Quantcast
Channel: non.copyriot.com
Viewing all 3108 articles
Browse latest View live

NEIN!

$
0
0

Nein!

Man hat mit Ja zu stimmen, egal welche Frage gestellt wird. Jean-Claude Junker

Vor Jahren, als die Welt noch langsam war und WWW noch weltweites warten hieß, musste man sich mühen, um den Wahn zu sehen, das Irrenhaus, in dem wir sitzen. Nicht Formans Kuckucksnest – wer dort die Irren sind, ist klar: ein gefährliche, gewalttätige Sekte in weissen Kitteln à la Doktor Seltsam, die in der Tradition Mengele elektrotollschocken –, nein, es geht um das Irre wenn man quer durch die Sender zapt, Jungelcamp, Freiheit im Stau mit dem Auto, KursAnsage vom BörsenHeini. Das Irre, wenn man realisiert, dass Menschen das wirklich leben. Das Richtige im Falschen bis das Falsche hinter einer potemkinschen Wand aus ReklameSprüchen verschwindet. Abenteuer und Emotion pur am Fernseher statt JustInTime und Ratenzahlung. Man musste sich mühen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, dass die Epoche nach dem 2. Weltkrieg zu einer gigantischen bunten Sublimierung des Grauens geworden war.

Heute ist das nicht mehr schwierig. Man muss nicht mehr graben, um aus einem Querschnitt durch die Schichten dieses Wahns den Befund einer schweren kollektiven Erkrankung zu ziehen. Heute ist die Politik, der Quoten- und Qualitätsjournalismus, die Wirtschaft und so gut wie jeder Bürger so entwaffnend offen und ehrlich in der Einschätzung der Lage, dass jeder das sehen kann und dass weitere Äusserungen überflüssig werden.

It is all at your fingertips, stupid. 

Jenes Foto zum Beispiel, das von den Mächtigen nach den Morden an den Redakteuren von Charlie Hebdo angefertigte wurde. Sie ließen sich ablichten, als befänden sie sich voller Anteilnahme inmitten der schockierten Menge. Die Mächtigen, denen die Meinungsfreiheit der Toten so lieb ist, während sie die der Lebenden abwürgen. Sie sorgen ja dafür, während sie ihre Trauerreden halten, dass – um nur ein paar aktuelle Beispiele zu nennen – in Spanien heute jede Teilnahme an einer Demonstration zu einem unkalkulierbaren finanziellen Risiko wird, dass in Grossbritannien jegliche Verschlüsselungstechnologie für den Bürger verboten wird, während in Deutschland Gesetzgebungsverfahren anstehen, die jeden staatskritischen Protest in ein engmaschiges Netz von Totalüberwachung und Repression einspannen. Diese DemokratieSpieler stehen untergehakt ohne Scham mit solchen, die jedes offenes Wort mit Mord vergelten, und lassen sich vom Quoten- und Qualitätsjournalismus darstellen, als fände das alles tatsächlich inmitten der hunderttausend trauernden Demonstranten statt. Diese Darstellung ging um die Welt. Die Mächtigen und das Volk eins. Denn verschnitten wurde das Bild der Mächtigen mit den Bildern von den Vielen. Aber es war eine Inszenierung. Andere Aufnahmen zeigen, dass die Beileidskundgebung abgeschottet in einer Pariser Seitenstrasse stattfand, fern jedes suggerierten Kontaktes, hochsicherheitsabgesichert. Eine Phalanx abgeklärter PolitProfis, im Marsch auf die tausend Augen der Kamera, aufgenommen und wieder ausgespieen, die toten Gesichter, die erstarrten Masken, das Surrogat.

