Um heute die Effekte, die Potenziale und die Gefahren der digitalen Angebote (Meme) nachzuvollziehen, muss man die gefährliche Macht der Quasi-Objekte verstehen, die einzig und allein da sind, um mit steigender Geschwindigkeit zu zirkulieren. Es geht hier um die rigorose Transsubstantiation des Seins in die Relation. Damit drohen selbst noch die alltäglichsten Gewohnheiten und die Nicht-Dinge ob ihrer Kurzfristigkeit dem schnellen Verfall ausgesetzt zu sein, obgleich wir weiterhin in den schlechtesten Gewohnheiten gefangen bleiben, beispielsweise ohne Zeit für Entscheidungsfindungen zu finden dem Allerneuesten hinter her zu hecheln. Selbst die Ökoprodukte entgehen dem Gesetz der Vermüllung nicht: Ist es nicht voreilig oder unvernünftig, die Sonnenenergieanlage auf mein Dach zu setzen, die heute die am weitesten entwickelte ist, wenn doch morgen die Entwicklung darüber hingegangen sein wird? Jede ergriffene Chance ist eine Niederlage, jede getroffene Entscheidung ist eine Entscheidung für Müll.1 In diesem sich beschleunigenden Kontinuum der Vermüllung durch die Zirkulation der Quasi-Objekte sollen die Phasen der Unterscheidungsfindung, der Unterbrechung und des Nachdenkens immer weiter reduziert werden, was einer zunehmenden Kontrolle und Vereinnahmung der gelebten Zeit entspricht. Horizontale Kommunikation und vertikale Kontrolle.
Fordert
die Sharing Economy nicht zum umdenken? Mit
der
Sharing Economy gelingt
es den
Subalternen, aus einem Gästezimmer oder einem unbenutzten Raum in
einer Wohnung eine Einkommensquelle zu machen, während
gleichzeitig alle
Formen der prekären Arbeit weiter zunehmen.
Möglichst alles, selbst noch der recycelbare Müll, soll fortan als
Einkommensquelle dienen, und dies bezieht sich gerade auch auf das,
was von den Lebenden bisher noch gar nicht produziert worden ist. Und
oft genug zeigt sich gerade darin der nekrophile Zug des Kapitals und
seiner Kulturindustrie: Erst wenn eine Sache längst tot ist, kommt
sie so richtig in Mode und wird dann als eine zukunftsweisende
zeitgenössische Singularität verkauft, womit sich anzeigt, dass die
Retro-Industrie gerade in einem Zeitalter, das angeblich auf die
Vermarktung der Dinge mit
Blick auf die
Zukunft setzt, im
kulturellen Bereich längst
zum Standard geworden ist. Dabei
wird auf der Suche nach dem Originellen und Einzigartigen der
Unterschied zwischen Historischem und Zeitgenössischem permanent
verwischt, sodass am Ende lediglich die Rekombination der Objekte,
Zeichen und Stile übrig bleibt. Wenn
in
diesem Sinne
jedes Produkt Retro ist, ist nichts mehr Retro und die Zeit wird
weiß. Und selbst noch gewöhnliche Industrieprodukte wie Jeans
werden mit schier nach Lebendigkeit ringenden Gebrauchsspuren, die
beispielsweise
das
Heroische der Arbeit ausstellen sollen, und irgendwelchen sonstigen
historischen Details aufpoliert, und noch der industriell
hergestellte Kuchen schmeckt angeblich wie der
Kuchen zu Omas
Zeiten. Die Zirkulation der hybriden Waren läuft heute insofern
immer wieder auf dasselbe hinaus, insofern die ihnen hinzugefügte
Erzählung, die von ihrer Authentizität oder Singularität labert,
gerade das verschleiert, was sie in Wahrheit meistens sind, nämlich
seriell gefertigte Wegwerfprodukte, gerade einmal dazu da, nach dem
Kauf sofort wieder auf Ebay weiterverkauft oder gleich in den Müll
geworfen zu werden. Es
kann sich dabei durchaus auch um einzeln hergestellte Objekte und
Accesoires handeln, die, werden sie mit einem fiktiven Wert versehen
und beispielsweise in der Wohnung gesammelt, den Hauch
des Atmosphärischen schaffen, eine leichte Wolke, die vorbeizieht
und wieder im
Nichts verschwindet.
