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Die 24/7 Maschine (1)

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»Die
Rhythmen des Lebens, das Auf und Ab der Natur und des Alltags müssen
verschwinden in dieser Welt; für die Schwäche und Unzulänglichkeit
menschlicher Zeit, ihre diffusen und verschlungenen Strukturen«, so
schreibt Jonathan Cray, sei in dem global-digitalen-24/7-System kein
Platz mehr. Der 24/7-Modus hat längst eine entzauberte Welt ohne
jedes Geheimnis hervorgebracht, eine unruhige und unheimlich
identische Welt der Indifferenz, eine Welt ohne
Gespenster, eine Welt, die einerseits die Dunkelheit zu eliminieren
trachtet, andererseits den Tag mit seinen verschiedenen
Rhythmen, Perioden und Eigenartigkeiten
zur Eindimensionalität hin
verflacht und ihn
doch zugleich
zerrüttet. So
ist es wahrlich kein Zufall, dass die
Dinge, Objekte
und Ereignisse, die
im Alltag zirkulieren, auf
ihre bloße Funktionalität, Kalkulation und
Effizienz, ja schließlich auf ihre
Brauchbarkeit für die Kapitalisierung reduziert
werden,
sodass selbst noch die minimalen
Kontingenzen, Brüche und Eruptionen im
Alltagsleben verschwinden, gerade
auch indem
der Alltag in einer Art und Weise kulturalisiert wird, dass
eine fieberhafte und wie von unsichtbarer Hand gesteuerte
Suche nach dem Originellen, dem Echten und dem Authentischen beginnt,
die egal, was da als das Ergebnis
der Suche von der Kulturindustrie
eingesetzt werden mag, sich vor allem
durch den funktionellen Fluss der Suche selbst auszeichnet. Die
Welt wird grell-hell,
es fließen in ihr ununterbrochen
ultra-sichtbare Ströme von Bildern, Fotos
und Informationen im Endlos-Stream,
die selbst noch die
Katastrophe, das Verbrechen und das Obszöne ausleuchten und zugleich
neu konstruieren. Die visuelle
Stimulation kommt
aufgrund der Dominanz des Grellen im
digitalen Bilderbrei einer weißen Wand
gleich, gegen die den Kopf zu stoßen nichts bringt, weil es nicht
einmal Beulen hinterlassen würde.

Das
24/7-System des Kapitals generiert wie
eine perfekt
geölte Tretmaschine unablässig asoziale Modelle des automatisierten
Funktionierens

der Mega-Motor des Super-Kapitals, das abstrakte Prinzip der
Vermehrung des Geldes um der Vermehrung willens,
treibt unaufhörlich
die
Kalkulation, Quantifizierung und Verwertung des Lebendigen und des
Toten
mit
vielfältigen
Prozessen
voran, bei denen aber
oft genug unerkennbar bleibt, auf wessen Kosten die laufende
Betriebsamkeit geht und wer von ihr profitiert.
Diese 24/7-Metrik
unterscheidet sich
stark von
einer
Zeit,
die
Marxisten wie Georg
Lukács
im 20. Jahrhundert
als lineare,
leere,
gleichförmige Zeit des Kapitals bezeichnet haben, insofern die
24/7-Zeit als wirbelnder Strom eine a-lineare und
nicht-chronologische Zeit der Spekulation inhäriert, die
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vermischt, aber dennoch
unaufhörlich auf Beschleunigung und auf die Eliminierung von
unproduktiven Leerstellen in der Arbeit
und im Alltag setzt. Diesem Prozess zufolge sind es nicht die
Produktion, Konsumtion, Austausch und Distribution, sondern es sind
die Geschwindigkeit und die Größe der Prozesses der Zirkulation
selbst, die vor
allem zählen.
Alles wird heute von der Zirkulation aufgesogen und niemand darf sich
der Zirkulation verweigern, alles zirkuliert unaufhörlich
und niemand kann der Macht der Kreisläufe der Zirkulation entkommen.
»Die
Zirkulation ist die erste Totalität unter den ökonomischen
Kategorien.« Marx Grundrisse.

