft genug
in einem schlichten Design, während man aber auch weiterhin
versucht, mit schrillem Design die Markenwaren zu konterkarieren,
indem man bis an den Rand der Verletzung des Copyrights geht, wenn
man etwa auf Verpackungen ein Markendesign zitiert und redundant
macht. (Seeßlen190) Gleichzeitig organisieren die Discounter
inzwischen eigene Produktlinien oder Bio-Waren für den etwas
gehobeneren Geldbeutel und treten damit in Konkurrenz zu den
klassischen Supermärkten der Mittelklasse.

Auffallend
ist, dass Menschen, die viel Geld ausgeben können, mit ihrem Konsum
eine Art von psychisches Doping für sich selbst betreiben und sich
damit auch die Grundlage für weitere Anerkennung und weiteren Erfolg
schaffen, während diejenigen, die wenig Geld haben, von diesen
durchaus wirksamen und fast schon heilsamen Placebo-Effekten
ausgeschlossen sind und damit auch im konsumistischen Wettbewerb
immer weiter zurückfallen. Allerdings kommt es selbst im Konsum
immer wieder zu Überlappungen zwischen den Klassen und zu diffusen
Mischformen, die es dann verbieten vom expliziten Klassenkonsum zu
sprechen, nicht nur weil Luxus und Askese etwa beim spiritualisierten
Körperwahn seltsame Ehen eingehen, sondern weil die Luxusware sich
oft vom Gimmick oder der Ein-Euro-Ware kaum noch unterscheidet, weil
Erhabenes und Obszönes, Vulgäres und Geschmackvolles in einem neuen
Produkt, das eigentlich den Namen Wahnaggregat tragen sollte, sich
ununterscheidbar vermischen. So unterscheidet sich der
Diamantring, der an der Hand einer superreichen Frau glänzt, dann
lediglich noch durch den Preis vom Ring aus dem Kaugummiautomaten.
Und erst wenn der
Porsche mit einem
Ein-Euro
Maskottchen verziert ist,
gewinnt
er eine
neue Wahnsinns-Existenz, zelebriert er
das Delirium des durchgeknallten
Zeichens, das die Elite
vorführt,
um das Ende
des Ästhetischen zu proklamieren, ohne
es selbst zu wissen. Metz/Seeßlen
schreiben: »Die Pointe ist, dass Luxus
im Ein-Euro-Laden genauso zu haben ist wie in den Glamour- und
Geldagglomeraten, durch die sich die Geissens bewegen.«
Die Originalität der Star-Existenz,
seine Singularität,
seine Faszinationskraft und
Verführbarkeit, wie dies die Medien Tag
für Tag vorführen,
ist nicht
so anders grundsätzlich anders gegenüber
dem
Durchschnittsbürger, vielmehr
erhält der
Promi letztendlich
selbst noch durch
die mediale Ausleuchtung der eigenen
Toilette wie durch ein Wunder den Stempel der Originalität
aufgedrückt, sodass sich sozusagen
seine Originalitätszeichen addieren und anhäufen, was wiederum dazu
führt, dass die
Stars die Bewirtschaftung der Bedeutungslosigkeit immer
intensiver betreiben, bis ihre Eitelkeit jenen Scheitelpunkt
erreicht, an dem die eigene Marke in die bestehende Angebotsstruktur
diffundiert
ist. Selbst noch das Klopapier in der
weiß designten und irgendwie
atmosphärisch aufgeladenen Toilette
erhält eine sakrale Würde, einen Wert, dessen Affekthaftigkeit
darin besteht, dass der Promi sich am liebsten noch vor laufender
Kamera den Arsch abwischen würde.

Selbst
die Designerprodukte
der
Kunstindustrie
sehen heute nicht viel
besser aus
wie die halb
gelungenen
Re-Arrangements
von Nippes in den
Ein-Euroläden wie Kik. (seeßlen 177) Und
dass die Eliten, die Kreativen und Promis einen identischen
Wohnungsstil pflegen,
der angeblich vom ökonomischen Kapital kaum beeinflusst wird, sieht
man einmal von der Größe und dem Preis des Designs
des Interiors ab, das
beweist eher, dass selbst noch die Frage der Wohnungseinrichtung
keine Frage der
Singularisierung, sondern der Eingewöhnung in das außergewöhnlich
Gewöhnliche ist, das
man entgegen den Gepflogenheiten der Unterklasse, denen die
Gewohnheiten aufgezwungen werden, gerne freiwillig
an sich und seinen Produkten vornimmt.
Deren Originalität, die sich angeblich
durch hohe Eigenkomplexität und Dichte sowie durch die Andersheit
nach außen darstellt, ist die gepflegte Fiktion ihrer Schreiber, die
nun Qualitäten
in die Produkte hinein interpretieren, die sie selbst
cool finden, ein Euphemismus, der der
Exklusivität eines akademischen Zirkels entspricht, dessen Luxus
darin besteht, dass man ihn in
sich selbst kreisen lässt.