Das
24/7-Modell eines panisch gewordenen Konsums im Sog einer
»Verschwendung« von Gütern, die aber hauptsächlich nur in ihrem
Design ständig variiert werden, ohne dass es zur wirklichen Neuheit
kommt, ein Modell, das zudem auch die individuelle Verausgabung rein
zum Zwecke der Selbststeigerung (des Gleichen) setzt, ist die
Karikatur einer Überschreitung und jener Verschwendung, die Bataille
noch als ein allgemeines ökonomisches Modell gegen das
(re)produktive Recycling-Kapital propagiert hat. Die Überraschung
liegt nicht darin, dass die Ungewissheit, was als nächstes kommt,
bei dieser Art der Güterproduktion präsent bleibt sondern, dass
kaum einer erkennt, dass es sich letzten Endes um die aufdringliche
Wiederholung des Gleichen mittels der minimalen Differenzierung
handelt, sodass von Ausnahmen abgesehen, es immer wieder auch
dieselben Unternehmen und Ketten sind, die einen großen Teil der
Nachfrage auf sich ziehen. Der
Verlust der Haltbarkeit führt
heute dazu,
dass in der Tendenz auch
die symbolischen
und kulturellen Distinktionsmerkmale,
die die Luxuswaren
von den Billigwaren
unterscheiden, verfallen. Daran ändert auch die für das
Kapital heute konstitutive Spekulation, wie wir das an verschiedenen
Stellen schon vorgeführt haben, nichts, sie findet verstärkt auf
den Kunstmärkten statt, aber auch dort nicht in erster Linie unter
dem Gesichtspunkt der Kulturalisierung der Kunstobjekte, sondern
ihrer eineindeutigen Monetarisierung, wobei auch die Sichtbarkeit auf
der Strecke bleibt, wenn Milliardäre ihre gekauften Kunstobjekte dem
Publikum gerade nicht zur Ansicht anbieten, sondern in schwer
geschützten Bunkern die Ansicht verwehren.
Es
sind die digitalen
Geräte,
die
heute
den
Platz alsständige
Begleiter des Menschen einnehmen,
sie
verlangen
im
Sinne des Überwachungskapitals geradezu
begierig
nach
der
permanenten
Mensch-Maschinen-Kommunikation
und sie
sind
deshalb
wie
das Smartphone am
besten
direkt
am
Körper
anzubringen
oder
als
digitale Brillen vor
die
Augen zu
kleben.
So
fordern
die Geräte
unentwegt
danach
bedient
zu werden, und
deswegen müssen
sie
eine
Vielzahl von Optionen und Bedienungsmöglichkeiten
bereitstellen,
die
das
andauernde
Navigieren
im digitalen Space erforderlich,
ja attraktiv
und zugleich im
positiven Sinne nervenaufreibend
und
unruhig machen.
Allerdings
führt diese Art der unruhigen
Optionalität
nicht zur Freiheit des Konsumenten, sondern zu dessen
ständigen
Versuchen, die Anpassungen
und Adaptionen an die funktionalen Erfordernisse und
Bedienungsanleitungen der technischen Objekte, die eine
Diversifizierung der Abläufe anbieten, mit
Furor zu leisten, was
die Konsumenten zudem noch aktiv mit ihren Comments im Internet
befördern, ohne aber im Geringsten zu spüren, dass sie selbst eine
Anwendung des 24/7-Taktes und seiner Kontrollsysteme bleiben. So
gesehen verlangt der Gebrauchswert der digitalen
Geräte
die modulare und effiziente Bedienung, die Navigation ihrer
Funktionen und Zustände, die ja
permanent
weiter moduliert werden – der Konsument ist damit selbst so etwas
wie die lebendig gewordene Bedienung. Es werden aber
nicht nur ständig alte Produkte durch neue ersetzt, sondern der
Konsum der neuen Produkte fordert die andauernde Beschäftigung mit
ihnen geradezu heraus. Im
Konsum treten
das Bedürfnis nach dem Produkt und die Affirmation seiner
Ersetzbarkeit ständig miteinander in Konflikt, und doch
gilt es, die digitalen Anreize schnell zu erkennen, um sich in die
Kette beständig heißer vorgegebener Verheißungen einzuklinken, die
zumindest eine verbesserte Funktionalität in der Anwendung des
Produkts versprechen, auch wenn sich letztendlich für den Nutzer
beim
Gebrauch der
Geräte kein
Nutzen einzustellen vermag. Das verlangt einen Konsumenten, dem
die
durchaus
variable
Konformität wie
ein nach
Maß
geschneideter Anzug passt, und
der den Verhaltensvorhersagen von künstlichen Maschinen folgt,
welche
möglichst ein Verhalten des
Konsumenten antizipieren,
das zuverlässig zu den »gewünschten kommerziellen Ergebnissen
führt« (Zuboff
235). Der Konsument ist damit definitiv die Ratte in der Skinner-Box,
indem
er einer Konsum-Konditionierung
unterworfen wird, die nicht nur mit den Zyklen
der technischen Produkte identisch sein, sondern vor allem Profite
für das Überwachungskapital generieren soll. Dabei will man die
Zeit
der Entscheidungen
der Konsumenten, wenn sie die digitalen
Geräte
bedienen, nicht nur verkürzen, sondern am besten gleich ganz
automatisieren, sodass nicht einmal
mehr
gewusst werden muss, dass jede eingeführte Neuheit Teil der nackten
Wiederholung des 24/7-Taktes selbst ist.