Reine
24/7 Zirkulation als Bedingung und als Produkt des
virtuell-finanziellen Modells der Zirkulation von Kreisläufen.
Kreisläufe der Produktion, Kreisläufe der Konsumtion, Kreisläufe
des Austauschs und Kreisläufe der Distribution, alle miteinander
verlinkt und sich überlappend. Die Kreisläufe der Zirkulation
verbinden sich im Modus der quantischen Ungewissheit mit der
multiplen Zirkulation der Kreisläufe, und das muss so sein, weil die
Waren- und Kapitalbestände selbst ständig
recodiert,
rekombiniert, repliziert und geklont werden können. In
der Zirkulation fließt etwas aus und kommt wieder herein, immer und
immer wieder, das heißt, sie ist ein Kontinuum, und insofern ist sie
zur gleich Zeit
innen und außen. Sie ist ein vielfach
gefaltetes System mit relativen Innen- und Außenzuständen
ohne
absolute Exklusionen und Inklusionen, vielmehr sind beide Falten
desselben kontinuierlichen Prozess. Die Zirkulation reproduziert
nicht
nur einen Strom qua eines Netzwerks multipler Falten,
sondern lässt sie expandieren, wenn sie zusammenkommen. Sie ist die
kontrollierte
Reproduktion und Redirektion der Bewegung. In der
Zirkulation geht es um Größen, Liquidität, Geschwindigkeit und
Vektoren. Selbst die Nicht-Zirkulation - in diesem Falle das Geld,
das der Zirkulation kurzfristig entzogen ist (Schatz), um als Kredit
zu fungieren - zirkuliert auf immer höherer Stufenleiter. Deshlab
sind auch die Blockaden von Häfen
und logistischen Hubs so effektiv, weil die Macht eben nicht mehr nur
in den Institutionen verankert ist, vielmehr in den Infrastrukturen
konzentriert ist, womit auch ein Shift von den Plätzen hin zu den
Strömen verbunden ist, den

Autobahnen,
Glasfasernetzen und Stromlinien. Die Macht
liegt im Verborgenen und ist dennoch banal:
Sind die Fabriken
und Büros noch Orte oder Knotenpunkte in einem Strom, speziell wenn
sie Teile einer vernetzten Infrastruktur sind?
Ist
ein Verkehrskreisel ein Strom oder ein Platz, oder beides? Haben sie
reale oder symbolische Dimensionen, oder beides? Die revolutionären
Gelbwesten bestimmen mit ihren Straßensperren
den Kurs der Globalisierung. Sie können sie aufhalten oder umlenken,
ja sogar umkehren. Die Geschichte wird spontan gemacht, am
Kreisverkehr mit seinen Abzweigungen.

