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Zur Frage der allgemeinen Bestimmung des Staates (Poulantzas, Paschukanis, Vogl etc.

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Als
wichtige Bestandteile des souveränen Nationalstaates werden
gemeinhin in der modernen Völkerrechtslehre das Territorium, die
Staatsgewalt und die Bevölkerung betrachtet. In der vom
Strukturalismus inspirierten marxistischen Theorietradition hat Nicos
Poulantzas im Anschluss an und in Absetzung zu Louis Althussers
Analysen über die Ideologischen Staatsapparate (Althusser 1977) den
Staat etwas elaborierter als »materielle Verdichtung eines
Kräfteverhältnisses
zwischen Klassen und
Klassen
fraktionen, das sich im Staat immer in spezifischer
Form ausdrückt
« (Poulantzas 1978:119) beschrieben. Das
Primat haben in dieser Definition die Klassenkämpfe, die sozialen
Kräfteverhältnisse und ihre Transformationen und schließlich die
Stellungen der sozialen Agenten in Rahmen der Organisation und
Reproduktion der Produktionsverhältnisse, welche für Poulantzas
insbesondere durch die Trennung von geistiger und manueller Arbeit
gekennzeichnet sind. Es lässt sich in aller Kürze sagen,
dass Poulantzas in seiner Staatstheorie
das
komplexe Zusammenspiel zwischen der in den Produktionsverhältnissen
materialisierten Arbeitsteilung und dem Staat innerhalb einer
konkreten Gesellschaftsformation untersucht, die in letzter Instanz
durch soziale Kräfte und Kräfteverhältnisse konstituiert wird.
Gerade aufgrund seiner relativen Trennung von der Ökonomie kann der
Staat als das Ensemble der ideologischen, repressiven und
ökonomischen Staatsapparate die Bedingungen liefern, die es den
herrschenden Klassen und Klassenfraktionen ermöglichen, sich als
»Block an der Macht« zu konstituieren, innerhalb dessen es einer
oder mehrerer Fraktionen gelingt, partikulare Interessen als
allgemeine und hegemoniale Interessen darzustellen. (Ebd.: 239)1

Damit
versucht Poulantzas im Gleichklang mit Pierre Bourdieus Analysen zum
Staat (Bourdieu 2014), zumindest was die Stoßrichtung angeht,
funktionalistischen Staatskonzeptionen, die den Staat rein von seinen
Funktionen her definieren, eine Absage zu erteilen, indem die
Funktionen selbst als umkämpfte staatliche Felder gefasst werden.
Poulantzas unterscheidet sich erstens von juridischen
Staatsauffassungen, die den Staat in den Begriffen des Rechts
(Souveränität, Territorium, Verfassung, Gewaltenteilung,
juristisches Eigentum etc.) beschreiben, zweitens von
instrumentalistischen Positionen, die den Staat entweder als ein
neutrales Werkzeug oder als ein Instrument der ökonomisch
herrschenden Klassen fassen, drittens von ökonomistischen
Auffassungen, die den Staat als Ausdruck oder rein als
Transmissionsmechanismus ökonomischer Gesetzmäßigkeiten
betrachten, und viertens von formanalytischen Theorien, die den Staat
aus der kapitalistischen Zirkulationssphäre bzw. aus den die
formelle Freiheit und Gleichheit (Verträge abschließende Akteure)
garantierenden Marktmechanismen oder aus Kapitalstrukturen ableiten,
um die Kohäsionsfunktion des Staates für die Ökonomie zu betonen,
während dabei, so zumindest Poulantzas, die Klassenkämpfe und
Kräfteverhältnisse nachgelagert oder als rein kontingent begriffen
würden.

Die
Fundierung
der
Kräfteverhältnisse in
den
Staatsapparaten
beschreibt
Poulantzas mit
dem
Begriff
der
Verdichtung,
der
für
ihn anzeigt,
dass
die
Kräfteverhältnisse von
hierarchischen
Gliederungen
(der
sozialen
Kräfte)
durchzogen
sind,
die
sich
in
spezifischen
diskursiv-materiellen
Anordnungen
verfestigen
und damit
in die Staatsapparate
einschreiben.
Für
Poulantzas
beruht
der Apparat,
der
die Verdichtung des
Kräfteverhältnisses materialisiert,
auf einer
spezifischen Zusammenfassung,
Institutionalisierung
und Bündelung
von
materiellen
Praktiken.
Diese
Praktiken
durchqueren sämtliche
staatlichen
Bereiche,
das
heißt sie finden in
und
zwischen den
verschiedenen
Staatsapparaten
statt,
wodurch
sie eine
spezifische
Dichte
und
Relevanz erfahren,
was
nichts
weiter bedeutet,
als
dass
die
Praktiken,
die
entweder
in Gegensätzen zueinander
stehen
oder zu
Kompromissen vermengt werden,
im Staat ganz spezifische materielle
Anordnungen
finden müssen.2
Dies
bedeutet,
dass die Konfiguration der staatlichen Apparate materielle
Strukturprinzipen besitzt,
seien
es etwa
Mechanismen
der »strukturellen Selektivität« (Offe 1975:
65f.),
welche
den Zugang zu den Apparaten für die Unterklassen versperren,
bürokratische
Verwaltungslogiken
wie
die
»Prioritätendetermination«,
die
sich im organisatorischen Aufbau und der Gewichtung der verschiedenen
Staatsapparate zeigt,
und
schließlich
die
»Filtrierung« von