Der
Preis einer Ware, der sich durch den durch die notwendige abstrakte
Arbeit induzierten Wert der Ware, die ihr zugehörigen Zeichen und
Distinktionsmekrmale bestimmt, ist heute oft zusätzlich noch an das
Ranking der Marke gebunden. Der Marke, die ein Logo, ein Bild, ein
Image, einen Diskurs und ein Narrativ enthalten muss und am besten
ein A-Promi-Gesicht ausstellt, sollte es heute wirklich gelingen,
spirituelle, heimatliche, nationale oder sexuelle Energien bei den
Konsumenten in Gang zu setzen, beispielsweise Deutschland als
Konsumartikel für 80 Millionen absolute Monarchen, für die die
Ideologie der Heimat das neue Sonnenwendfeuer des Neon-Zeitalters
geworden ist und die das spielerische Austesten von Möglichkeiten
des rechten Tabubruchs gründlich ernst nehmen, wobei sich aber
selbst noch die präfaschistischen Wandervögel unter ihnen bei ihren
Irrfahrten durchs Konsum-Labyrinth auf das zusammen gelogene
Naturerlebnis des »Ich selbst« spezialisieren, das nach wie vor
Authentizität verspricht, wenn sie nicht gerade wieder einmal auf
der Straße »Wir sind das Volk« grölen. Die aktuellen führenden
Marken, die nach der Markenkrise in den 1990er Jahren entstanden
sind, müssen heute unbedingt einen Lifestyle inszenieren oder
simulieren, indem sie die Konsumenten sanft regieren oder lenken, und
interessante Beispiele dafür sind die Kleidungsstücke der Marke
Lonsdale, deren Wert durch die wechselnden »Kulturen« bestimmt
wird, die sie sich irgendwie aneignen.

In
das Design der einschlägigen Markenprodukte sind verschiedene Formen
der Aufforderung zur Selbstdarstellung und die Vermarktung von Images
oder Lifestyle-Konzepten eingestanzt, wobei die Verbreitung eines
neuen Trends (Anrufung einer Abweichung von der Norm) wie ein
unbekannter Verbreitungsalgorithmus funktioniert, der für die
Individuen aber das bequeme Einfädeln in Konsumschleifen ermöglicht
(das wenig mit einer individuellen Kaufentscheidung zu tun hat), die
wiederum die Werbe- und Designerindustrien dramatisieren, um den Hype
zu forcieren und dadurch eine affektive Einstimmung der Körper zu
forcieren. Der Akt des Shoppens klebt an den Waren und bleibt doch
eigenartig gegenstandslos, nicht nur weil das Shoppen um des Shoppens
willen in der Tautologie der Erlebniswelten und im Triumphalismus
selbstreferenzieller Einkaufsgewohnheiten hängen bleibt, die eben
das Shopping umranden und inszenieren, indem sie die Kauf-Ströme
kanalisieren, sondern weil das Shoppen zunehmend als
Client-Server-Verhältnis stattfindet, wobei
Erlebniserweiterungsmittel, Erlebnissteigerungsmittel sowie
Erlebnisersatzmittel per E-Empire in allen Zeitzonen in Echtzeit
bereitgestellt werden, sodass Shopping nun verstärkt auch im
virtuellen Medium stattfindet, in das User, Interface und Screen als
Verbundsystem integriert sind. Das wissenschaftliche
Begründungsarsenal für die darin enthaltenen Subjektivierungen
liefert nicht nur der Neoliberalismus mit seiner Propaganda des
finanzialisierten Risikosubjekts oder die Neoklassik mit ihrem
rationalen homo economicus, sondern auch der Behaviorismus oder die
Verhaltensökonomie, welche die Ökonomisierung der Wünsche mit den
Mitteln der Psychologie aufbereitet und einen letzten Menschen
fingiert, der entweder arbeitet oder konsumiert, ansonsten existiert
der Mensch einfach nicht. Mit spezifischen Technologien will diese
angewandte Verhaltenswissenschaft a la Skinner das Kaufverhalten
beobachten, analysieren, berechnen und automatisch und zielführend
verstärken, um die wirklich gewinnbringenden Veränderungen in Szene
zu setzen, die für die Konzerne einfach notwendig sind.

Baudrillard
zufolge gibt es im Konsum nur scheinbar die Freiheit des
Verbrauchers, der zwar zwischen einer breiten Palette an Waren wählen
kann, aber der Überfluss an Objekten und Konsummöglichkeiten ist
eher einem magischen Denken verhaftet. Die Monstrosität voller
bunter Regale lebt nicht vom Versprechen auf Bedürfnisbefriedigung,
sondern vom »Überfluss« der Zeichen und des Designs, darüber
hinaus von der »Akkumulation der Zeichen des Glücks« (ebd: 48).
Baudrillard schreibt: »Es geht um das konsumierte Bild des Konsums.
Das ist die neue Stammesmythologie, die Moral der Moderne.« (Ebd.:
284/5) Und weiter: »Es ist also nicht richtig, dass die Bedürfnisse
Ergebnis der Produktion sind, vielmehr ist das System der Bedürfnisse
das Produkt des Produktionssystems.« (Ebd.: 109) Darüber hinaus
setzt sich das fragmentierte Konsum-Subjekt aus verschiedenen
Kaufakten zusammen, die sich nicht allein am Preis orientieren,
sondern an einem Patchwork von narrativen Identifizierungen, am
Design und den Zeichen, an einer Wunschmaschinerie; das
Konsum-Subjekt akzentuiert im System des Überflusses und des
Wohlstandes aber auch die Knappheit, da gegenüber den von der
Werbung getriggerten und gesteigerten Bedürfnissen und Wünschen die
finanziellen Mittel zur Bedürfnisbefriedigung bei großen Teilen der
Bevölkerung nach wie fehlen, während zugleich auch bei ihnen ein
Kreislauf des Begehrens insistiert, der nicht enden will, was die
Sache nur noch dramatisiert.2

Der
Discounter

Vielleicht
ist es wirklich so, dass
ein
Sortiment von
Designerwaren
einer
prallgefüllten
Wundertüte
für Schulanfänger
gleicht,
währen
d
umgekehrt
die
Ein-Euro-Waren
der
Discounter
die
teuren Designergegenstände und Markenwaren
so
weit es geht

faken,
damit
aber den Genuss des Schulanfängers verfehlen.