Der
Dauermodus des Als-ob, den
beispielsweise
das
Smartphone bereitstellt,
lässt
die
Verstandesfunktion mit ihrer regulativen Kapazität auf
ein fatales Residuum implodieren
und
klebt sie als notwendiges
Detail
an die Daten-,
die Bild- und Informationszirkulation der
Geräte.
Adorno hatte diesbezüglich schon eine böse Vorahnung: »Ausgegangen
wird von der Gedächtnisschwäche der Konsumenten: keinem wird
zugetraut, daß er sich an etwas erinnere, auf etwas anderes
konzentriere, als was ihm im Augenblick geboten wird. Er wird auf die
abstrakte Gegenwart reduziert. Je bornierter aber der Augenblick für
sich selber einzustehen hat, um so weniger darf er mit Unglück
geladen sein.« Nichts anderes bedeutet das Ende der Geschichte auf
der Ebene des Subjekts.
Für
die schamlos unzufriedenen
und zugleich infantil-grotesk Genießenden erscheinen die digitalen
Geräte inklusive ihrer Gadgets und Apps den
Takt vorzugeben,
handelt es sich doch um kurz-terminierte Wegwerfprodukte, die dem
ständigen Austausch unterliegen,
man denke an die heutige
Hyper-Präsenz
touchscreen-gesteuerter Geräte, die man
aber
wahrscheinlich
bald durch Rechner, welche auf ein Winken, Blinzeln oder Räuspern
reagieren, ersetzen
wird,
um
den Nonstop-Betrieb
des Konsums auf beschleunigte Weise fortzusetzen.
Die
Intelligenzmaschinen
des Überwachungskapitals passen
die unzähligen
Apps (über 300 für Googles Android-Plattform) über das Wetter,
Dating, Musik, Gesundheit etc.
ständig an und infizieren
sie zudem
noch
mit
einer großen Anzahl von Trackern, um persönliche Daten
zu extrahieren,
algorithmisierte
Profile
zu erstellen und Geld mit zielgerichteter Werbung zu verdienen.
Nehmen
sie
einem genügend Informationsarbeit ab, sind die
digitalen
Geräte
womöglich sogar
ein
freundlicher
Begleiter, andererseits übernehmen
sie
gleichzeitig
die
Funktion einer unerbittlichen Kontrollinstanz, wenn sie
beispielsweise alle
möglichen Indikatoren
des
aktuellen
Körperzustands
eines
Users messen,
um
dann
beispielsweise
Imperative
für
das
sportliche
Verhalten
oder
das
Essverhalten des
Users auszugeben.
Vielmehr
noch, sie sind eine Enteignungsinstanz, die, egal
ob als
Smartphone oder Laptop, in
einen ungeschützten privaten
Raum
eindringt
und Daten über menschliches
Verhalten
extrahiert,
und
das geschieht nicht
nur im digitalen Space, sondern
auch
durch
das
Monitoring
in
der realen Welt, wenn
man beispielsweise
bei
seinen Exkursionen
in
der Stadt entlang
bestimmter Routen
geführt wird,
wobei Google leise
und unbemerkt seine
Rolle
als
Ratgeber in die eines
sanften Kontrolleurs transformiert.1
Wenn
der
User
zum
Beispiel im Internet nach einem
Stuhl sucht,
so
wird er,
kaum
dass er
in
ein
Auto
eingestiegen ist,
sanft
zum nächsten Möbelgeschäft dirigiert, er wird also mittels
sogenannter Push-Technologien
zu
einem Ziel hingeführt, das er
in
kein Gerät eingegeben
hat.