Die
Jagd nach dem ever zirkulierenden Mehr, die der Kapitalisierung
zukünftiger Zahlungsströme und Zahlungsversprechen entspringt,
eröffnet gerade Zeitströme, in denen Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft in keiner determinierten Relation mehr zueinander stehen,
sondern sich in einem kontinuierlichen Zustand der Bewegung, der
Transformation und des Entfaltens befinden. Entlang dieser
nicht-chronologischen spekulativen Zeit1,
in der Vergangenheiten, Gegenwarten und Zukünfte für eine ständige
Re-Organisation, ein Resetting oder auch die Suspension offen sind,
werden die Kanäle für die Kapitalisierung kreiert. Der 24 Stunden
Aktienmarkt bezeugt den Triumph des »streamed capital« als den der
Ausdehnung und der Beschleunigung über die Dauer. Mit
der Zeit ist es jetzt wie
mit allen Transit-Orten – siehe Einkaufszentren, Flughäfen, Museen
und Sportarenen: So
ist auch die
Zeit in all ihren Dimensionen (Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft)
austauschbar geworden, ganz egal, in welchem Jahr, Tag und Sekunde
man sich gerade befindet. Indem sie austauschbar geworden
ist, ist sie standardisiert und zugleich
differenziert. Das Entscheidende der 24/7-Metrik liegt aber gerade
nicht in der Standardisierung/Differenzierung, sondern in der
Redundanz einer Un-Zeit, in der es keine Gelegenheit mehr gibt, nicht
zu shoppen, nicht zu
konsumieren, nicht zu
arbeiten oder keine Daten
abzurufen. Dennoch inhäriert die 24/7-Metrik keine gleichförmige
Zeit, sondern eine reduzierte und abgeschliffene Diachronie, in der
die Unterschiede auf austauschbare
und zirkulierende
Differenzen zusammengestrichen sind
– Austauschbarkeit ist die Normalität. Es wird eine schale
halluzinatorische Präsenz inszeniert -
die Abfolge reibungsloser und wie geschmiert ablaufender
Operationen als eine
besondere Form der Zeitlosigkeit, in der
den Unterschied ausmachende Pausen,
Unterbrechungen und Rhythmen eliminiert werden.
In diesem Kontext muss darauf
hingewiesen werden, dass der Kalender
und die in ihn eingeschriebenen Zeiten
weiter existieren,
aber ihre Kenntlichkeit und Bedeutung wird durch die Indifferenz der
24/7 Metrik überlagert.
»Disconnection« bedeutet jetzt
definitiv den sozialen Tod, während
gleichzeitig drahtlose
Technologien gerade
die Besonderheiten und das Singuläre der Orte, der Landschaften, der
Zeiten und der Ereignisse auslöschen.
Und es entsteht
geradezu ein Sog, der einen dazu zwingt, ununterbrochen den durch das
Marketing erzeugten Bedürfnissen und Wünschen im
digitalen Netz
und auch in
der analogen Welt
nachzujagen, die
aber auch
deswegen unerfüllt bleiben müssen,
weil ständige neue Produkte, neue Apps,
Versionen und Upgrades auf dem Markt
erscheinen, welche die Wünsche nicht nur
stimulieren und anheizen, sondern sie zugleich ständig
transformieren und gerade auch deshalb
unerfüllt lassen. Dabei erzeugt die
24/7-Metrik keineswegs manipulierte
Konsumenten,
sondern über
die Inszenierung von Differenzen infolge
der ständig wechselnden Warenangebote,
die aber
letztendlich der
radikalen Indifferenz gegenüber den
Dingen gleichkommt,
werden die wirklich den
Unterschied machenden
Unterschiede geschliffen und die
Konsumenten
in ihrem Verhalten nivelliert,
das Spektrum ihrer Verhaltensweisen,
Erfahrungen und Ereignisse in der Tendenz auf Null reduziert.
Nullintensität.

Dieser
Zeit des 24/7 ist selbst noch der Schlaf ein Greuel. Jonathan Cray
schreibt: »Eine strahlende 24/7-Welt, die keinen Schatten wirft, ist
die kapitalistische Endzeitvision eines Posthistoire, einer
Austreibung der Alterität als dem Motor geschichtlichen Wandels.
24/7 ist eine Zeit der Gleichgültigkeit, der
gegenüber die Fragilität menschlichen Lebens zunehmend inadäquat
wird, eine Zeit, in der der Schlaf nicht länger notwendig oder gar
unvermeidlich ist. Sie lässt die Vorstellung eines Arbeitens ohne
Pause, ohne Ende plausibel, ja normal erscheinen. So verbindet sie
sich mit dem Unbelebten, Inerten oder Alterslosen.«