Interessen
(es sind verschiedene politische Optionen vorhanden, aber nur
bestimmte Maßnahmen werden umgesetzt). (Poulantzas
1978:
165f.)3
Je
nach gegebenen Problemen werden ganz
Komplexe
von Maßnahmen in Gang gesetzt, die heute allerdings viel weniger
konfliktuell sind, als dies Poulantzas noch angenommen hat, sondern
im Problemhorizont einer technokratischen Elite verbleiben, womit
sich ein
weiteres Mal beweist,
dass der Staat kein für alle sozialen Kräfte gleichermaßen
zugängliches neutrales Terrain darstellt. Somit
ist der
Staat also
keineswegs
eine
neutrale Anordnung, sondern er
ist
für
die
Kapitalinteressen weitaus empfänglicher als für Arbeiterinteressen,
wobei diese Art der Relationalität permanent im Staat reproduziert
werden muss.

Die
»materielle Verdichtung« ist ein spezifischer Begriff, der die
Konstitution, Reproduktion und Transformation des kapitalistischen
Staates in seiner Materialität begründen soll. Darüber hinaus
dient er dazu, den Staat als einen strategischen Prozess zu erfassen
und die Staatsmacht auf die Machtrelationen und -strategien sozialer
Kräfte und Klassen zu beziehen, um dann eben zu analysieren, wie
genau die Prozesse der Konstitution von Staatsmacht stattfinden, aus
welchen Interessen heraus soziale Kräfte und Klassen (ausgehend von
ihrer Position in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung) mittels
bestimmter Machttechniken politische Strategien und Taktiken
gegenüber anderen Kräften einsetzen, wie sich diese Prozesse in die
Strukturen und Politiken von Apparaten und in die Einheit des Staates
einschreiben und welche Auswirkungen dies auf die Struktur und die
Praxisformen innerhalb des Machtblocks, auf die Beziehungen zwischen
Machtblock und subalternen Klassen und auf das instabile
Kompromissgleichgewicht zwischen den Klassen hat. (Vgl. Gallas 2016)

Letzten
Endes sieht Poulantzas
den
Staat als die (relative autonome, nicht reflexive) Reproduktion
der Arbeitsteilung innerhalb der kapitalistischen
Produktionsverhältnisse, und zwar in einer konkreten
Gesellschaftsformation.4
Die kapitalistische Arbeitsteilung, deren adäquate Form Poulantzas
im der Taylorismus sieht, schafft einerseits parzellierte,
atomisierte Zellen und Einheiten, während andererseits die
Raum-Zeit-Matrix
seriell,
kumulativ, kontinuierlich und homogen
gestaltet ist
und sich am klarsten in der Fließbandproduktion anzeigt.
(Poulantzas
1978: 57)
Mit
solchen Aussagen bezieht Poulantzas
sowohl
das
Recht als auch die institutionelle Struktur der staatlichen Apparate
mehr
oder weniger
direkt auf
die
Produktionsverhältnisse,
die sich einerseits durch
die
Individualisierung
der Produzenten und andererseits durch die Synthesis der
Arbeit (gesellschaftliche Arbeitsteilung bzw.
arbeitsorganisatorische Wirkungen des Produktionsprozesses
in der großen Industrie)
auszeichnen.
Es
ist leicht einzusehen, dass dies zu einer
Analogisierung
der
empirischen Bestimmungen
des unter
das Kapital reell
subsumierten Produktionsprozesses
und
der Rechts-
und
Organisationsformen
staatlicher
Apparate führt. Zwar impliziert die Sichtweise von der
relativen Autonomie des Staates eben
nicht nur
das
verbindende Moment
des Staates zu
den Produktionsverhältnissen,
letztendlich
setzt aber Poulantzas die relative Autonomie des Staates mehr oder
weniger voraus, ohne sie genauer zu explizieren.
Zumindest
widersetzt sich Poulantzas
bezüglich
einer Bestimmung der relativen Autonomie des Staates vehement
Begründungsversuchen, die der sog. Staatsableitungsdebatte
zuzuschlagen sind, weil deren Bestimmung der
Zirkulation/Austauschrelation
als
erste Referenz für die Ableitung der Rechts- und Staatsform
die Einbeziehung des Klassencharakters der Produktionsverhältnisse
in die politische Theorie verunmögliche.
Poulantzas
ist an dieser Stelle, ganz unabhängig von der Stichhaltigkeit der
Argumente, die in der Staatsableitungsdebatte vorgebracht werden,
vorzuwerfen, dass er selbst keinen logischen Begriff vom Kapital
besitzt und auch deshalb die Bedeutung der Klassenkämpfe, die für
das Kapital konstitutiv zu sein scheinen, einfach überbetont, man
kann sogar sagen, dass er den
Kämpfen eine seltsam rationale, ja schon natürliche Fundierung gibt
und sie ohne Begründung zu einer Antriebskraft macht.
Da
er zudem
das
Verhältnis Zirkulation-Produktion nicht
näher bestimmt
und
den Schwerpunkt der Konfiguration des Verhältnisses von Staat und
Ökonomie auf die Reproduktion der Arbeitsteilung in den
Produktionsverhältnissen durch den Staat legt, ist
zum
der
innere Zusammenhang zwischen
Zirkulation und Produktion in der Kapitalform nicht erfasst, oder, um
es in anderen Worten zu sagen,
zum
einen kann die
Zirkulation
nicht als die des Kapitals
begriffen
werden, während zum anderen das
Verhältnis
von Ökonomie und Staat ungeklärt bleibt.5