Schon mit dem Download von Apps wird die Software autorisiert,
sensible Daten zu erfassen und zu modifizieren, ja zum
Teil auch
zu löschen; man erfasst den Status des Smartphones, Standortdaten
und WLAN-Verbindungen, aktiviert Kameras und loggt sich in die
privaten
Archive
mit Fotos und Videos ein. Der Extraktionsimperativ von Google &
Co verlangt geradezu danach, dass alles in Beschlag genommen wird,
wobei
das
Überwachungskapital wiederum
bestimmte
Produkte und Dienstleistungen natürlich nur innerhalb der eigenen
Versorgungsrouten und Infrastrukturen anbietet. Dazu muss man sich
unbedingt die Daten über das Verhalten der Nutzer aneignen und
Produkte generieren, die im 24/7 Modus vorschreiben, wie der Nutzer
mit bestimmten Objekten, zum Beispiel mit seinem Auto zu interagieren
hat.
Der
postmoderne Konsument der Metropolen ist eine gestaltlose Gestalt,
einerseits ein Aktivum, das mit geradezu unternehmerischem Gespür
für konsumistische Ressourcen in der Freizeit betreibt,
andererseits ein Passivum, ein statistisch kontrolliertes und auf
Vorhersage hin konstruiertes Konglomerat aus Kennziffern, Ratings und
Indikatoren, mit denen ständig die Verhaltensweisen, Leistungen bis
hin zum Sex bewertet werden (Tauschwert). Singulär und
anspruchsvoll, so posaunen die Propagandisten der neuen Mittelklasse,
müsse es dabei zugehen, sei es im Flirt in der digitalen
Partnerschaftsagentur, dem Verzehr des Menüs beim Sternekoch, den
Übungen im Thai-Chi-Kurs, und das aus einer Szene-Galerie erworbene
Gemälde ist natürlich der Outperformer wie das Gespräch mit
Freunden beim Rotwein am Abend, und nicht zu vergessen der Sex, eine
Singularitätsperformance sui generis.
So
gesehen erscheint es
ganz normal,
dass Marketing-Agenturen ständig
neue semiotische Vibrations für die
Angehörigen der Mittelklasse erzeugen,
um so etwas
wie eine
Ästhetik der Unsicherheit zu
generieren, die
beim Konsumenten einen
Impuls des just do it hervorkitzeln
soll, man
denke hier auch
an
Extremsportarten,
Risikogesellschaften, finanzielle Derivate, kreative Klassen,
Pornostars, Spielkulturen.2
Dabei bietet das Internet, in dem der
binäre Code in Klänge, Texte
und Bilder transformiert wird, auch für
die Unterklassen die Möglichkeit, den
Konsum in
den Modus des Dauererlebens zu überführen, eine eigenartige
und durch das Smartphone zudem
mobile
und ständig mobilisierende Sucht, die sich an die
Präsenz und Transformation der Angebote hängt; es ist die
Zirkulation, die nun auf Dauer gestellt ist, Kreisläufe
der Null-Zeit-Zirkulation,
die für die Anbieter spiralförmig verläuft, nämlich als die
Akkumulation von Kapital, während die Nachfrager über den Modus des
Dauererlebens nicht hinauskommen. Es
sind also insbesondere
die Internetmärkte, welche den kurzfristigen Konsum und die
kurzfristige Aufmerksamkeit befördern, beispielsweise
den Konsum
des für
Sekunden attraktiven
You Tube Clips,
der heute auftaucht und morgen schon wieder
im Nirwana der Archive verschwunden ist,
wobei aber die
Langfristigkeit der Attraktivitätszufuhr
für die
wenigen großen Konzernen gesichert
bleibt oder eben einfach im
Internet-Protokoll
fundiert ist,
das die Infrastruktur für die
Zirkulation der kurzfristig attraktiven
Güter bereitstellt. Der ständige
Wechsel in den Produktlinien der großen
Digitalkonzerne forciert die
Kurzfristigkeit,
während die Identifikation mit der Marke aber
erhalten bleiben muss.