Zumindest
werden
die
Wegwerfwaren

in
den Discountern
im
Überfluss
angeboten,
von der Büroklammer
über
das Glas mit einem x beliebigen Emblem
bis
zum rosa Schächtelche
n,
und vielleicht mag ihr
Kauf
die Stimmung des kleinen Glücks für eine Sekunde nähren (ihr
Überfluss
bzw.
ihre Überproduktion
wäre
hier
der
Luxus), bevor der Albtraum

real
wird, wenn dem
abgehängten
Konsumenten
nämlich
der
Schreck direkt ins Gehirn fährt, die Erkenntnis, dass diese
Art
des

Überfluss
es
vom Ab-fall,
vom
Müll
nicht
mehr
zu
tren
nen
ist, und so erlangen diese Gegenstände ihre wahre Bestimmung nicht
im Gebrauch, sondern
allenfalls
zu
einem Zeitpunkt, an dem der nächste Sperrmüll ansteht,
werden
sie nicht längst
schon
vorher
entsorgt
oder
auf Ebay verscherbelt
.
Jedoch
lernen die

Unterschichten schnell und halten sich deswegen dann doch viel
stärker an Geräte, die
die
reale
Anwesenheit unter seinesgleichen anbieten,
nämlich
an
die
digitalen
Geräte,
die
sozialen Plattformen

und ihre Apps.

Jeder
weiß längst, dass die Kunden der Discounter auf die raffinierten
Inszenierungen, Schmeicheleien und kunstaffinen Designs der teuren
Markenprodukte meistens verzichten müssen, und so hat auch das
Environment bei Aldi &Co deutlich härtere und spartanischere
Konturen als in den Luxussupermärkten für Besserverdienende.
Meterlange Verpackungsreihen, serielle Anordnungen und effizientes
Design haben in diesen zivilisierten Elendsräumen das Ende des
Ornaments, der Inszenierung und der Ausstellung bzw. des Fetischismus
(den des Kristallpalast und der Passagen) längst besiegelt. Die
Differenzproduktion der Waren ist weitgehend durch Ähnlichkeit
(dividuiert, mitförmig) ersetzt und zum homogenen Konsumformat
geglättet. Und der Sicherheitsdienst weist leise und dezent darauf
hin, dass man im Discounter nicht nur als relativ kaufkräftiger
Kunde, sondern auch als Ladendieb in Empfang genommen wird.

Die
Discounter standen in Deutschland mit ihrem zunächst überschaubaren
und recht einfachen Warenangebot am Anfang in der Tradition der
US-Supermärkte der 20er und 30er Jahre, als man in den USA begann,
den Kaufakt nach und nach zu rationalisieren. Die Portionierung und
Verpackung der Waren in den kleinen Lebensmittelgeschäft an einer
Bedientheke war mit der Zeit deutlich zu arbeitsintensiv, wobei
natürlich auch die Beratungsgespräche und der kleine Plausch mit
den Kunden zu viel Zeit kosteten. Demgegenüber wurde der Supermarkt
schnell und effizient als eine automatisierte Verkaufsfabrik
durchgesetzt, auf die industriell verpackten Waren konnte man bequem
und schnell zugreifen und das Band an der Kasse fungierte quasi als
Fließband des normierten Konsums. Mit der großen
Weltwirtschaftskrise begann dann endgültig der Siegeszug der
Supermärkte in den USA und die Verbraucher waren preisbewusst wie
nie zuvor.

Im
Nachkriegsdeutschland folgten Discounter wie Aldi diesem Vorbild und
verkauften die wenigen angebotenen Produkte sogar direkt von den
Lieferpaletten. In diesem in Deutschland bis heute hochkonzentrierten
Segment, man könnte dessen Einrichtungen durchaus Konsumfabriken
oder stalinistische Zwangsernährungsstationen nennen, lieferten sich
die wenigen Unternehmen in den Anfangszeiten noch erbarmungslose
Preiskriege untereinander (diese werden jetzt von den Discountern
gegen die Produzenten geführt), während man heute, was den Preis
angeht, eher zu kooperativen Absprachen zwischen den Unternehmen
neigt, um nichtsdestotrotz einen harten Konkurrenzkampf auf der
Ebene des Designs, der trivialisierten Luxuswaren und des Marketings
zu führen. Manchmal wird in den funktionalen weitläufigen Hallen
sogar noch der Anschein des klassenlosen Konsums erzeugt, bei dem die
Reichen und Armen sich begegnen, wenn auch nicht gerade in die Arme
fallen, um sich aber dann an der Kasse doch einfältig zu
begutachten, wer denn da was auf das Laufband gelegt hat. So finden
die Klassenkriege auch noch an der Kasse statt.3