Die
formanalytischen Staatstheorien behandeln den Staat, wenn wir kurz
bei den von Althusser geprägten Begriffen bleiben, nicht auf der
Ebene der konkreten
Gesellschaftsformation,
sondern allgemeiner auf der Ebene der Produktionsweise. Der Versuch,
den Staat in seinen Grundzügen von der Zirkulation her allgemein zu
bestimmen, hat einen direkten Bezug zur neuen deutschen Wertkritik,
einer spezifischen Rezeption der Marx‘schen Wertformanalyse, die
sich nach den Ereignissen des Mai 1968 entwickelte (stellvertretend
hierfür
Blanke, u. a. 1974) Allerdings wurde schon lange davor von dem
russischen Rechtstheoretiker Paschukanis im Jahr 1923 die originär
Marx‘sche Frage aufgeworfen, warum der Inhalt eine Form annehmen
müsse, um die Frage dahingehend zu konkretisieren, warum eigentlich
die Klassenherrschaft des Kapitals die Form eines außerökonomischen,
eines
mittels
abstrakt-allgemeiner Gesetze regierenden
Apparats
der
staatlichen
Macht bedürfe.
Paschukanis
schreibt: »Warum
nimmt sie die Form einer offiziellen staatlichen Herrschaft an, oder
- was dasselbe ist - warum wird der Apparat des staatlichen Zwanges
nicht als privater Apparat der herrschenden Klasse geschaffen, warum
spaltet er sich von der letzteren ab und nimmt die Form eines
unpersönlichen, von der Gesellschaft losgelösten Apparats der
öffentlichen Macht an?« (Paschukanis
2003: 116) Um es kurz zu fassen, die
allgemeinen Formbestimmungen
des
kapitalistischen Staates
(Staatsmacht
mittels öffentlicher Gewalt)
werden von Paschukanis als
notwendige
Implikation der schon
im
Warentausch (zwischen
formell
freien Warenbesitzern) angelegten Rechtsprinzipien
erklärt.
Der
explanatorische
Bezug zum (kapitalistischen)
Warentausch
ist das
Kennzeichen dieser
rechts- und staatstheoretischen Position,
oder, anders gesagt, die
Zirkulationssphäre, die
keineswegs
als Schein, sondern als eine durch den Tausch konstituierte reale
Form der materiellen Reproduktion des Kapitals (und damit als
Bestandteil der Produktionsverhältnisse) begriffen wird, ist
hier
der
Ausgangspunkt
zur Bestimmung der
Staatform.

Der
Zusammenhang zwischen Wertform/Warenform und Staatsform wird also
über die Rechtsform vermittelt. Die Wertrelation/Warenform als eine
konstitutive ökonomische Form bestehe, so die Theoretiker,
unabhängig vom Willen der Menschen (Blanke, u. a. 1974: 70),
erfordere aber zugleich ein gemeinsames Einverständnis der
Warenbesitzer, damit sie ihre Produkte überhaupt als Waren
aufeinander beziehen können. Die Warenform impliziert also ein
spezifisches soziales Verhältnis der Menschen zueinander, da die
Waren eben »nicht selbst zu Markte gehn« (MEW 23: 99) können. Es
müsse deshalb eine adäquate Form existieren, die es erlaube, die
isolierten Privateigentümer als Subjekte miteinander zu verbinden.
Dazu müssen die Warenbesitzer sich gegenseitig als freie und gleiche
Privateigentümer ihrer Produkte anerkennen und dies in einer
wechselseitig verpflichtenden Willensübereinstimmung auch zum
Ausdruck bringen. Dazu benötigen sie wiederum den Vertrag, der damit
als die »ursprüngliche Rechtsfigur« (Blanke, u. a.: 71) gilt.
Und dies inhäriert eine Realabstraktion: Wie beim Tausch vom
Gebrauchswert abstrahiert werde, so werde ihn ihm auch von den
konkreten Individuen abstrahiert, womit einerseits die Wertform und
andererseits formell freie und gleiche Rechtssubjekte erst denkbar
seien. Wenn mit Marx dann davon gesprochen werden könne, dass der
Rechtsinhalt die Rechtsform bestimme, so dahingehend, als dieser
Inhalt, der als ein ökonomisches Verhältnis identifiziert werden
könne, selbst eine spezifische rechtliche Form aufweise: der Inhalt,
der die gesellschaftlich notwendige, abstrakte Arbeit betrifft, muss
nicht nur eine ökonomische Form (Wertform), sondern auch eine
rechtliche Form finden, die sich zwangsläufig in den kognitiven
Strukturen der Akteure bewusst oder unbewusst reproduziert.6

Schließlich
muss, um den Staat zu denken, die abstrakte Rechtsform im Staat als
Legislative kodifiziert (»inhaltliche Rechtsgewissheit«) und als
Exekutive garantiert werden (»Vollstreckungsgewissheit«).7
Jedoch setzt die Durchsetzung des Rechts voraus, dass es dem Staat
gelingt, die Gewalt jenseits des Verfügungsbereichs von privaten
Warenbesitzern zu monopolisieren – zwar sind die Rechtsformen eine
notwendig immanente Bedingung für den Warentausch, aber um Wirkungen
zu zeitigen, müssen sie gerade im Konfliktfall auch mit Zwang
durchgesetzt werden können, sodass eine die Repressionsinstrumente
monopolisierende Instanz, nämlich der Staat, die Bedingung für die
Rechtsverhältnisse und somit gleichzeitig für den geregelten
Warentausch ist. Das staatliche Gewaltmonopol zur Durchsetzung des
Rechts ist also ein konstitutives Moment des Staates, der in seiner
relativen Trennung von der Produktion immer auch Bedingungen für
eine einigermaßen reibungslose Reproduktion der kapitalistischen
Akkumulation setzt.