Für
Cray ist es nur noch der Schlaf in
seiner puren Nutzlosigkeit,
der mit den Takten, Metriken und Ansprüchen der 24/7-Welt des
Super-Kapitals kollidiert, womit
er weitgehend
auch von
den Angriffen der Unternehmen
und den von ihnen generierten Bedürfnissen befreit bleibt; er ist
die kompromisslose Unterbrechung der vom Kapital unablässig
geraubten Zeit, während
hingegen selbst die existenziellen
Bedürfnisse und Begehren
– Hunger, Durst, Sex und Freundschaft – heute
monoton
aufgeladen
und
dermaßen
terroristisch
kapitalisiert sind,
bis schließlich jede Geste des Körpers unerbittlich in eine
Verstärkung der kapitalistischen Axiomatik umgewandelt wird. Der
Schlaf konterkariert die Kapitalisierung, weil er auf einem
Zeitintervall insistiert, das sich vom
Kapital nicht verwerten lässt und er
bleibt damit
eine sperrige Anomalie, ja
sogar
ein potenzieller Krisenherd in der globalen Präsenz des Kapitals.
Allerdings, und das gilt es gegen Cray ins Feld zu führen, wird mit
der
Existenz
von
Schlaflaboren
längst auch der
Schlaf durch diverse
Methoden, die
seiner
Effektivierung
dienen, umgestaltet.
Dennoch bleibt er vielleicht
zumindest in
seiner Traumdimension das, was Blanchot das Unwahrscheinliche nennt.
Gleichzeitig
bleibt der Schlaf eine transzendentale Bedingung, ein reines
Eins-in-Eins, weder Freude noch Trauer, sondern
unerbittlicher Schlaf. Er ist das kleine
object
a des sexuellen Vergnügens, das Andere des 0+
des
Träumens und das
0- des
Todes.

Aber
wahrscheinlich hat selbst Cray nicht mit Unternehmen wie Under
Amour

gerechnet, deren mobile App Record
eine Schalt- und Überwachungszentrale für menschliche Aktivitäten
rund um die Uhr ist, um die Fitness, aber eben auch den Schlaf einer
Person zu tracken, zu analysieren und dann die ausgewerteten und
modifizierten Daten zu verkaufen. Es wundert längst nicht mehr, dass
die User diese Daten freiwillig zur Verfügung stellen, worauf sie
beispielsweise
mittels
der KI Plattform Watson analysiert werden, deren Ergebnisse das
Unternehmen nutzt, um Feedbacks zu versenden, Nutzerprofile und neue
Verhaltensmodifikationsmittel zu erstellen, die wiederum ein
quasi-programmiertes Verhalten erzeugen sollen, das heißt, beim User
genau das vom Unternehmen vorhergesagte Verhalten auslösen, das zum
Beispiel im Kauf der physischen Produkte des Unternehmens besteht.
Selbst noch das intimste Wissen über die Qualität des eigenen
Schlafs wird als Daten in algorithmische Maschinen eingespeist, um
daraus neues Vorhersage-Wissen herzustellen, das angeblich die
Effektivität des Schlafs verbessert. Und die Schlaftracker auf dem
Smartphone, die am frühen Morgen angeben, ob man gut oder schlecht
geschlafen hat, disziplinieren selbst noch den Schlaf, soweit es eben
geht, denn
der Schlaf bleibt ein umkämpftes Territorium.
Wissenschaftliche Erkenntnisse über den Schlaf dienen meistens dazu,
die Agenten fit für den Job und ihr monetarisiertes Leben zu machen,
sodass
eine Art
Hochleistungsschlaf durchaus
erwünscht ist - man schläft
sich schön,
schlank
und gesund.
Man
schläft
unter der Bedingung der Leistungsbereitschaft, um den Arbeitsalltag
bewältigen zu können, und dafür benötigt
man,
so die Wissenschaft, möglichst
viele Tiefschlafphasen sowie
die
Kontinuität
unter den Bedingungen eines optimalen Raumklimas. Selbst für die
Vorbereitung des Schlafes haben die Lebensratgeber
einen Kanon von strikten Regeln entwickelt: Keine
Bildschirme mehr vor der Nachtruhe. Körperliche Betätigung ist gut,
zu meiden sind unbedingt Alkohol und schweres Essen, genauso wie
Sorgen. Wer in Altersheimen oder Krankenhäusern 24-Stunden-Schichten
schiebt, wer zwischen zwölf und acht Uhr morgens die Bürogebäude
großer Firmen putzt oder in Chemieanlagen, in der
Nahrungsmittelproduktion oder für Sicherheitsfirmen die Nächte
durcharbeitet, der muss sein Schlafbedürfnis minimieren und am Tag
oder am Wochenende stillen. Mehr als ein Drittel der Schichtarbeiter,
das zeigt eine Studie
der Techniker Krankenkasse
, schlafen weniger als fünf Stunden.