Selten hat ein Ereignis so überaus deutlich gezeigt, ohne Scham oder Verstellung, dass dieses Politische eine Perversion ist: Der MassenMord an denen, die die Meinungsfreiheit tatsächlich beanspruchten und dafür ermordet wurden, wird gnadenlos von denen ausgebeutet, die ihr politisches Branding zu optimieren haben, um dabei tatsächliche Meinungsfreiheit in ein Ghetto zu verbannen, in dem jede Äusserung erst der Ordnungsbehörde zur Genehmigung vorgelegt werden muss. Der Konsument und Verbraucher am heimischen Output des Quoten-und Qualitätsjournalismus wird dabei bestens von denen, die ihm diese Inszenierung vorführen, darüber informiert, dass es eine Inszenierung ist. Welche eine Groteske. Wenn die Frankfurter Schule noch dachte, die Kulturindustrien müssten sich bei der Produktion ihrer Inszenierungen betreffend der angewandten Mechaniken ein wenig bedeckt halten, hat man heute keine Problem mehr damit, dass alle sehen, wie die Bühnenarbeiter die Kulissen während der Aufführung hin und her schieben.

Alternativlos hinter diesem Spiel strukturierend das Techno-Ökonomische. Restlos jede Lebensäußerung kommodifizierend und in seinem Namen, und niemals im Namen der Menschen und des Lebens, einen Strom erzeugend vom Trikont, seit Jahrhunderten, in die Kassen des Nordens, der sich zunehmend immer mehr nur noch mit Mauern zu helfen weiss gegen seine Opfer, deren Slum im Notfall mit der Bombe dezimiert wird.

Das Ausmaß des Leidens und Versagens, dass das techno-ökonomische Diktat im Verbund mit der inszenierten Politik errichtet, lässt sich in einer einzigen Zahl fassen: 2 Milliarden! Laut WHO – wir sehen, jeder bekommt es von denen gezeigt, die es anrichten – ist das die Anzahl der Menschen auf diesem Planeten, denen ausschliesslich fäkal kontaminiertes Wasser zur Verfügung haben. Gab es jemals in der biologischen, sozialen, kulturellen Evolution des Homo Sapiens mehr Individuen, die unter solchen Umständen zu leben hatten? Soweit hat es diese Kultur gebracht, dass beinahe jeder dritte Mensch Scheisse fressen muss – wo gerade Wasser, als grundlegendes Lebens-Mittel unbedingtes Mittel zum Leben ist, um in der Lage zu sein, ein Mensch zu werden, der seine Menschenrechte einfordern könnte. Mit dieser einen Zahl ist gesagt, dass das Techno-Ökonomische Einem von Dreien die aller notwenigste physische Grundlage nicht zu geben bereit ist, derer es bedürfte, um ein Mensch mit Rechten zu sein. Das ist der Wahnsinn: Ein sich ausbildender planetarer Gulag, in dem die Besserverdienenden sich in Festungen verbarrikadieren, wo wir dies, gut klimatisiert und bestens mit tausend MineralWasserSorten versorgt, notieren dürfen.

Dass vor diesem Hintergrund die Depression zur SignaturKrankheit unserer demokratischen Inseln der Seeligen wird, ist kein Wunder. Die Depression ist zum Teil Reaktion auf einen scheinbar unaufhebbaren Widerspruch. Dieser Widerspruch, der Wahn, von dem hier die Rede ist, ist die reale Kontradiktion, die das Versagen dieser Kultur anzeigt. Da sich dieser Widerspruch so überdeutlich zeigt und im Gegensatz zur Politik offensichtlich kein Simulacrum ist (genau wie das Techno-Ökonomische), da er also in aller Deutlichkeit Menschen mitten im Leben trifft, findet er einen Wiederhall im Erleben derjenigen, die täglich die Qual mit der Wahl der richtigen TrinkWasserMarke haben. Einen Wiederhall, der als eine permanente unterschwellige Dissonanz unser Leben begleitet und das Seelenleben unweigerlich anfrisst, aus der Balance bringt, am Gewissen nagt und zur Reaktion zwingt – entweder in Form einer Tat, die den Widerspruch ins Bewusstsein hebt oder indem sie ihn als Depression sublimiert zum Ausdruck bringt – als Wunsch diesen Wahn durch den eigenen Tod zu beenden.

Das aber ist auch eine Hoffnung, denn es bedeutet, dass die Widersprüche keineswegs an die Peripherie gedrängt und außer Sichtweite gebracht werden, sondern dass der Widerspruch in unserer Mitte greifbar ist und dass durch die Depression ein Symptom gegeben ist, das auf die eigentliche Krankheit verweist. Man stelle sich mal vor, den Kranken würde klar, dass Ihre Depression nicht ein individuelles Defizit ist, sondern die Folge der Bodenlosigkeit schöner Versprechen und dass der ganze miese Betrug dieser Truman Show nicht durch eine Flucht, sondern nur durch ihre Zerstörung zu beenden ist.   