Die
gewaltige Positivität der Discounter manifestiert sich als dehnbare
und wenig differenzierte Homogenität und zugleich als kaufbare
Simulation eines deutlich regulierten Exzesses, als reguliertes
Zuviel oder Zuwenig, einer Kaufaktion, der in der Wiederholung des
Gleichen jede Negativität abhanden gekommen ist. Kein Wunder, dass
die Menge Warenmüll mit dem Wortmüll korreliert, den die
Konsumenten auf den Straßen, Plätzen, in Bus und in der Bahn
absondern und verstreuen. Auch die als Weltoffenheit und Toleranz
ausgegebene Pornographie der Hyper-Kommunikativen mästet sich am
Exzess des in letzter Instanz Gleichen, schließlich sei ja schon
alles gesagt. Oder, um es anders zu sagen, man sagt, was alle sagen,
man hat, was alle haben, und man grillt, wenn alle grillen.
(Metz/Seeßlen 2011)

2000ff.,
das ist im Konsumsekttor vor allem der Siegeszug der Discounter (und
der Alditude), die nicht nur von den Unterschichten und dem
Prekariat, sondern auch von einem Teil der Mittelschichten regelmäßig
besucht werden. Dabei stehen Discounter und Reallohnstagnation in
einer innigen Beziehung, ja sie verstärken einander. Natürlich
versorgen die Discounter insbesondere die Unterschichten nachhaltig
und billig mit krankmachenden Substanzen – Fett, Zucker, Alkohol,
Nikotin und Salz -, um neben deren Überlebenssicherung ein
statistisch berechenbares Krankheitsbild zu erzeugen. Die Discounter,
die anstatt der fluiden Flüssigbildschirms der Einkaufszentren den
indiskreten Charme einer Nahrungsmittel-Anstalt re-etabliert haben,
in der auf den wirklichen Genuss gründlich geschissen wird, sind
heute zudem Anbieter von billigen Gadgets, Games und Zeichenwaren,
sie sind das Kulturzentrum und die Wahrnehmungsmaschine der
Unterschicht. Uns es ist natürlich kein Zufall, dass der Staat heute
die Höhe seiner Sozialleistungen an Arbeitslose und Bedürftige nach
den Preisen der Discounter berechnet, während die
Zwangsernährungskonzerne (ebd.) infolge der wachsenden Armut stetig
reicher (Zwangsernährer und Beschleuniger der Armut) werden, die
Armut der Konsumenten gleichzeitig im denkbar schlechtesten Sinne
auch erträglich machen und zudem durch ihre aggressive Politik
gegenüber der arbeitenden Bevölkerung auch noch neue Armut
schaffen.4

Aus
den Oxfam Studien weiß man, dass die reichsten 1% mehr an Reichtum
besitzen als der Rest der Welt. Geht man jedoch davon aus, dass Teile
der Vermögen unregistriert in Offshorezentren liegen, dann ist das
eine eher noch
eine konservative
Schätzung. Gegenwärtige Schätzungen gehen davon aus, dass die
Superreichen $32 Billionen in Offshorezentren lagern, ein 1/6 der
weltweiten privaten Vermögen. Aber es geht nicht nur um Ungleichheit
der Vermögensverteilung, sondern auch um die der Einkommen. Letztere
wird mit dem Gini-Index
gemessen. Die Zahl Null steht hier für totale Gleichheit und die
Zahl Eins für totale Ungleichheit. Nach den Zahlen des
Ökonomen Branko
Milanovic ist der Index von 1988 von 0.72 im Jahr 2008 auf 0.71
gefallen. Aber der Gini-Index misst nur relative Veränderungen. Wenn
die Einkommen der Reichen und der Armen mit derselben Rate wachsen,
dann bleibt der Gini-Index identisch, selbst wenn die absolute
Ungleichheit ansteigt. Wenn die Person A 1000 Euro und die Person B
100 Euro besitzen, und beide nun ihr Einkommen verdoppeln, dann
bleibt der Gini-Index identisch, selbst wenn die Differenz der
Einkommen sich von 900 Euro auf 1800 verdoppelt hat. Wenn man den
absoluten Gini-Index ansetzt, dann ist er als Folge der
neoliberalistischen Politiken von 0.57 im Jahr 1988 auf 0.72 im Jahr
2005 gestiegen. Allerdings muss man davon ausgehen, dass die
durchschnittlichen Einkommen heute
höher als in den frühen 1960er Jahren sind, sodass man bspw. den
Versuch, die Unterkonsumtionstheorie zur Erklärung der gegenwärtigen
Rezession heranzuziehen, von vornherein zurückweisen darf.Der
Gini-Koeffizient hat für die USA, Japan, China und Großbritannien
seit 2010 zugenommen, am stärksten in Deutschland, das unter Führung
der Großen Koalition, also unter Mitwirkung der Sozialdemokraten,
Japan, Großbritannien und China überholt und mit 81,6 schon nahe an
die amerikanischen Werte kommt.