Auf Dauer gestellt sind auch Identitätswaren, die man beispielsweise
in den Fanshops der Fußballvereine kaufen kann, um sich mit ihnen
dann in den
öffentlichen Events in die Reihe der freiwillig Gleichgeschalteten
einzureihen.
Letztendlich
scheint es
unmöglich
geworden zu sein, dem Netzwerk-Paradigma, dem
die
virale,
epidemische
und produktive
Verbreitung von Informationen eigen ist,
zu
entfliehen, selbst
wenn man
von
der
unermüdlichen
digitalen
Beschäftigung, die
die
Propaganda des Selbst und der Selbstreplikation erfordert,
rein
gar nichts
zurückerhält.
Weniger
die Frage, ob die Bedürfnisse in der Anwendung von digitalen
Geräten
oder im Aufenthalt in den sozialen
Netzwerken
aufgehen, steht
jetzt
im Mittelpunkt, sondern es
ist der
24/7-Modus
der Geschwindigkeiten, der
Metriken
und der
Beschleunigungen,
der den Konsum und die Bedürfnisse endlos
zirkulieren
lässt - er punktiert, kontrolliert und quantifiziert zudem
die
Wahrnehmung, das Erleben und das Leben jedes Einzelnen. Am
Abend
begegnet man
dann
den
Grenzen des Tages und allem, was nicht beendet wird, und
man
ermüdet genau
dann,
wenn man seine to-do Liste anschaut, die sich Tag
für Tag wie
ein dreckiger Virus reproduziert.
Und
die erschöpfende
Art und
Weise der
Kurzlebigkeit will der
Konsument
paradoxerweise am liebsten auf ewig leben – er
oszilliert
wie
im Taumel dabei
zwischen dem heißen
Bedürfnis
nach dem Konsum des Objekts und der Affirmation des unvermeidlichen
schnellen Ersetzens desselben, und so muss er
bis
zur Erschöpfung den heißen
Verheißungen
der Werbeindustrie
im Fluss des monoton und zugleich differenziell fließenden
24/7-Taktes nach hecheln, ohne dabei
aber zu
erkennen, dass die attraktiven Anreize und die
verbesserten
Funktionalitäten der Geräte gerade
mit
seiner
Bestätigung, dass das Ich
sich in der
technischen Anwendung der
Gadgets erfüllt,
identisch sind.
Dinge, die sich
nicht
über das Display des Laptops oder des Smartphones und seinen Icons
und Links darstellen
und optimieren
lassen,
verlieren heute
unzweifelhaft
an
Attraktivität.
Darüber
hinaus kitzelt der 24/7-Stunden-Betrieb
die Sucht der Dividuen nach Wettbewerb, Egoismus, Opportunismus und
Ignoranz gegenüber den anderen
geradezu hervor, wobei diese
Bedürfnisse immer enger an Plattformen, Modelle und Programme
geknüpft und von diesen auch dirigiert werden, indem
sie
vorhandene Zeichen und Objekte permanent
rekombinieren
und generell in die Form des Remixes und des Mash-Ups
(Rekontextualiserung) überführen -
Kopien von Kopien,
unaufhörlich verlinkt
im Rausch
von Pseudo-Moden, Hits und Stars. Folgerichtig
sind die konsumierten Produkte
heute in
immer höherem Maß Geräte, die eine
große Anzahl an Dienstleistungen, Unterhaltungen und Threads
anbieten, wobei
die Plattformen diese Geräte
beispielsweise
auf
Daten fressenden Mobilitätsmärkten
einsetzen,
wie man an Uber sieht, das die städtischen
Kommunen auffordert, Daten über den
öffentlichen Nahverkehr mit dem
Unternehmen
zu teilen, sodass Uber seine
Fahrzeuge zielgenau und
in Echtzeit
in Richtung überlasteter Straßen, Bahn- und Bushaltestellen lenken
kann.