In
der Staatsableitungstheorie fungiert das
allgemeine Gesetz als ein
staatliches
Formprinzip, das den Rechtsverhältnissen, die
je schon auf die Zirkulation bezogen sind,
in der sich wiederum
die
Individuen als formell
freie und gleiche Repräsentanten
der
Waren
zueinander
verhalten,
adäquat ist. Dieses
gesetzliche
und unpersönliche Procedere
markiert die
abstrakte Gleichheit insofern,
als
ihre
Wirkung eben
keine andere sein kann
als
eine für alle gleiche Wirkung.
In
den Staatsableitungsdebatten wird allerdings hier schon die imaginäre
Dimension der politischen Ideen, die Freiheit, Gleichheit und
Gerechtigkeit propagieren, vergessen, weil die Zirkulation einer
spezielle Ware,
nämlich die
der
Arbeitskraft, nicht ins Blickfeld gerät. Es ist die imaginäre
Identifikation von (mehrwertschaffender) Arbeit und äquivalent
getauschter Arbeitskraft, die in genetischer Hinsicht die Produktion
imaginärer
politischer Ideen erklärt.
Es
ist dann in der Tat die
ökonomische Sphäre der
Zirkulation,
nämlich
der Verkauf
und Kauf der Arbeitskraft (die
als
Verkauf und Kauf von Arbeit erscheint), welche
die politischen Ideen von Freiheit und
Gleichheit
verursacht.

Aufgrund
eines salto mortale, man kann ihn auch »dialektische Kopplung« von
Produktion und Zirkulation nennen (die als ein Verhältnis der
Koexistenz oder der Kausalität oder wahlweise als ein funktionaler
Zusammenhang dargestellt wird), wird der Rechtsstaat von den
Ableitungstheoretikern doch noch als ein Klassenstaat ausgewiesen: So
vermittelt nämlich die »dialektische Kopplung« die
Freiheit/Gleichheit der Akteure auf der Ebene der Zirkulation und die
Unfreiheit/Ungleichheit auf der Ebene der Produktion
(Klassengesellschaft: Eigentum der Kapitalisten an
Produktionsmitteln, während die davon befreiten Arbeiter nichts als
ihre Arbeitskraft besitzen). Und somit besitzt der kapitalistische
Staat eine doppelte Existenz, nämlich als Rechts- und Klassenstaat,
als ein Staat, der neben seiner Funktion als Rechtsstaat, mit der er
das formell freie und gleiche Rechtssubjekt garantiert, zugleich die
Reproduktion des Kapitals absichert. (Ebd.: 72f.)

Jetzt
zeigt sich aber, dass die Theorie der Staatsableitung, die sich in
erster Linie auf die Waren- und Wertform kapriziert, Zirkulation und
Produktion voneinander trennt (wie eben auch Poulantzas, wenn auch
durch andere Begründungsweisen), zumindest bleibt die Vermittlung
vage, gerade weil man selbst einen verkürzten Begriff der
Zirkulation (nämlich lediglich die Warenzirkulation) benutzt. Es ist
nämlich sowohl bei der Analyse des Kapitals als auch des Staates
nicht von der Warenform, sondern vom Mehrwert und der monetären
Kapitalzirkulation auszugehen, das heißt, dieKommodifizierung ist je
schon an die Mehrwertproduktion und Kapitalisierung gekoppelt, und
wenn Diskussionen über die Warenform, Kommodifizierung oder den
Markt die Frage des Mehrwerts/Kapitals nicht aufwerfen, sind sie aus
marxistischer Sicht abzulehnen. Und wenn der Staat bezüglich seiner
Apparate und seines Personals eben gerade auch ein Interesse an sich
selbst hat, dann heißt dies, dass der kapitalistische Staat, der sui
generis ein Steuerstaat ist, strukturell von der Erzeugung eines
Überschusses im kapitalistischen Akkumulationsprozess abhängig ist.

Stellen
wir kurz
dar,
warum die die Staatsableitungstheorien
einen
völlig verkürzten
Begriff
von der Zirkulation haben.
Marx
geht im

Kapital
Band
2, von drei Kreisläufen des
industriellen
Kapitals
aus,
nämlich
des
Geldkapital
s,
des
produktiven
Kapital
s
(konstantes
und variables Kapital)
und
des
Warenkapitals,
wobei
er
den gesamten Kreislauf des Kapitals,
in
welchen der des Geldkapitals eingeschlossen ist,

in der Prozessformel
G
W
(PM,
AK)

P …
W
G
erfasst.
Neben der Produktionszeit
(P)
umfasst dieser Kreislauf zwei Phasen der Zirkulation, nämlich die
Vorbereitungszeit
(G-W)
und die Realisierungszeit
(W`-G`).
Den
gesamten Prozess nennt Marx in zeitlicher Hinsicht die Umschlagszeit.
Marx verwendet den Begriff der Zirkulatio
n
abernicht
nur für die beiden Phasen des
An-
und Verkaufs von Waren, sondern auch für die gesamte Dauer des
Kapitalumschlags, der damit auch die Produktion
enthält.
Marx spricht
dann
von der gesamten Zirkulationszeit eines gegebenen Kapitals. (MEW 24:
154) Der gesamte Kreislauf des Kapitals
ist
der