Der
Konsum

Doch
ist die Shoppingmall nicht verschwunden. Und natürlich auch das von
Baudrillard beschrieben Konsumsystem nicht, obgleich sich gegenwärtig
einige Modifikationen des Konsums im Vergleich zu seinen Aussagen
nachweisen lassen. Für Baudrillard sind nicht die Objekte das
primäre Ziel der Bedürfnisbefriedigung, sondern das mit ihrem Kauf
erworbene Prestige, i.e. Konsum ist ein Prozess der sozialen
Differenzierung und Klassifizierung. Die Zeichen der Produkte zeigen
nicht nur signifikante Differenzen im Code an, sondern sie
manifestieren auch die Statuswerte innerhalb einer sozialen
Hierarchie der Klassen. Dabei wird das Distinktionsverhalten, das
sich auf den Kauf der Produkte bezieht, von den Konsumenten als
Freiheit erlebt und eben nicht als der Zwang sich differenzieren und
einem Code zu gehorchen zu müssen. Für Baudrillard hingegen
erzwingt der Konsum sogar die emotionale Pflicht zum Genuss, sodass
von einem systematisch und systemisch organisierten Konsum auszugehen
ist. (Das ist etwas ganz anderes als die in der Bataille`schen
Ökonomie angesprochene Verausgabung und Vergeudung, deren
hervorragendster Akteur die Sonne ist, die sich mit reiner
Grundlosigkeit verschwendet.) Und sein Vergnügen erlebt der
Konsument als absolut, ohne den strukturalen Zwang überhaupt noch zu
registrieren, wobei dieser gearde für den permanenten Wechsel
sorgt, aber die Ordnung der Differenzen auch erhalten bleibt.
Baudrillard konstatiert einen Zwang zur Relativität, der den Rahmen
für eine nie endende Differenzierung liefert, die exakt die
Grenzenlosigkeit des Konsums befördert. Während das Prestige an der
positiven Differenz klebt, kennen die distinktiven Zeichen zudem noch
die negative Differenz: Man konsumiert nicht das Objekt, man folgt
lediglich der Manipulation der Objekte als Zeichen.

So
kann
das
Produkt schon
einmal zu
einem austauschbaren Zeichen des Begehrens mutieren,
mehr noch, die Produkte und Wünsche inszenieren
eine »generalisierte Hysterie«, die
den
Konsum als
eine
Art objektloses Verlangen befördert,
ein Verlangen, das auch ohne die Objektwahl und die Konsumtion des
Objekts insistiert. Deshalb kann auch
die
derzeit
ultrapopuläre
Kochshow in den unvorstellbaren
Dimensionen
überhaupt erst funktionieren, denn der Prolet, der vom realen Genuss
und
der Distinktion weiterhin
ausgeschlossen bleibt, findet anscheinend nichts dabei, wenn bei
seiner Konsumtion vor
dem Fernseher nur
die Augen mit-essen, geht es doch
lediglich
um den visuellen
Genuss
der
Kochkünste
der Köche und von Höchstleistungen, die an den Profisport erinnern.
Somit orientiert sich der Konsum nicht am Gebrauchswert, sondern an
der Produktion und Manipulation sozialer Semiotypen und
Signifikanten, oder, um es anders zu sagen, der Konsum ist ein
Prozess der Signifikation und der Kommunikation, basierend auf einem
(klassenspezifischen) Code, der sich beständig und zugleich
unsichtbar in die Konsumpraktiken einschreibt. Konsum ist für
Baudrillard ein
System des Tauschs und ein Äquivalent der Sprache. Allerdings
vollzieht sich der
Konsum der gehobenen Klasse wie die Bewegung des Kapitals
in einer Art Spiralbewegung, in der die Bedürfnisse derart
differenziert gestaltet
werden,
dass ihre vollkommene Deckung nicht mehr möglich ist, sodass
die Befriedigung noch
des letzten
banalen Bedürfnisses ein weiteres,
ein reflexives
Bedürfnis weckt. Schließlich mutiert für den Kaufsüchtigen das
Konsumobjekt bzw. die Ware zum Müll. Dann werden die erworbenen
Produkte im Keller gestapelt oder in Vitrinen abgelegt, weil
letztendlich
der Genuss des Kaufakts zählt, der wiederum durch die Information
und
die Werbung angekurbelt
wird. Baudrillard fügt richtigerweise hinzu, dass die Wünsche und
die Produkte keineswegs nach derselben Logik und Rhythmik produziert
werden. Während die Warenproduktion von der Produktivität des
Kapitals abhängig bleibt, basiert die Wunschproduktion auf
kultureller Differenzierung und
der Aneignung von symbolischem Kapital..
Die Differenzierung der Produkte ist also in sehr
spezifischer Art und Weise in Relation
zur Differenzierung der Wünsche zu setzen (die of course in letzter
Instanz durch die Einkommen definiert werden). Und
immer öfters wachsen
die Wünsche schneller als die verfügbaren Güter, wobei
für größere Teil der Bevölkerung nur der Konsumentenkredit
Kurzfristige
Abhilfe schafft, der Konsument also
sein
zukünftiges Einkommen für gegenwärtigen Konsum verwendet bzw.
einekleine

Ego-Bank mit einem feinen, kleinen Kreditgeschäft betreibt, bei dem
sich die auf Kredit gekauften Waren als Sicherheiten für neue
Kredite erweisen – je mehr Kredite man aufnimmt, desto mehr Kredit
erhält man. An
die Weltbevölkerung denkt man dabei nicht.

In
relativen Begriffen ausgesagt leben die Reichen auf globaler, auf
nationaler, regionale und urbaner Ebene auf Kosten der Armen, und das
kostet zuerst die Ärmsten der Armen letztlich das Leben. Diese Form
der strukturellen Gewalt vollzieht sich aus der Perspektive der ins
Glück Geborenen diskret, ein einfacher kausaler Zusammenhang ist es
nicht. Man erschauert vielleicht leise beim Blick in den Instagram
Account von Astro-Alex, der das Verdorren Europas imSommer 2018 aus
dem All fotografiert hat. Mehr ist nicht. In Pakistan ertrinktman
währenddessen in den Regenfluten.Mit
der Einsicht,
dass die Erde eine Kugel, also begrenzt ist, verbindet sich das
Naturrechteines – wenn auch unbestimmten – Platzes auf dieser
Erde für die Menschen,die eingedenk dieser Begrenztheit zur
Hospitalität gezwungen sind.Wenn also z. B. der deutsche Lebensstil
ab untere Mittelklasse aufwärts weltweitverallgemeinert würde,
dafür aber die Ressourcen und Senken von zwei Planeten notwendig
wären, dann wird einem Großteil der Weltbevölkerung ein Auskommen
an ihrem jeweiligen Platz mit der Zeit verunmöglicht.