Cray
weist in diesem Kontext darauf hin, dass heute
die Zahl derjenigen Menschen
(und das betrifft nicht nur die Daytrader)
stark ansteigt, die nachts aufstehen, um Mails, Social
Media-Plattformen und Infos im Internet zu checken oder auch mal den
Kühlschrank zu besuchen, um etwas zu essen. Solch ein unterbrochener
Schlafmodus, man denke an den Lenin-Schlaf der Banker, reduziert den
Schlaf auf einen minderwertigen Zustand, weil er ihn letztendlich
lediglich auf die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit und
Verfügbarkeit des Menschen für die Arbeit und das Kapital festlegt.
Cray schreibt über den 24/7 Takt: »Er verdrängt das
»Ein/Aus«-Prinzip. Nichts ist mehr richtig »aus«. Nie gibt es
mehr einen wirklichen Schlafmodus.« Es kommt
heute zu
einer ständigen Verknappung oder
Verkürzung des Schlafs und gleichzeitig
kommt es zu
notorischen Schlafstörungen, sodass man in
diesem Fall gezwungen ist, mit
der Einnahme von Schlaftabletten Schlafzeit
zu kaufen. Und für den Erfolg des
Unternehmens, in dem man gerade arbeitet, hat man immer wieder
einmal eine Idee im Kopf, auch in der
Nacht, man ist sozusagen rund um die Uhr im Dienst und wenn gerade
kein Firmenangestellter zur Kontrolle bereitsteht, dann kontrolliert
man sich eben selbst.

In
dieser Zeit der endlosen Präsenz verschwimmen nicht nur
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sondern auch die
Produktion, Verteilung und Konsumtion in
schnell zirkulierenden Kreisläufen ineinander.
Vordergründig scheint es dabei
dem Kapital an nichts zu fehlen, weder
an der Arbeit noch
am Konsum, wenn man unter Arbeit einfach Hilfsarbeit und unter Konsum
die zerebrale Wahrnehmung
eines Flüssigfernsehers oder eines
digitalen Mikroschaltkreises, der
vielfältige Wünsche,
Zeichen und Energie aufzeichnet,
versteht. Einzig und allein am Mehr, am Mehrwert mangelt es nach
wie vor auf Dauer. Gerade
der ach so reflexive
Konsum der Mittelklassen
erzeugt heute den
toxischen und oft in erschöpfenden
Dimensionen stattfindenden
Verzehr von Gadgets, Geräten, Apps, Bildern, Chemikalien etc.,
Waren, die
von den großen Silicon Valley Konzernen
permanent transformiert
und neu angeboten, um
dann sofort auf
den entsprechenden Medien-Märkten
und Plattformen kommentiert zu werden.
Man konsumiert dies alles sehr häufig
am Smartphone, indem man unentwegt
auf das Display schaut, browst, chattet,
skippt, deleted, surft und liest und bleibt dabei
immer eingetaucht in eine
Passivität, die einem das Online-Leben aufbürdet, während man
gleichzeitig doch
irgendwie aktiv ist, also irgendwie
total involviert ist, eine Verrücktheit
höchsten Grades. Man lebt in den
Geisterwelten hedonistischer
digitaler Maschinen
und promiskuitiver
digitaler Kontakte.
Entscheidend für den 24/7-Takt, der in
seiner ultraschnellen
Schmalspur-Eleganz zur Zerrüttung,
Verflüssigung und Flexibilisierung der alltäglichen
Tagesabläufe führt, ist
nicht mehr die Akkumulation der Dinge
durch die Subjekte, sondern der
expandierende und paradox
differenziell-gleichförmige Strom der
Beschäftigung sowie des
Konsums von
meist digitalen Angeboten,
der
durch den zunehmenden
Verlust von Pausen und
Unterbrechungen durch eine schrille
Kurzfristigkeit der
Aktivitäten gekennzeichnet ist.
Virilios rasender Stillstand. Die Metrik des 24/7 induziert eine Zeit
ohne Zeit, eine Un-Zeit, die ohne jede Dramatik, ohne
Ereignisse oder differenzierende
Wiederholungen, die einem im Gedächtnis bleiben könnten,
dahin schleicht, oder, wenn man in bestimmte
Projekte und Jobs eingespannt ist,
unter dem Zwang sich kaputt zu arbeiten
dahin rast - jedenfalls handelt es sich
um eine Art Zeitlosigkeit oder um die endlose
Ausdehnung einer flachen, sich
dehnenden und
fürchterlichen Gegenwart.