Kreislauf des Geldkapitals,
insofern
dieser

die
Kreislaufbewegungen,
exakter
die Spiralbewegung
en
des Kapitals umfassend
strukturiert,
repräsentiert
und
integriert
,
wie
er auch

Störungen
innerhalb der Kreisläufe
impliziert,
insofern er selbst als ein je
sich
verschiebendes
Zentrum fungiert.
(MEW
24: 31ff.)
Diese
Formel
der
monetären
Kapitalzirkulation
ist

der
primäre
Mechanismus der
Kapitalökonomie,
der
die Warenproduktion als Produktion-für-den-Profit
und
als
Produktion-für-die-Zirkulation
konstant
begleitet
und
einschließt
.
Zwar
ist
auch
das
Geld
kapital
ein Durchgangsmoment des
gesamten
Reproduktionsprozesses
des
Kapitals
,
wie Marx anmerkt (MEW 25: 406),
aber
ist erst einmal die Kapitalisierung als

Bildung
des fiktiven Kapitals,
i. e.
für Marx
die
entwickel
tste
Form des Kapitals, gesetzt,

dann
sin
d
im Verhältnis zu ihm jegliche

qualitativen
Unterschiede
der industriellen und kommerziellen
Einzelkapitale,
ihrer Produktionsprozesse und ihre
r
Waren, gelöscht. Marx schreibt: »… Und alles Kapital ist seinem
Wertausdruck
nach
Geldkapital.« (
Ebd.:
406)
Fremdes
oder eigenes
Geldkapital
ist der Motor fü
r
industrielle
Unternehmen
,
die
Waren (
Maschinen,
Gebäude,
Energie,
Rohstoffe, Software etc.) kauf
en
und Arbeitskräfte miete
n,
damit
mit
Mehrwert angereicherte
Produkte
produzier
t
und
auch
realisiert
werden
können,
so
dass es zur Neubildung von Geldkapital kommt.

Maschinerie,
Energie, Produkt
e
oder Produktionsprozess
e
sind
eben
an
sich
kein
Kapital.

Marx
hat gezeigt, dass die
obige
Formel
der
entscheidende Ausdruck aller dem Kapital gemäßen ökonomischen
Relationen
ist
und darin ist selbstverständlich die
Produktion
mit eingeschlossen, die
als
ein
rein
funktionaler Prozess, ein Prozess
zur
Herstellung des

Profi
ts
fungiert
.
Das Kapital bindet den Produktionsprozess je schon an
seine
monetären
Metamorphosen
bzw.
an

die
(monetäre)
Gesamt-Zirkulation,
i. e. die Produktion ist
als
eine
Funktion
und Phase

der Zirkulation des Kapitals
(im
zweiten umfassenden Sinne)
zu
verstehen
,
dessen allgemeine Form sich in folgender Formel
beschreiben
lässt: G-W-P-W’-G’.8

Was
heißt dies nun alles für die Bestimmung des Staates? Die
Wirkungsmacht des kapitalistischen Staates besteht gerade darin, dass
er eine absolute Autonomie nicht besitzt und damit die dem Kapital
immanenten Axiomatiken, die wir hier nur kurz skizziert haben,
beachten und durch seine eigenen Apparate in politische Macht
übersetzen muss, und insofern ist der Staat gerade als relativ
äußerlich zu den Mechanismen der Kapitalakkumulation zu begreifen,
die durch die Gesamtheit von Prozessen der Produktion und Zirkulation
determiniert werden, während er selbst durch seine Interventionen
die ökonomisch-sozialen Relationen in spezifischer Weise
reproduziert und sich damit innerhalb des Kapitalsystems befindet,
gerade wenn er die Konsequenzen der Reibungen und Dynamiken innerhalb
der Kapitalakkumulation abzufedern versucht, indem er etwa
Gegentendenzen gegen den Fall der Profitrate erfindet oder durch
seine Art der Antiproduktion überflüssiges Kapital absorbiert.

Dieser
Aussage müssen wir voraussetzen, dass der Staat, der niemals als
solcher gegeben ist, als eine Form sich in Latenz (virtuell) befindet
und damit nur als konkreter historischer Staat gegeben ist, was
diesen jedoch immer als die Reaktualisierung eines abstrakten
Paradigmas erscheinen lässt, das seinen eigenen Horizont formt und
realisiert. Die Staatsform ist also immer schon da und wird immer
wieder neu geboren, einen Ursprung reaktualisierend, den es nie
gegeben hat. Diese idealistische Konstruktion verweist stets von
Neuem auf die ideelle Staatsform, die den materiellen Bedingungen des
Staates vorausgesetzt ist, wobei der Staat als Staatsform sich aber
nur deshalb als die Selbstbewegung seiner Idee (Hegel) identifizieren
kann, weil er unfähig ist, seine Emergenz in der Zeit zu
lokalisieren. (Vgl. dazu Sibertin-Blanc 2016: 19f.) Somit beinhaltet
die Staatsform einen doppelten Exzess, nämlich den ihrer Idealität
(die Selbstbewegung seiner Konzepte) und den der Materialität, der
sich in den historischen Vereinnahmungsapparaten des Staates
verdichtet. Dabei hat die materialistische Staatstheorie davon
auszugehen, dass der Staat in erster Linie ein Apparat der
Vereinnahmung ist, was bedeutet, dass danach gefragt werden muss,
warum die Akkumulation seines ökonomischen Bestandes qua Steuern
(nicht die Kapitalakkumulation als Fluss und Potenz) die objektive
Form der Bewegung der Selbstkonstitution eines Machtkörpers annimmt,
der sich ein Monopol über das aneignet, was er einnimmt und
verteilt. Die paranoide Struktur, die in die Staatsform
eingeschrieben ist (er muss sich immer selbst voraussetzen), lässt
gerade verkennen, dass der Staat ein Vereinnahmungsapparat, aber eben
auch die Unmöglichkeit dieser Vereinnahmung ist, letzteres jedoch
nicht bezüglich der Unmöglichkeit der Struktur der
Selbstvoraussetzung (Staatsform), sondern der Unmöglichkeit die
Selbstvoraussetzung abschließen zu können, ohne das einzuschließen,
was ihm ständig entflieht und seine Abschließung herausfordert, das
heißt ohne anzuerkennen, wovon er als Steuerstaat immer abhängig
bleibt, nämlich der Ökonomie. Der generische Faktor der staatlichen
Dekomposition in Form der selbstbezüglichen Staatsparanoia ist
dasselbe wie die Historisierung der Staatsform, im speziellen des
kapitalistischen Steuerstaates.