Zu all diesem bedarf es keiner weiteren Erläuterungen. Die gibt es genug und in großem Variantenreichtum innerhalb des Spektrums des Spektakels. Auf dem Rummelplatz der Analysen und superschlauen Theoriegebilde, dem sich zu widmen einen Aufwand an Energie bedeutet, dass darüber der Wahn gerade wieder aus dem Blickfeld wandert – womit die endgültige Funktion der akademischen Analyse im Kapital heute auch klar ist.

Wenn wir in diesem multipolaren Panopticon sehen, was derzeit in Europa und mit Griechenland passiert, dann kann man als Teil dieser TrauerGroteske dazu nur noch zwei Dinge sagen. Erstens, dass das ademokratische Verhalten der Institutionen – bleiben wir bei diesem Wort als Begriff der Schande – eine Folge des historischen Augenblicks ist, in dem Demokratie möglich schien, vielleicht sogar mehr, und der Reaktion ab den 1970er Jahren, die nur eine ganz bestimmte Demokratie zuließ, die des Kapitals für das Kapital und auf keinen Fall die des Menschen für den Menschen. Es ist die Folge des Aufblitzen einer Möglichkeit und der Reaktion der Reaktion darauf  – in einem Kontinuum aus dem größten Massenmord aller Zeiten heraus, in das Einsetzen einer technologisch-ökonomischen Transformation hinein, die den Menschen tatsächlich zum Verschwinden bringt und ihn durch eine Blackbox ersetzt, deren biologisch-historischen Leiterbahnen am Eingang wie am Ausgang von dieser Transformation immer perfekter manipuliert und ausgebeutet werden. Zweitens, dass es in dieser Situation nur noch ein absolutes Nein geben kann.

Eine Nein, das sich absolut allem verweigert und die Grenze dieser Verweigerung immer weiter und tiefer treibt. Ein endgültiges sich Abwenden. Keine Analysen mehr, kein Protest, keinen Widerstand, nichts. Nur noch Nein, denn alles hat versagt.

Und dabei ist zu erkunden, wie sich Technik, Wissenschaft, alles Wissen, in diesem Nein absoluter Negativität neu manifestieren können. Dabei muss als Voraussetzung subtrahiert werden, was über den Menschen-in-Person hinausgeht. Man muss tatsächlich subtrahieren. Die erste Frage des Nein ist, was bleibt, wenn ich alles streiche? Die Theorien, die Gegenstände des Denkens, Gewohnheiten, die Strukturen des Alltages, Freunde, Liebespartner, die Kunst, das Politische, bis hin zum Leben selbst... Was bleibt, wenn man das denkt? Das ist der Ausgangspunkt.

Denn das ist die nie gestellte Frage nach mehr als einem halben Jahrhundert: Was bleibt, wenn man sieht, wie Mensch, Geschlecht, Rasse, Identität, Ethnie, Kultur und Ökologie, Ökonomie, das Politische usw. usv. aus der empirisch-transzendentalen Dublette hervorgehen und wenn man das subtrahiert – und zwar ganz besonders, wenn man versucht, mit dem Vorgang der Subtraktion die Dublette selbst zu subtrahieren? Man muss heute nicht im Detail auf das eingehen, was hier wie ein Paradox erscheinen muss, aber die geradezu groteske Situation – in Ergänzung der erwähnten Sachverhalte – ist die, dass nach der Prognose über das Verschwindens des Menschen eine gewaltige Fülle an Wissen über die Genese dieses Menschen entstanden ist, das aber gefangen bleibt – in der Akademie des Wahns –, ohne dass es a) zu Konsequenz und Tat führen könnte und ohne dass es b) eben zu der denkwürdigen Frage werden könnte, die dem Spektakel, in das wir verwickelt sind, womöglich das Fundament nimmt. Was bleibt, ist lediglich die Frage, was passiert, wenn man das definitive Nein ausspricht.

Der Beitrag NEIN! erschien zuerst auf non.