Wenn
heutzutage die Leute in der Sauna, unter dem Solarium oder im
Swinger-Center das Gefühl beschleicht, selbst diese digitalen
Anwendungen könne sie nicht mehr reizen, und wenn sie im Zeitalter
des Online-Datings infolge der Algorithmisierung der Partnerwahl (der
nach wie vor klassenspezifischen Liebesbeziehungen) gerade mal für
drei Monate glücklich werden – dann kann kein Sexual- oder
Lebensratgeber und kein digitalisiertes Lifestyle-Konzept mehr
helfen, aber die Leute könnten zumindest bei Proust oder Balzac
nachlesen, was sie verpasst haben. Weil sie aber auch das nicht tun,
hängen sie weiter am Tropf, der ihnen die Insistenz auf das
Zeitgenössische, auf den punktgenauen Erlebnis- und Symbolwert der
Produkte injiziert, womit trotz des wirren und hysterischen Bestehens
auf der Einzigartigkeit der Ereignisse, Dienstleistungen oder
Produkte, die man da am laufenden Band und zugleich möglichst
kurzfristig konsumiert, die Gegenwart als ewig ausgedehnt erscheint
oder sich dehnt wie ganz langsam zerlaufender Käse. Das ist auch
nicht weiter verwunderlich, denn die Kreativindustrien, in denen sich
Teile der Mittelklassen versammeln - IT-Branche, Medien, Design,
Marketing, Games, Wellness, Tourismus und Sport - machen rund um die
Uhr Angebote, mit denen man die Selbstverwirklichungsansprüche eines
speziellen Teils der Mittelklasse testet. Es sind im speziellen die
Mitglieder einer globalen, virtuellen Klasse, die vernetzt, liquide
und verbunden in den neuen technischen Labors und Büros leben, eine
spezielle Klasse des digital-finanziellen Zentralnervensystems des
Kapitals.
Video-
und Glücksspiele, Internetpornos und alle Spielarten
von Games verflüssigen und
intensivieren den 24/7-Konsum, wobei die in ihn eingebauten Gewinn-,
Macht- und Besitzillusionen für die
meisten andauernd enttäuscht werden,
sodass man
gerade deshalb den Konsum der
elektronischen Reize oft genug mit
dem Konsum von Psychopharmaka weiter
stimulieren oder wahlweise die
von den Anreizsystemen des digitalen
Marketings generierte Nervosität
zumindest zeitweise ruhig stellen muss,
wenn der
zugerichtete und sich selbst zurichtende Konsument
nicht ganz
überschnappen will. Wolfgang
Pohrt bezeichnet derlei Konsumenten als verbitterte Hedonisten:
»Insofern der Spätkapitalismus den Typus des Infantilen, weil in
kindlicher Abhängigkeit und Ohnmacht gehaltenen, zum dominierenden
Sozialcharakter macht […] sind für den sofortigen Genuss übrigens
nicht einmal die elementaren Voraussetzungen gegeben, weil man erst
einen dezidierten Wunsch haben muß, um ihn sich erfüllen zu können.
Ganz analog zu verzogenen, mäkligen Kindern, deren Unglück darin
besteht, gleichzeitig Schlagsahne mit Pommes essen und spielen und
dabei eigentlich nichts von alledem zu wollen, leiden die Erwachsenen
heute in der Regel nicht unter unerfüllbarer Sehnsucht – ein
Leiden, welches auch seine Vorzüge hat –, sondern sie leiden unter
einer Art von wunschlosem Unglücklichsein, welches umschlägt in die
unersättliche, weil niemals Erfüllung findende Gier, alles haben
und gleich wieder wegschmeißen zu wollen. Während die
Propagandisten eines Neuen Hedonismus ungebrochene Genußfreude zu
erkennen meinen im Verhalten besonders des bundesdeutschen
Mittelstands, den man auffassen könnte als riesige
Selbsthilfegruppe, die ebenso verbissen wie vergeblich bemüht ist,
sich Gutes zu tun, sei es durch Schöner Wohnen, Vornehmer Trinken
oder Gesünder Essen, während die Propagandisten eines Neuen
Hedonismus also in all diesen Aktivitäten Indikatoren für
ungebrochene Genußfreude zu erkennen meinen, übersehen sie, daß
die rastlose, zwanghafte, stressige und fast schon hauptberufliche
Suche nach dem Genuß das Verhalten von Leuten ist, die ihn nirgends
finden können, von Leuten auch, denen sich die unersättliche Gier
und die ewige Frustration irgendwann in die Gesichtszüge gräbt und
die daher nicht satt, zufrieden und glücklich wirken, sondern hart,
neidisch, lauernd und verbittert.« Diese Entwicklung wird noch
dadurch vorangetrieben, dass der imaginäre Wert der Freizeit weiter
ansteigt, während man umgekehrt viele Freizeitaktivitäten einfach
in Arbeit umdefiniert. Tiqqun schreiben: »Was MAN heute Arbeit
nennt, bewertete MAN gestern als Freizeit – ›Videospiel-Tester‹
werden dafür bezahlt, den ganzen Tag lang zu spielen, ›Künstler‹
dafür, die Clowns der Öffentlichkeit zu sein; eine wachsende Masse
von Unfähigen, die MAN Psychoanalytiker, Kartenleger, Coaches oder
nur Psychologen nennt, werden fett dafür bezahlt sich das Lamento
der anderen anzuhören …« Arbeit und Freizeit geben sich die
Hände, egal ob die Initiative von der einen oder der anderen Seite
ausgeht.