Ab
dem 17. Jahrhundert gilt das »gute Regieren« als ein ökonomisches
Regieren, das von einer gewissen staatlichen Rationalität der
Diskurse, der Begründungen und der Verfahren begleitet werden muss,
womit sich schon der proto-kapitalistische Staat als eine Art von
Unternehmen ausweist, das ein spezifisches Interventionsfeld
hervorbringt, mit dem neue Objekte wie etwa die Bevölkerung,
Territorien und Nationen erschaffen werden, die vor allem dazu da
sind, den allgemeinen Reichtum der eigenen Ökonomie zu befördern.
So reichen das Recht, die souveräne Staatsmacht und das
demokratische Repräsentationssystem längst nicht aus, um zum einen
die Steuerung der Vielzahl der Objekte und zum anderen die des
physischen Staatskörpers selbst (nicht des repräsentativen)
aufrechtzuerhalten, vielmehr benötigt der kapitalistische Staat
zudem ein Arsenal technologisch-ökonomischer Methoden und
Instrumente, um das Staatsproblem zu meistern, das immer auch um die
Stimulation der Produktion des allgemeinen Reichtums kreist. So muss
man die ökonomischen Staatsinterventionen und ihre Machttechnologien
ab dem 17. Jahrhundert immer auch als Reaktion auf das Wachstum der
industriellen Produktion und der Bevölkerung verstehen, wobei
umgekehrt der Akkumulation von Kapital und Menschen die Steigerung
staatlicher Macht korrespondiert.

Die
Ausgabe des staatlichen Geldes, die Steuereinnahmen und der
öffentliche Haushalt sind entscheidende Elemente einer staatlichen
Souveränität, die mittels ihrer Apparate die Finanzverwaltung und
die Verfügungsweisen öffentlicher Gelder übernommen und damit ein
quasi-autonomes Interventionsfeld geschaffen hat, in das aber immer
wieder partikulare Interessen von außen einsickern, welche die
Souveränität des Staates bedrohen, zumal der Staat, wenn er Steuern
erhebt, sich von den Vermögen und Einkommen anderer abhängig macht.
Diese Abhängigkeit wird durch die Ausgabe von Staatsanleihen bzw.
durch die kreditförmige Staatsfinanzierung, welche an das
finanzielle Kapital gebunden ist, noch weiter forciert. So gerät
der staatliche Fiskus zu einer fiktiven und abstrakten Rechtsperson,
die eine Instanz unpersönlicher Kontinuität markiert - von ihm wird
sogar als der Seele des Staates gesprochen, die aber der staatliche
Souverän nie ganz unter seine Kontrolle nehmen kann, weil er eben
Steuern von unsicheren privaten Einheiten, den Unternehmen und
Haushalten, erheben muss. An dieser Stelle verschränken sich die
staatliche Souveränität und die kapitalistische Ökonomie auf sehr
eigentümliche Weise. (Vgl. Vogl 2015: 76f.)

Die
Dreiheit aus Militär, Staatsanleihen und Steuererhebung muss als ein
wichtiges Movens der Verfestigung des kapitalistischen Staates und
seiner Apparate gelten, wobei zu bedenken ist, dass die Steuern und
die staatlichen Schulden, die der Sicherung der staatlichen
Souveränität dienen, den Staat gerade auch in die Zange nehmen.
Wenn nach einer gängigen Definition, wie Carl Schmitt sie etwa
ausführt, nur der Souverän über den Ausnahmezustand entscheiden
kann, so werden doch Akteure (Financiers) und Mechanismen
(Staatsschulden und Steuern) benötigt, die diese Entscheidung erst
ermöglichen. Umgekehrt treiben die öffentlichen Schulden die
Kapitalakkumulation und die private Vermögensbildung voran. Mit der
Verflechtung von Steuern, öffentlichem Kredit und Staatsschulden ist
schon früh in der Geschichte des Kapitalismus ein diagrammatisches,
strategisches und polit-ökonomisches Macht-Feld bzw. Dispositiv
etabliert worden, das von einem spezifischen Zusammenspiel von Staat
und Kapital zeugt (im Gegensatz zur relativen Autonomie des Staates
gegenüber dem Kapital). Innerhalb dieses Feldes entwickelte sich ab
dem 17. Jahrhundert eine »seigniorale Macht« (ebd: 69f.), mit der
es diversen Kapitalfraktionen gelang, sich in gewisser Unabhängigkeit
gegenüber der juridischen Souveränität, den Parlamenten, der
Exekutive und den Technologien der administrativen Staatsapparate
selbst in das polit-ökonomische Feld einzuschleichen und
festzusetzen, ein Feld, dessen Kohäsionskrafte von Anfang an durch
diffuse, instabile und informelle Kräftekonstellationen zwischen
Staat und Kapital gekennzeichnet waren. Joseph Vogl spricht bezüglich
dieser polit-ökonomisch situierten Verschränkung von Staat und
Kapital von diagrammatischen Anordnungen, in denen heterogene
Einheiten, informelle Kräfteverhältnisse und strategische Politiken
vermischt sind, obgleich es doch immer wieder zu Verdichtungen und
Fusionen und damit zur Herstellung von wie auch immer fragilen
Strukturen der Vereinheitlichung kommt.9