WEITERE NOTIZEN WÄHREND DER ABSCHAFFUNG DER DEMOKRATIE (UND WAS DER FALL GRIECHENLAND DAMIT ZU TUN HAT)

$
0
0

IntimissimiKaputt

Die Voraussetzung jedweder Demokratie ist die Bereitschaft, uns gegenseitig grundsätzlich von gleich zu gleich ernst zu nehmen. Das andere dazu ist, dass wir uns grundsätzlich darüber im klaren sind, dass jeder Mensch für das, was er tut, gleich verantwortlich ist. (Die wenigen Ausnahmen, die es geben muss, sind Gegenstand von immer wieder neuen Aushandlungen.)

„Das Volk“ und „die Regierung“ nehmen einander ernst. So fängt das an. Tun sie das nicht oder nicht ehrlich und offen genug, dann ist zwar noch Populismus, aber keine Demokratie mehr möglich. Eine Regierung, die dem Volk nach dem Mund redet, nimmt es offensichtlich nicht ernst, genau so wenig wie ein Volk, das glaubt seine Regierung sei dazu da, die eigenen Wünsche zu erfüllen. Dafür, dass sich die Regierung und das Volk gegenseitig ernst nehmen, hätten, unter anderem, die Medien der politischen Öffentlichkeit zu sorgen. Dafür, dass sie es nicht tun, sorgen sie tatsächlich. Denn die Medien in Postdemokratie und Neoliberalismus funktionieren marktförmig. Je weniger sich Regierung und Volk gegenseitig ernst nehmen, desto größer ist der Markt von Meinung und Geschmack. Die Kunst des marktförmigen Mediums besteht darin, sich von beiden Seiten (wenn auch in unterschiedlichen „Währungen“) bezahlen zu lassen.

„Die Regierung“ ist ein ebenso schillernder und wandelbare Begriff wie „das Volk“. Wir könnten uns mit einer Beziehung zwischen einem strukturierenden Strukturierten und einem strukturierten Strukturierendem behelfen, hätten uns aber schon wieder furchtbar entfernt von einem historischen und biografischen Erleben. Leute, die sagen, was gemacht wird, auch wenn sie es nie ganz ohne jene machen können, mit denen es gemacht wird, und Leute, die machen, was man ihnen sagt, auch wenn man ihnen nicht alles sagen kann. Das Einverständnis zwischen Volk und Regierung mag ausschlaggebend für das Funktionieren eines Systems sein (und sei dieses ein faschistisches), ein Beleg für Demokratie ist es nicht. Menschen, die an einem Einverständnis zwischen Volk und Regierung arbeiten, arbeiten an allem möglichen, gewiss nicht an Demokratie.

Demokratie ist für beide Seiten so anstrengend, dass die Versuchung groß ist, sie durch Einverständnis zu ersetzen.

Ein Volk, das sich an ein Medium der Niedertracht, wie die Bild-Zeitung, bindet, will keine Demokratie, sondern Einverständnis. Es will gleichsam auf eine bestimmte Weise wollen dürfen. Zum Beispiel gegen „Ausländer“ und „Asylanten“ sein, oder gegen „faule Griechen“. Ein Bild-Zeitungsvolk nimmt seine Regierung nicht ernst. Es fühlt (bzw. lässt sich fühlen machen) eine eigene Macht, wenn die Regierung ihm zu Willen ist, nicht in der positiven Gestaltung der Politik, sondern in den Negationen. In der „gemeinsamen“ Aggression gegen Feindbilder (wohl gemerkt: Bilder) und gegen Sündenböcke. Eine Regierung, die mit einem Medium der Niedertracht wie der Bild-Zeitung regiert (anstatt es mit allen Mitteln von Aufklärung und Demokratie zu bekämpfen), nimmt das Volk nicht ernst. Ein Medium der Niedertracht wie die Bild-Zeitung ist daher die Voraussetzung für die Abschaffung der Demokratie.