1
Google besitzt heute das
größte Computernetz der Welt mit einer schier unendlich
anpassungsfähigen digitalen Architektur ausgestattet mit 2,5
Millionen Servern auf vier Kontinenten (zuboff 220). Das Unternehmen
Google ist in der Lage, die hauseigenen Algorithmen mittels eigener
Chips in den eigenen Clouds lernen zu lassen, wobei die hauseigenen
Maschinenintelligenzen aber nur so viel lernen können, wie eben
Daten in die Maschinen eingespeist werden, mit denen diese dann
trainiert werden. Dazu benötigt man, wenn man die materielle
Infrastruktur der Datenzentren und Server nicht ins Uferlose
ausbauen will, hochleistungsfähige Prozessoren wie Googles Tensor
Processing Unit (TPU), den Ausbau neuraler Netzwerke und die
Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz.
2
Es
war Primo Levi, der in
seinen Erinnerungen
an Auschwitz schrieb,
dass
in den Konzentrationslagern die Insassen ihre Meinungen
über die Zukunft ganz und gar willkürlich änderten,
und zwischen
blinder Zuversicht und äußerster Verzweiflung schwankend,
„pendelten
sie, ohne Gedächtnis und Folgerichtigkeit und je nach
Gesprächspartner und Augenblick, zwischen diesen extremen
Positionen hin und her“. Hier
deutete sich schon jene »Momentanpersönlichkeit«
an,
die heute
jeder vorgegebenen Situation mit zynischem Opportunismus und
panischem Selbsterhaltungstrieb
begegnet, und sei es, dass sie sich mit Psychopharmaka befeuern oder
sich mit Büchern aus der Lebensratgeberindustrie zu müllen und
einschläfern lässt, nur um voran zu kommen, wobei aber vergessen
wird, dass das Voran nicht unbedingt ein Hinauf ist. Es ist ein
mythologischer Glaube, der Sache nach nicht verschieden vom
abendlichen Gebet, vom Tieropfer, das den Erfolg in der kommenden
Schlacht sichern soll, oder vom Regentanz des Schamanen. Befolge das
Ritual, und der von dir nicht kontrollierbare Erfolg in der
Zirkulation wird auf dich herabrieseln. In dem Maße, wie man zwar
immer mehr produzieren kann, immer mehr weiß, umso unsicherer wird
der Erfolg, ob der Absatz gelingt. Das statistische Verhältnis
zwischen der eigenen Anstrengung und dem Markterfolg wird immer
ungünstiger. Und umso größer wird die Anziehung von Regelwerken.
Die kapitalistische Gesellschaft schafft den Irrglauben
nicht ab, sondern schafft durch die Zwangslagen, in die sie die
Individuen versetzt, eine beständig neue Nachfrage danach. Je
schwieriger der eigene Absatz wird, desto größer die Anziehung von
Ersatzreligionen. Schlussendlich drückt sich darin die Grenze der
kapitalistischen Gesellschaft selbst aus: was heute möglich wäre,
geht weit über das hinaus, was am immer enger werdenden
kapitalistischen Markt absetzbar ist. Deine Freiheiten sind
unendlich, aber ob es sich lohnt, wird immer unwahrscheinlicher.
1 Vielleicht aber sind die Objekte doch noch etwas, nämlich Projektile, die die Erde zerstören.
Teil 1 here
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