Es
geht an dieser Stelle weniger um das Problem der relativen Trennung
von Staat und Ökonomie, vielmehr um den wie auch immer fragilen
inneren Zusammenhang von staatlicher Macht und privater
Kapitalakkumulation, der einen spezifischen Typus der Macht
einfordert. Dieser Typus seignioraler Macht lässt sich laut Vogl
durch folgende genealogischen Merkmale charakterisieren (ebd.: 69ff.)
1) Die Macht verweist auf heterogene Gefüge, die sich aus
rechtlichen Regularitäten, privaten Kapitalbewegungen und
staatlichen Interventionen zusammensetzten, i. e. Modi, welche
in spezifischen Konstellationen konvergieren wie auch divergieren,
wobei die Aktivierung der staatlichen Macht sich nicht von der
Kapitalmacht komplett absondern lässt. Staat und Ökonomie sind
unter diesen meta-organisatorischen Gesichtspunkten zunächst als
gleich ursprünglich zu verstehen. 2) Die Fiskalität, die durch
Steuern und die Staatsschulden gekennzeichnet ist, treibt die
Produktion des allgemeinen Reichtums voran, während sie umgekehrt
auch von ihr abhängig bleibt. 3) Die Konvertierung von Teilen der
staatlichen Macht in private Kapital-Macht war schon früh durch die
Etablierung heterogener Assemblagen (Bank of England) gekennzeichnet,
in denen es zur Integration von Rechtsregeln, politischen
Interventionen, ökonomischen Infrastrukturen und diversen
Kapitalstrategien durch die Bewirtschaftung des Systems der
Staatsschulden kam. Mit der Überführung des Staatskredits unter die
Herrschaft des privaten Risikomanagements ist die spekulative
Finanzierung des privaten Kapitals auf Dauer gestellt. 4) Der Staat
unterwirft sich mit der Emission von Staatsanleihen zunehmend der
Macht privater Gläubiger, womit es zur verstärkten Auslösung von
Kreditzyklen kommt, die von der Kapitalisierung des fiktiven Kapitals
nicht mehr zu trennen sind. 5) Die informelle Konnexion zwischen
staatlichen Strukturen und privater Kapitalisierung verfestigt sich
sukzessive, womit stabile Infrastrukturen für den Geld- und
Kapitalverkehr geschaffen werden können und zugleich das
Kreditsystem gestärkt wird, das wiederum den umfangreichen Handel
des fiktiven Kapitals ermöglicht.

Mit
den Prozessen der Verstetigung von Staatsschulden, Steuerwesen und
Kredit, die den ökonomischen Staat etabliert haben, ist gerade in
den diversen Geld- und Fiskalangelegenheiten eine weitere souveräne
Macht entstanden, die sich dem unmittelbaren Zugriff des Staates
entzieht, nämlich die Zentral- oder Notenbank. Mit ihr entwickelt
sich aber zugleich eine noch höhere Verflechtungsintensität und
Organisationsdichte zwischen den privatwirtschaftlichen, staatlichen
und transstaatlichen Strukturen und Institutionen, und zwar auf
systemischer (Koordination von staatlichen Regierungspraxen und
Ökonomie), auf technischer (Ausrichtung der Geldpolitik am Kapital)
und schließlich auf personeller Ebene. Die Zentralbanken bilden das
Scharnier für die Ko-Evolution zwischen staatlichen Strukturen und
(finanziellem) Kapital, infolgedessen wechselseitige Abhängigkeiten
sich verstärken und zugleich ein neuer spezifischer
para-staatlicher Machttypus sich herausbildet.

1
Kräfteverhältnisse implizieren Ungleichheiten
in
den
Sinn-
und Kommunikationsverhältnissen:
Während der herrschende Kader
ständig
Befehle
ausgibt, die spezifische
Wirkungen
zeigen, erkennt der Beherrschte
die Befehle und Kommunikationsformen andauernd
an.
Wer
sich in
seinen Verhaltensweisen den
Regeln des kapitalistischen
Staates
nicht beugt, der wird in
differenzierten
Abstufungen klassifiziert
und ein-
oder ausgeschlossen, im besten Falle
beides.