Und
jedes Produkt ist als ein potenzielles Wegwerfprodukt in den
variablen 24/7 Zeit-Sog integriert. So werden die Touchscreens der
Smartphone verschwinden und durch Gesten gesteuerten Rechnern Platz
machen – als »Revolution« gefeiert werden diese Produkte, darauf
kann man sich verlassen, ein möglichst schnell zu entsorgendes Teil
der Nonstop-Innovation des Kapitals.2
Die digitalen Geräte erfordern nicht nur einen repetitiven
Ersetzungsmodus, sondern sie erscheinen als Neuheiten genau dann
attraktiv, wenn sie wie am Endlosband Wahlmöglichkeiten, das heißt
einen Modus zur Erzeugung von Optionalität anbieten, der direkt aus
der Finanzindustrie herauskopiert ist.

Pierre
Klossowski hat in seinem Buch Die
lebende Münze

die
industrielle Produktion als das
Prinzip einer Produktion-bis-um-äußersten, die
einen
Konsum-bis-um-äußersten fordert, bezeichnet, nämlich die
Produkte auf
kurzfristigen Verschleiß hin
in
Serie zu
produzieren, um folgerichtig
den
Konsumenten, der
diese Kurzfristigkeit aufgreifen
muss,
daran zu
gewöhnen,
die Idee eines haltbaren Gegenstandes ganz
zu
verlieren.3
Die
Zerstörung
der
Haltbarkeit
durch
die maschinelle
Innovation,
mittels
derer
nicht
nur die Maschinen, sondern die
Konsumprodukte
immer
schneller durch andere abgelöst werden,
ist
also schon Teil
der
industriellen
und seriellen
Massenproduktion. Diese
verstärkt
die Flüchtigkeit
und den
Verlust
des Objekts und
soll jeden
Gedanken an die Haltbarkeit der
Objekte
eliminieren,
womit diese
in ihrer Waren-Endlichkeit zu
Quasi-Objekten
mutieren,
das heißt, sie
sind kalkulierbar
und quantifizierbar und kurzfristig
austauschbar geworden
und
sind
damit
als Objekte nichtig. Die Objekte mutieren zu Nicht-Dingen. Sie sind
nichts, oder, anders gesagt, jedes Objekt ist
nun
potenziell
Müll, ja das Objekt ist Müll. (Nur der Preis hält das Objekt noch
am Leben).

Für
Klossowski ist damit, so muss man einfach
folgern,
der Müll keine unvermeidliche Nebenwirkung der industriellen
Produktion, sondern ihr Hauptzweck, insofern die
fabrizierten
Industriewaren dem Wachstumszwang des Kapitals unterliegen,
was ihre schnelle Untauglichkeit und Unbrauchbarkeit, ihre umgehende
Entsorgung
unbedingt einfordert, sodass man
eben
zu
dem Schluss kommen muss, dass der wirkliche Zweck der
Waren
nur darin bestehen kann, Müll zu sein. Wenn das Marketing heute
jedes
Produkt mit dem Attribut neu versieht, ja als
brandneu
oder
als
eine noch nie dagewesene
Sensation propagiert,
dann fällt im optimalen Fall der Augenblick des Erscheinens des
Produkts mit
seinem
Verschwinden zusammen, zumindest ist das
Produkt einem
schnellen Zerfallsprozess ausgesetzt, weil
es - in Serie hergestellt
- nur
die Vorstufe eines
noch
neueren
Produkts
sein
kann. Das Produkt trägt damit per
se den
Makel oder den Mangel des Überholten und Defizitären
bereits in sich, seine Halbwertszeit tendiert gegen Null. Und
Müll
ist demnach nicht nur das, was auf den Mülldeponien der Welt
vergammelt,
sondern das
riesige
Warenangebot
in
den Regalen der Supermärkte und in den Online-Shops von Amazon,
Warenmüll
ist das
kommende
Abjekt,
das als solches gar
nicht
wahrgenommen wird. »Abfall
ist das finstere, schändliche Geheimnis jeglicher Produktion. Es
soll vorzugsweise ein Geheimnis bleiben.« (Zygmunt Bauman, 2005. 42)