Die Beziehung zwischen der Regierung und dem Volk in der Postdemokratie ist zugleich marktförmig, und damit (sozusagen unendlich) in Sinn-Angebote, Events, Entertainment zu cracken, und prekär. Zugleich mit dem demokratischen Respekt voreinander nämlich wurde in der Postdemokratie auch jede Verlässlichkeit, die Idee eines Volkes als „Solidargemeinschaft“ und von der Regierung als Instanz des sozialen Ausgleichs aufgegeben. Die postdemokratische Regierung muss – es sei wiederholt: sie muss! – das eigene Volk verraten, wenn sie ihren Einfluss in den höheren ökonomischen Sphären nicht verlieren will. Sie ist eine Instanz, die den kontrollierten Bürgerkrieg erzeugt (und weiß, dass sie diese Kontrolle allein nicht behalten kann, weshalb sie schon einmal mit ihrer Privatisierung begonnen hat); sie gewinnt Zeit, indem sie den Bürgerinnen und Bürgern noch Ersatzfeinde und Ersatzschuldige liefern kann, indem sie den Bürgerkrieg exportiert, indem sie das Volk, das sie nicht nur nicht mehr ernst nimmt, sondern das ihr zunehmend lästig wird (vor allem, wenn es sich den „alternativlosen“ Geldbewegungs- und Weltvernichtungsmaschinen in den Weg zu stellen wagt), tranquilisiert.

Die postdemokratische Regierung, die sowohl den Respekt zwischen Regierung und Volk als auch den Auftrag von sozialem Ausgleich und Fürsorge noch viel sorgloser absentiert als dies schon früher „bürgerliche Regierungen“ taten, die sich ganz im Auftrag eines Klasseninteresses verhielten, erzeugt ihre eigenen Gespenster: Alles, was Solidarität, Respekt, „ideale Einheit“ verspricht – mit den krudesten Feindbildern, versteht sich– wird von einem Teil des getäuschten und enttäuschten Volkes gerne angenommen. So gehen die einen zum Dschihad, die anderen gehen zu den Nazis. Das einzige, was eine postdemokratische Regierung diesem selbst erzeugten Monster entgegen zu setzen hat, ist: mehr Kontrolle. Noch mehr Kontrolle. Noch weniger Demokratie. Die Abwärtsspirale beschleunigt sich, ohne dass es ein Subjekt geben könnte, das der Bewegung Einhalt gebieten kann.

Neoliberalismus bedeutet, unter vielem anderen, dass mögliche Opponenten erst in letzter Instanz „brutal“ bekämpft werden; viel bedeutender ist es, die Subjekte einer möglichen Opposition möglichst auf ökonomische Weise so zwischen Verheißung und Drohung zu spalten, dass sie als Einheit verschwinden. Es gibt keine „Arbeiterklasse“ mehr. Es gibt keine „Studenten“ mehr. Es gibt keine „Intellektuellen“ mehr. Es gibt keine „Bohème“ mehr. Es gibt keinen Maquis mehr, keinen möglicherweise im entscheidenden Augenblick den Dienst versagenden „Beamtenapparat“, keine unkontrollierten Arbeitsverhältnisse, keine wirkliche Gewerkschaftsbewegung usw. Alle diese möglichen Subjekte der sozialen Unruhe wurden in eine Minorität der „Gewinner“ und eine Majorität der gelähmten Verlierer gespalten. Was vor allem gecrackt wurde, durch die simple aber durchschlagende Macht der ökonomischen Erpressung, ist ein Bewusstsein der möglichen Subjekte sozialer Opposition. In einer Welt, in der es auf diese Weise so schwer, und manchmal unmöglich geworden ist, zu sagen, wo man hin gehört, haben die Demagogen und „Hassprediger“ leichtes Spiel. Sie sind nicht die „bösen“ Nachfolger der Opponenten des Neoliberalismus; sie sind die Ausgeburten des Neoliberalismus, und deswegen verwundert es dann doch nicht, dass, nur zum Beispiel, in Italien das größte Kontingent der Dschihadisten (in der Mehrzahl der Fälle: pures Kanonenfutter) eben aus jener Stadt, nämlich Ravenna, stammt, die nicht nur den höchsten Lebensstandard, sondern auch die geglückteste „Integration“ vorzuweisen hat.