2
Diese
Darstellung
ist nicht so
weit
von einer Position entfernt, wie sie die von
Derrida
inspirierte feministische Theoretikerin
Karen Barad formuliert hat: Apparate
bestehen für
sie aus
spezifischen Anordnungen, die auf
Einfaltungen, Schnitten und Ausschlüssen, das
heißt auf materiell-diskursiven Praktiken beruhen,
welche
die für
die Apparate notwendige
Kohäsion
erzeugen;
die
Materialisierung und Stabilisierung von Phänomenen, die durch
Intraaktivitäten
zustande kommen,
findet in Apparaten statt, oder, um es anders zu sagen, Apparate
sind das
Resultat
von
materiell-diskursiven
Praktiken,
und
diese
produzieren
entscheidende Unterschiede, indem
sie sowohl Materien
als auch Bedeutungen gestalten und damit Phänomene produzieren, von
denen sie ein Teil sind. (Barad
2012:
31)
Eine
spezifische, materielle Konfiguration findet also
in
den Apparaten statt, was
die Raum- und Zeitmatrizes anbelangt, die
allerdings
selbst
nicht
statisch zu verstehen sind, sondern
dynamische
Rekonfigurationen
erfordern.
Allerdings
müsste jetzt gerade der
Begriff der
Kohäsion
konkretisiert werden, da
die materielle
Verdichtung
in Apparaten mehr als nur eine bloße
Institutionalisierung
von Intraaktivitäten
ist, weil
die
Kohäsion
nämlich
zum
einen
ein
ganz spezifisch strategisches Terrain impliziert, auf dem politische
und ökonomische Konflikte und
Kämpfe
ausgetragen werden (also
sehr
spezifische Intraaktionen),
zum
anderen spezifische Apparate benötigt. Auf
den Staat übertragen hieße dies dann, dass
Staatsapparate
spezifische materielle Konfigurationen der Welt sind,

die durch
Gruppen
in Kämpfen materialisiert werden, womit
Apparate eben
nicht
im Sinne von reinen Strukturen oder Instrumenten,
sondern als materiell-diskursive Praktiken, die sich in spezifischen
Anordnungen realisieren und verfestigen, zu
begreifen sind. Poulantas
schließt an dieser Stelle an den späten Althusser an und sagt,
dass Apparate durch Energien, die aus den Klassenkämpfen entstehen,
angetrieben werden, während die Apparate umgekehrt auch in die
Klassenkämpfe einwirken und damit die einmal investierten Energien
umwandeln.

3
Bob
Jessop hat gegen Offe in starker
Anlehnung
an Poulantzas das Konzept der strategischen Selektivität
ins Spiel gebracht, das stärker das Verhältnis zwischen den
staatlichen
Strukturen und den
Strategien
von
Klassen innerhalb
spezifischer Kräfteverhältnisse betont.
(Jessop
2007)

4
Poulantzas unterscheidet
zwischen dem abstrakt-formalen Begriff der Produktionsweise und dem
real-konkreten Begriff der
Produktionsverhältnisse/Gesellschaftsformation
(der für den Staat
entscheiden ist).

5
Das Recht wird
als
die
institutionalisierte
Form des staatlichen Gesetzes
identifiziert
oder als eine
juristischen Ideologie bzw.
als Ausdruck eines über der Produktion schwebenden Scheins
begriffen.

6
Der
Wert als die
Form ökonomischer und sozialer Integration sowie
als abstraktes
Einheitsprinzip privater
Arbeitsprodukte und das
Recht als
abstraktes
Einheitsprinzip unabhängiger
Privatproduzenten
besitzen hier
einen immanenten Zusammenhang.

7
Unter anderem haben die
Autoren Hirsch/Kannankulam in ihrer Erweiterung von Poulantzas und
der Formanalyse des Staates darauf hingewiesen
(Hirsch/Kannankulam2006),
dass die Rechtsformen
auch in
Institutionen materialisiert
werden müssen, die
spezifische Dynamiken, Reglementierungen
und Muster aufweisen
und mit den Rechtsformen
nicht zusammenfallen.
So sind
materiell-diskursive Strukturprinzipien
in die Institutionen
eingeschrieben und
lassen sich
als »Institutionalisierungsweisen« und
spezifische
Einsatzpunkte
der Verdichtung verstehen.
Wie die Strukturbestimmungen im
Kapitalismus historisch konkret aussehen, das
hängt wiederum
von den
Kräfteverhältnissen
und Kämpfen ab, die ihnen zum »Ausdruck« verhelfen. Der Staat
»vergegenständlicht« die Formbestimmungen in
einer politischen
Form, die auf der Basis der ökonomischen Form begründet werden
muss.

8Dies
zeigt sich heute auch ganz materiell. Die globale Logistik indiziert
die Subordination der Produktion unter die Bedingungen der
Zirkulation. In der Logistik ist die Produktion letztendlich ein
Moment in einem kontinuierlichen, heraklitischen Fluss; die Fabrik
löst sich in einen planetarischen Strom auf, wird
unterteilt
in modulare Prozesse, die gemäß der wechselnden Anforderungen des
Kapitals auf
globaler Ebene kombiniert
und rekombiniert werden können. Modulare
Systeme lösen das Komplexitätsproblem, indem sie Informationen in
eine «Black Box» überführen,
in
der
Codes oder Informationen in separate Einheiten aufgeteilt
werden.
Lieferketten
und Containerschiffe sind per se modular angelegt. So
versucht die Logistik alles fixe Kapital in zirkulierendes Kapital
zu transformieren, um selbst
der
reinsten und am stärksten liquiden Form des Kapitals näherzukommen:
Geldkapital.

9Für Deleuze ist das Diagramm, das stets instabil und von informellen Kräften getragen ist, eine Machtfunktion, mit der man bestimmten Materien bestimmte Verhaltensweisen aufzwingen kann. (Deleuze 1987: 51f.)

Foto: Bernhard Weber

Der Beitrag Zur Frage der allgemeinen Bestimmung des Staates (Poulantzas, Paschukanis, Vogl etc. erschien zuerst auf non.copyriot.com.


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