1
Das
Futur 2 scheint bei Marx die Zeit zu sein, die der dritten
Bestimmung/Funktion des Geldes als sich verwertendes Geld
komplementär ist. Im Prinzip funktioniert das Geld an dieser Stelle
der Argumentation schon als (spekulatives) Geldkapital, was
bezüglich der Zeit impliziert, dass die Gegenwart durch die
Kalkulation ihrer Zukunft eine Bewertung an ihrer und durch ihre
Zukunft findet, aber letztlich gerät doch alles anders, als man es
im aktuellen Moment voraussehen kann – weil die Zukunft eben auch
gerade darauf reagiert, wie man versucht, die Zukunft zu
kalkulieren. Nicht die Gewordenheit der Gegenwart aufgrund ihrer
Vergangenheit, sondern ihre Gewordenheit bezüglich der Zukunft
rückt damit eindeutig in den Blickpunkt, Zukunft, der man wiederum
selbst eine Gewordenheit zuschreibt, als sie durch gegenwärtige
Erwartungen bestimmt wird. Das Futur 2 zeigt sich hier darin, dass
das Geld in der Gegenwart durch das bewertet wird, was es in Zukunft
wert gewesen sein soll. Da man aber im Voraus gerade nicht berechnen
kann, was das Geld in Zukunft wert gewesen sein wird, kann das Geld
nur rein spekulativ in seiner Bezogenheit auf sich selbst verrechnet
werden, oder anders gesagt, das spekulative Rechnen mit dem Geld ist
seine eigene permanente Verzeitlichung, die das Geldregime
vergegenwärtigt und zugleich immer weiter nach vorne verschiebt,
anders gesagt, gegenwärtige Zukünfte und künftige Gegenwarten
sind nicht deckungsgleich, d. h., sobald eine künftige
Gegenwart tatsächlich aktuell wird, aktualisiert sich auch der
Unterschied zu jener Zukunft, die das Kapital erwartet (gegenwärtige
Zukunft) und deren Aussichten es einstmals genutzt hat, und so
kehren stets andere Zukünfte als die erwarteten in die Gegenwart
zurück. (Vgl. Esposito, Die Zukunft der Futures, 2010: 177f.) Die
zeitliche Zirkularität der finanziellen Ökonomie besteht nach
Elena Esposito exakt darin, dass die Gegenwart von der Zukunft
abhängig ist, die ihrerseits auf Gegenwart verwiesen ist, die sich
nach ihr richtet. (Ebd.: 28) Damit haben wir es hinsichtlich der
Zukunft zugleich mit einer Verlängerung der Gegenwart zu tun, in
einem sehr verdrehten Sinne eben mit dem Futur 2 des
»Es-wird-gewesen-sein«.
Dies besagt auch, dass das Kapital sozusagen immer schon mit dem
Rücken in die Zukunft geht – es setzt neben seiner eigenen
unabweisbaren Unbestimmtheit und Unverfügbarkeit eben auch darauf,
dass die Dinge hinterrücks
immer schon (für
das
Kapital) gut gelaufen sein werden. Und diese Zukunftsbetrachtung
gibt die Zukunft als eine geschlossene Zukunft wieder, gerade weil
man die Zukunft ausschließlich von einem Erwartungshorizont heraus
bestimmt, der das wirklich Neue eliminieren will, und nicht nur das,
das Kapital ist seine Zukunft, es hat seine Zukunft je schon
stipuliert und es hat sie ausdeterminiert, womit sich sofort
anzeigt, dass diese ominöse Okkupation der Zukunft, die jeder
anti-axiomatischen Überraschung und Virulenz bar ist, sich nur vom
Futur 2 her schreiben lässt, obgleich selbst diese Zeit immer
wieder überwunden werden soll – das Kontinuum des Kapitals hält
also gerade daran fest, seiner Zukunft einerseits in vollkommener
Neutralität entgegen zu stürzen, andererseits seine eigene Zukunft
beständig auch überholen zu müssen, sein Trauma par excellence,
das durch die Kapitalisierung, die im Rahmen ihrer Zukunftsforschung
auf absolute Selbstgegenwart bzw. Aktualität setzt, eingeholt
werden will und doch nicht eingeholt werden kann.