Mit
dem Konsum erwirbt man weder die Kenntnis von der Welt noch übt man
sich in Ignoranz, sondern man betreibt mit ihm eine Verkennung, die
durch die permanent gereizte Neugier der Marketingindustrie
vorangetrieben wird. André Gorz hatte schon vor 30 Jahren angemerkt,
dass die in den Marketing-Abteilungen beschäftigten Spezialisten
genau wüssten, dass ein großer Teil des produzierten überflüssigen
Mülls von sich aus niemand kaufen würde. Der Konsum fördert somit
zum einen das aktive Moment (alles muss ausprobiert werden) einer
generalisierten, in diffuse Umtriebigkeit verwandelte Neugier, zum
anderen verspricht er er aber Beruhigung, Selbstgenuss und
Genugtuung. Das entspricht ungefähr dem von Žižek konstatierten
Siegeszug von Produkten, welche die Paradessenz des Produkts pflegen
(Entspannung und Erregung zugleich, bspw. beim Kaffeekonsum,
alkoholfreies Bier, entkoffeinierter Kaffee, fettarmer Joghurt etc),
womit man den Konsum auf eine adversative Struktur des ubiquitären
Genießens festgeschreibt: Verfolge durch Mehr-Essen konsequent den
Weg zur Bulimie, um das Ziel der Anorexie zu erreichen bzw. iss mehr,
um schneller abzunehmen, womit einerseits die Teilnahme am Genuss qua
Imperativ zugesichert, andererseits das exzessive Moment, das dem
Konsum mancher Produkte anhängt, zugleich entschärft wird. Ähnliche
Tendenzen finden wir beim Konsum der Diszipliniken (Potenzsysteme,
inklusive Ästhetik, Akrobatik und Therapeutik, klinische Kriterien
und Selbsttechnologien, Gastronomik und (digitalisierte)
Spaßtechnologien, plus deviante Sexualprozeduren und Ritualistiken
des Dopinsg und des Medikamentenkonsums, diversen
Trainingstechniken). Die Funktion der Motivationsforschung im
Konsumbereich besteht darin, eine konstante Nachfrage an den Märkten
zu erzeugen, womit das System der Wünsche zu einer Manövriermasse
verkommt, die Baudrillard als Konsumtivkraft bzw. als die Form der
rationalen Systematisierung der Produktivkräfte auf individueller
Ebene bezeichnet. Im System der Zeichen sind aber die Produkte nicht
mehr an ein einziges Bedürfnis oder eine einzige Funktion gebunden,
sondern werden von einem beweglichesn und unbewussten
Signifikationsfeld überschrieben oder zumindest überlappt.. Es gibt
im System allgemeiner Austauschbarkeit der waren und des Geldes
andauernd Verschiebungen zu vermelden, womit beim Konsumenten auch
der Wunsch nach sozialer Differenzierung nie zu einem Ende kommt.

An
dieser Stelle kann man Baudrillard zusammenfassen: 1) Der Konsum ist
keine Funktion des Genusses, sondern eine Funktion der
Kapitalzirkulation, wobei er eine kollektive Funktion besitzt.
Produktion und Konsumtion inaugurieren ein und denselben logischen
Prozess der Reproduktion des Kapitals. Die Konsumenten sind einem
kollektiven Code zugeordnet. 2) Der Konsum stellt die Anordnung der
Zeichen und die Integration der Klassen sicher. 3) Der Konsum beruht
auf einem Code der Zeichen und ihren Differenzen, letztere stellen
die Gefügigkeit gegenüber dem Code her, die Integration in eine
mobile Werteskala. 4) Der Konsum impliziert weniger den funktionalen
Umgang mit Produkten, sondern basiert auf einem ausgeklügelten
Kommunikations- und Zirkulationssystem.