Vielleicht ist es ein grundlegendes Bedürfnis des Menschen, ernst genommen zu werden: vom „nächsten“ wie von der Regierung (was immer an Macht das sein mag, das sich eine äußere Form gibt). Die Medien der Niedertracht und die deutsche Regierung waren sich darin einig: Wir nehmen das griechische Volk ebenso wenig ernst wie die griechische Regierung. Diese fundamentale Entwürdigung, als Begleitmusik zur ökonomischen Herbeipressung eines Krieges einer Regierung gegen das eigene Volk, ist einer der großen anti-humanistischen und anti-demokratischen Akte auf dem Weg zu einem deutschen Europa, in dem das Volk nichts mehr zu sagen haben wird (man wird durch weitere Niedertracht sein Einverständnis kaufen oder erzwingen). Wir sehen gerade dem vorletzten Akt der Abschaffung der Demokratie in Europa zu. Der letzte Akt wird blutig, so viel ist sicher.

Original hier

Der Beitrag WEITERE NOTIZEN WÄHREND DER ABSCHAFFUNG DER DEMOKRATIE (UND WAS DER FALL GRIECHENLAND DAMIT ZU TUN HAT) erschien zuerst auf non.

Eurozone: Die Krise als Chance für die kapitalistische Offensive

$
0
0

29547170,31142009,dmFlashTeaserRes,PON_20150111_107

Dringender denn je gilt es zu verstehen, dass der Euro kein irrationales Konstrukt, sondern eine durchaus rationale Konstruktion ist, um in Europa die Beziehungen der kapitalistischer Ökonomien untereinander zu regulieren. Milios widerspricht damit einer gängigen linken Position, die mit einem merkantilistischen Touch die Peripherien der Eurozone rein als den Hinterhof des von Deutschland dominierten wettbewerbsstarken Zentrums sieht, demgemäß Deutschland seine Exportkapazitäten innerhalb der Eurozone auf Kosten der weniger wettbewerbsstarken Länder ungeheuer gesteigert und damit die Peripherien in die Verarmung geführt hat.

Milios geht zunächst davon aus, dass die Teilnahme von weniger wettbewerbsfähigen Ökonomien am Weltmarkt eine notwendige Bedingung für die Reproduktion der Kapitalverhältisse darstellt. Er schreibt: „Die notwendigerweise national bestimmte nationale Zusammensetzung des Kapitals (als Ausdruck des nationalen gesellschaftlichen Gesamtkapitals) modifiziert die Funktionsweise der Konkurrenz der Kapitale auf dem globalen Markt, wodurch die internationale Unterschiede in der Arbeitsproduktivität, den Wachstumsperspektiven und der nationalen Profitrate aufrechterhalten und reproduziert werden. In diesem Sinn hat der internationale Wettbewerb keineswegs die Tendenz, die Kapitale der weniger wettbewerbsfähigen Länder zu eliminieren, er treibt vielmehr ihre „Modernisierung“ und Restrukturierung voran. Internationaler Wettbewerb stellt für das Kapital keine Gefährdung dar – er ist im Gegenteil eine Bedingung für seine Reproduktion. "

Auch der Mechanismus der Eurozone, der in der Öffnung zur internationalen Konkurrenz besteht, war zunächst durchaus rational für die Organisation kapitalistischer Macht. Allerdings wirkt des Konstrukt des Euros auf finanzielle Ungleichgewichte stabilisierend wie destabilisierend. Der neoliberale Modus, diesen Mechanismus in Gang zu halten, besteht darin, die Austeritätspolitik unter allen Umständen durchzuhalten und wenn möglich noch  zu verstärken, im Sinne einer Klassenpolitik des Kapitals, um den Fall der Profitraten zu verhindern.

Deutsche Version hier

english version   here

Der Beitrag Eurozone: Die Krise als Chance für die kapitalistische Offensive erschien zuerst auf non.

No

$
0
0

800px-francisco_de_goya_y_lucientes_-_duelo_a_garrotazos

I have learned to avoid getting involved in activity out of a feeling of having to do something. There is a dictatorship of politics that tries to make everyone conform to a collective will. I don’t much like that. If things develop I will get involved, but I will not become again a "political animal" as they say. I didn't like myself when I was one. Since the "natural" avenues of political action are either closed off or ineffective in this society, we will always feel as if we are neglecting to act. That's just the way it is. It's a question of trying to begin where you are and extend out in a meaningful way and not to attach politics to one's life as an extension of one's identity. To do that is to circulate on the merry-go-round they have provided for us to keep us busy but ineffective.