2
Agamben
hat das Smartphone als ein Dispositiv, als eine techno-politische
Apparatur beschreiben, die das menschliche Subjekt neu konfiguriert.
Der entscheidende Hinweis auf die neueren Entwicklungen der
Sichtbarkeit und Kontrolle liegt bei Foucault wiederum im Begriff
des Beobachtungsnetzes: Die Sehreize werden heute vervielfältigt,
nur um Informationen zur Verbesserung der Kontrolltechniken zu
liefern. Das Sehen wird nun selbst zum Gegenstand der Beobachtung.
Der Augenbewegungsscanner, der im Kaufhaus die Verhaltensweisen des
Kunden beobachtet, war durchaus schon im Blick von Foucault. Die
Gegenfiguren muss man heute bei denen suchen, die wieder Fragen der
Darkness, der Unsichtbarkeit und des Nicht-Wahrnehmbaren aufwerfen.

3
Kunststoff hat
mit seinen Eigenschaften
– formbar, gut
verarbeitbar,
und leicht - den Trend zum Wegwerfkonsum forciert..
Und
weil er so billig und leicht zu entsorgen war, setzte er sich
schnell durch.
Im
Jahr 1963
sagte
Lloyd
Stouffer, Redakteur der Fachzeitschrift Modern
Plastics
,
frohlockend
auf
einer Branchenkonferenz: »Man füllt die Mülltonnen, die
Müllhalden und die Verbrennungsanlagen mit Milliarden von
Kunststoffflaschen, Kunststoffbechern, Kunststoffschläuchen,
Blistern und Schutzfolien, Plastiktüten und Blechverpackungen.«
Die Müllhalde von Agbogbloshie wird
höchstwahrscheinlich auch letzte Destination für die Tablets,
Smartphones und Computer sein, die wir morgen kaufen! Der
chinesischen Plastikmüll-Organisation CSPA zufolge haben im
vergangenen Jahr mehr als 1000 chinesische Recycling-Unternehmen ihr
Geschäft nach Südostasien verlagert und dort umgerechnet 1,5
Milliarden Euro investiert. Das Equipment, die Expertise und selbst
die Lieferketten hätten die Firmen gleich mitgebracht.

Viele Länder buhlen um den Müll, vor allem Thailand, Vietnam
und Malaysia. Denn was deutsche Konsumenten schlicht für
Plastikmüll halten, ist längst zum global gehandelten
Wirtschaftsgut geworden

Die Krise um den
importierten Müll ist umso brisanter, als gerade die Länder
Südostasiens kaum mit ihrem eigenen Abfall klar kommen. Jedes Jahr
landen dort hunderttausende Tonnen Müll im Ozean, zusätzliche
Abfallberge aus dem Ausland, die nicht richtig recycelt werden,
dürften die Lage noch verschärfen. Heng Kiah Chung von Greenpeace
Malaysia, der den Abfallskandal mit aufgedeckt hat, sagt, dass das
globale Recycling-System nicht funktioniere und auch nicht dazu
tauge, das Problem der Plastikverschmutzung zu lösen. 46,7 Prozent
aller Kunststoffabfälle wurden 2017 laut Umweltbundesamt
hierzulande recycelt, die Weltbank titelt: Rekord. Doch die Quote
sagt wenig aus. Denn die Unternehmen müssen lediglich nachweisen,
dass der Abfall ordnungsgemäß verwertet wurde, nicht aber wo. Sie
selbst recyceln nur relativ reinen Plastikmüll, etwa aus dem gelben
Sack. Probleme machen hingegen Kunststoffabfälle aus dem Gewerbe
oder dem Haushaltsmüll. Die werden in riesigen Ballen ins Ausland
verschifft - und dürfen trotzdem in die Quote mit eingerechnet
werden. 

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