Norbert
Bolz, der das noch
halbwegs kritische
Konsumistische
Manifest”
verfasst hat, singt hingegen heute
das
neoliberale Loblied auf den Konsum. Bolz bezeichnet den Konsumismus
als das Immunsystem der Weltgesellschaft. Wenn alle Menschen auf
höchster reflexiver Stufe konsumierten,
würde
es keinen Fundamentalismus und auch keinen Terrorismus mehr geben.
Was aber Bolz als reflexiven Konsum abfeiert, das sind die
Konsumpraktiken des grün-urbanen Konsumenten, die
– Medien und Marketing erprobt – im
Zuge ihres
Singularitäts-
und
Authentizitätswahns glauben,
sie
seien
mit dem hinreichenden
Durchblick ausgestattet, um gegenüber den ubiquitären
Marketingkampagnen
und
dem Massenkonsum
immun zu sein, um
damit umso reflexiv erfrischender jene auf
Kunst getrimmte Markenkultur
in
den gentrifizierten Zentren der Weltstädte genießen
zu können. Man zelebriert
die
singuläre
Selbstfindung
durch Konsum, weil man angeblich gerade dadurch das System
unterläuft, das einem ja
immer nur
scheinbar
eine Identität aufzwingt. Die von
der Werbeindustrie heiß umworbenen
Zielgruppen sollen wirklich
glauben,
dass sie gegenüber dem Marketing, der Propaganda und der Verführung
immun seien, während sie sich doch gerade im Zuge des durch
das Marketing inszenierten Singularitätsshypes
in das Konsumsystem nahtlos
einfügen.
Philip Mirowski schreibt: „Gelebte Erfahrung wird durch Lifestyles
ersetzt, wobei es den Widerspruch zwischen Zugehörigkeitsgefühl und
Individualität auszuhalten gilt.“ (Mirowski 2015: 2714;
Kindle-Edition) In diesem Kontext gewinnen FairTrade, Nachhaltigkeit
und andere ethisch orientierte Konsumweisen eine sehr
behaglich individuelle
Note, schließlich feiert man im ethischen Konsum eher den Ausdruck
der eigenen Persönlichkeit, als dass man etwas von
den Produktions- und Distributionsweisen solcher Produkte, die
meistens
auf
Landraub basieren,
wissen
oder gar etwas ändern
will.
So
mutiert Rebellion
zum Freizeitvergnügen der
Mittelklassen: Simulierte
Rebellion im Konsum und Guerilla-Marketing fallen
zusammen.
Aufgenötigt wird der Konsum zweiter oder dritter Ordnung, der die
ständige Selbstverwandlung der Konsumenten integrieren soll. Dabei
wird ihm sogar suggeriert, dass er im und mit dem Konsum Projekte
organisiert, mit denen er jeden Versuch des Marketings, ihm eine von
außen aufgezwungene Identität aufzustülpen, unterläuft. Mehr
noch, Konsumenten kaufen Produkte ohne sie zu gebrauchen, sondern sie
setzen sie für Werbung ein, die wiederum neuen Konsum generiert. So
wird ein Teil der Werbung von den
Konsumenten selbst
generiert.

Die
Freiheit des Konsums ist für Baudrillard eine reine Mystifizierung,
vielmehr wird einem die Wahlfreiheit im Konsum aufgenötigt, oder, um
es noch zu erweitern, das System des Konsums vervollständigt das
aufgezwungene Wahlsystem – Shoppingmall und Wahlkabine sind
systemisch produzierte Orte der individuellen Freiheit, die beide nur
noch konsumiert werden. Ähnlich hatten das schon Adorno/Horkheimer
formuliert: »Aber Reklame wird Information, wenn es eigentlich
nichts mehr zu wählen gibt, wenn das Wiedererkennen der Marke den
Wahlvorgang substituiert und wenn zugleich die Totalität des Systems
jeden, der sein Leben erhalten will, dazu zwingt, solche Leistungen
aus Berechnung zu vollbringen. Das geschieht unter der
monopolistischen Massenkultur. Drei Stufen in der Entfaltung der
Herrschaft übers Bedürfnis lassen sich unterscheiden: Reklame,
Information, Befehl. Als allgegenwärtige Bekanntmachung führt die
Massenkultur diese Stufen ineinander über.« (Adorno/Horkheimer
1969: 133)

Beim
Verhältnis von Konsum und Zeit geht man laut Baudrillard von drei
Voraussetzungen aus: Die Zeit ist die Dimension apriori. Sie ist da
und wartet auf uns. Die Freizeit ist das Reich der Freiheit. Jeder
Mensch ist von Natur aus frei und gleich. Der Anspruch der Freizeit
besteht darin, der Zeit wieder ihren Gebrauchswert zurückzugeben,
jedoch kann sie, und das gibt Baudrillard nun zu bedenken, im Kontext
der Freizeitindustrie nur als chronometrisches Kapital von Jahren,
Stunden und Minuten befreit werden, ein Kapital, in das man
investieren muss. Die Zeit bleibt deshalb knapp und sie bleibt den
Gesetzen des Tauschwerts unterworfen. Und schließlich mutiert nicht
nur die Arbeitszeit, sondern auch die Konsumzeit – die freie Zeit,
die man durch den Konsum eines Produkt gewinnt, das sofort flüssig
konsumiert und nicht erst tiefgefroren aufgetaut werden muss –
mutiert zum verzinslichen Kapital, zur virtuellen Produktivkraft, die
man kaufen muss.

Im
Kontext der therapeutischen Fürsorge, einen weitere Nebenwirkung des
Konsums, regredieren die Konsumenten schließlich zu Pflegefällen:
»In diesem Sinne noch einmal die TWA, die »Fluggesellschaft, die
Sie versteht«. Und sehen Sie, wie gut sie Sie versteht: »Für uns
ist der Gedanke kaum erträglich, Sie ganz allein in ihrem
Hotelzimmer zu wissen, wie Sie wild durch die Fernsehprogramme
zappen. Wir wollen alles tun, damit Sie auf Ihrer nächsten
Geschäftsreise Ihre bessere Hälfte mitnehmen können … mit dem
speziellen Familientarif usw. Mit ihrer besseren Hälfte an Ihrer
Seite haben Sie zumindest jemanden, mit dem Sie den Fernseher
umschalten können … das ist es, was wir Liebe nennen …« Die
Frage ist nicht, ob Sie allein sind – Sie haben nicht das recht
dazu, denn »für uns ist das unerträglich«. Wenn Sie nicht wissen,
was Glücklichsein bedeutet, werden wir es Sie lehren, wir wissen das
nämlich besser als Sie und wissen auch, wie Sie mit ihrer besseren
»Hälfte« vögeln sollten, wo sie doch Ihr Zweites Programm, Ihr
erotischer Sender ist. Das wussten Sie nicht? Dann werden Sie auch
das bei uns lernen. Denn dazu sind wir da. Sie zu verstehen – diese
Aufgabe ist die unsrige … (Baudrillard 2015: 249) Der Computer
drückt sich heute allerdings etwas distinguierter aus:
»Liebeskummer? Besuchen Sie unsere Branntwein Abteilung!«

Literatur

Adorno,
Theoder W./Horkheimer Max (1969) : Dialektik der Aufklärung.
Frankfurt/M.

Anders,
Günther (1961): Die Antiquiertheit des Menschen 1. Über die
Zerstörung des Lebens im Zeitalter der dritten industriellen
Revolution. München.

Baudrillard,
Jean (1982): Der symbolische Tausch und der Tod. München.


(2015):
Die Konsumgesellschaft. Ihre Mythen, ihre Strukturen. Berlin.

Metz,
Markus/ Seeßlen, Georg (2011): Blödmaschinen. Die Fabrikation der
Stupidität. Frankfurt/M.


(2012):
Kapitalismus als Spektakel. Oder Blödmaschinen und Econotainment.
Frankfurt/M.

Mirowski,
Philip (1986): The Reconstruction of Economic Theory. Berlin.


(2015):
Untote leben länger. Warum der Neoliberalismus nach der Krise
noch stärker ist. Berlin.

Sloterdijk,
Peter (2016): Was geschah im 20.Jahrhundert? Frankfurt/M

1Für
Baudrillard gibt immer weniger eine Distanz zwischen der Simulation
und der realen Welt.
Dabei
ist die Simulation für
ihn kein
Problem
der Linguistik,
weder als Methode noch als Modell, weil selbst der flottierende
Signifikant an das Problem der Referenz gebunden ist und einen Abyss
zwischen Welt und Wort erfordert, während es
zwischen
Simulation und
Relation keine Relation oder Distanz mehr gibt. In
diesem Sinne ist die integrale Realität, wie Baudrillard sie nennt,
der Name
für die Realisierung der Welt in ihrer Unmittelbarkeit durch
simulierte Mittel, oder, um es anders zu sagen, die
Simulation produziert sich selbst in die Realität, wie eine Sphäre
mit
einer
immer weiter ansteigenden Dichte, in der nichts
Virtuelles mehr entweichen kann, sodass es nicht aktualisiert werden
könnte.
Integrale
Realität,
das ist die irreversible
Bewegung hin zur Totalisierung der Welt.

2´Günther
Anders hatte dies wiederum schon einige Jahre früher so
beschrieben: »Nein,
trotz der ungeheuren Vermehrung und Ausbreitung technischer
Kenntnisse und trotz des natürlich allgemeinen Wissens, daß die
Produkte nicht an Bäumen wachsen, sind diese doch für die Mehrzahl
der Zeitgenossen primär nicht als Produkte da, und gewiß nicht als
Zeugnisse der eigenen prometheischen Selbstherrlichkeit; sondern
einfach „da”; und zwar primär als Waren, als nötige,
wünschenswerte, überflüssige, erschwingliche oder
unerschwingliche, die „meine” erst dann werden, wenn ich sie
gekauft habe. Sie sind sogar eher Beweisstücke eigener Insuffizienz
als eigener Kraft: allein schon deshalb, weil der Überfluß der
ausgestellten unanschaffbaren Produkte in einem
hochindustrialisierten Lande einfach überwältigend ist: die
Ladenstraße ist ja die permanente Ausstellung dessen, was man nicht
hat.« (Anders
1961: 28)

3
Gleichzeitig findet fern ab
der Discounter eine privatisierte Zurschaustellung von Luxuswaren
statt, seien es Kunstwerke, Schmuckstücke, Yachten, Immobilien und
Antiquitäten, die durch die Art und Weise ihrer zu meist elitären
und abgeschotteten Ausstellung als Quasi-Derivate in den
Verkaufspreisen immer weiter steigen und damit jene Art von
Finanzanlagen inkorporieren, die den klassischen »Wert« der Waren
weit übertreffen und diesen wirklich altmodisch aussehen lassen.

4
Somit gilt es Sloterdijks
Aussagen zum Mehrkonsum unbedingt zu relativieren. Er schreibt: “Die
kollektive Bereitschaft zum Mehrkonsum konnte innerhalb weniger
Generationen in den Rang einer Systemprämisse aufsteigen:
Massenfrivolität ist das psychosemantische Agens des Konsumismus.“
(Sloterdijk 2016: 123) Mehrkonsum ergibt sich für Sloterdijk
weniger aus der Kapitaldynamik, sondern als Resultat des
unverdienten Zuflusses von Energie in die Ökonomie
(Fossilenergetik, aber auch Maschinisierung. Dampfmaschinen,
Verbrennungsmotoren und Elektromotoren). Sloterdijk zitiert
weiterführend Rolf Peter Sieferle: „Letztlich ernähren wir uns
von Kohle und Erdöl – nachdem diese in der industriellen
Landwirtschaft zu eßbaren Produkten verwandelt worden sind.“
(Ebd.: 127)

Der Beitrag Im Resonanzraum der Supermärkte erschien zuerst auf non.copyriot.com.


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