“Idle hands make for the devils work” as they say. Lets celebrate, then, the power of doing nothing; of idle hands, of turning away from the World; of the No.

There is a difference between quietism and tactical retreat, both for the individual and for the mass. Sometimes they coincide; sometimes not. Doing nothing is of course only one pole of a dichotomy we have set up in thought; a dichotomy which we either impose on ourselves or have imposed on us by others. The joke is we are the very condition for the dichotomies we burden ourselves with – to be or not to be; to do or not to do. We arrive as ourselves before all of that can capture us; and yet we burden ourselves with the yoke of being this or that. The truth is that in our state of immanent finitude we are the ground on which the edifice of being stands; it is our own creation, glorious or inglorious, this world of being and of becoming; so says Non-Philosophy.

  Part of the problem is this bourgeois subject we inevitably are. We feel compelled to act out of a longing for authenticity, as if one always needed to check oneself out under the gaze of the other; the imagined sin of inaction insinuates itself and so one burdens oneself with a moral imperative to extend ones responsibility in an impossible way. Let's call it a globalisation of concern that actually achieves little but allows one the illusion of compassion. We are denied the power to act and at the same time burdened with the moral responsibility for this lack of power to prevent or abolish the suffering which the system imposes on its victims.

No doubt it is a case of knowing what we know, but knowing we will not act. This is the disease of a decadent age in which the answer to what plagues us has not yet appeared in thought. Only its prophets have appeared as terrible distortions of the new Subject; isolated acts of semi-madness demonised by journalists who, like everyone else, are outwardly cynical but inwardly full of foreboding for the future we can already half discern, since it unfolds in regional form almost day by day ---  cities reduced to rubble, roads filled with refugees with nowhere to go, wars of endless stalemate and retribution. A sad end to the idea of progress and unending prosperity, which a half century ago seemed our inevitable future. Our children will inherit the ruins of that utopia of science, democracy and the free market which turned out to be the waiting pen for extermination; the death-row of our civilization.

Don't worry about inaction ; use the time to think and to think well. Think on all that has gone before on the long road that brought our race to a rendezvous with possible annihilation. The time for action will soon overwhelm us and then we will dream of these days as the halcyon days before the storm.

Der Beitrag No erschien zuerst auf non.

Yet again: No.

$
0
0

saturn-eating-children-large-francisco-de-goya

They lean towards one another, smile, shake hands, empty their satchels, shuffle papers. Its business as usual for these faces fronting the neo-liberal monolith – Schaüble, Shultz, Juncker, Draghi, Merkel, Cameron, Hollande – as sure of themselves as can be;  and why not ? Their power goes largely uncontested by either the media or the opposition in all “matters of vital interest”. The faces change, of course, but the party machines, the conclaves of vested interests, the media and public relations advisers, the bureaucrats, the technocrats, the lawyers --- these abide. Unseen, a ubiquitous security apparatus monitors the field of their interest. Their police forces, well equipped and trained in the technologies of mass containment, are capable of instant deployment, their armies of an unprecedented global reach, their arms manufacturers of the most innovatory extensions of their killing power. Their confidence is well founded. They have not had to face a serious challenge at the heart of the empire since '68. In fact they have been able to defeat their enemy and colonise the symbolic centres of opposition --- Moscow and Beijing. The ground on which their power stands is unshakable.

They have had an open field. Every touch of the ball has played into their hands.

Nothing more so than the emergence of Islamic fundamentalism, which they, of course, helped to create, first in Iran and later in Afghanistan, Syria, Iraq, and Yemen. When it came home to roost, in the form of suicide bombers of European origin, it proved indispensable, since terror provided an excuse to install the sort of internal surveillance and counter revolutionary apparatus which they had long dreamed of; ever since Thatcher bemoaned the constraints on her hand, envious of the policeman /dictator Pinochet, who was able to implement a robust free market liberalism without the irritation of elections, accountability, independent media and an opposition. All that had been taken care in the Santiago football stadium. Years later she showed her appreciation by orchestrating his flight to England to escape the justice demanded by the Chilean people. History now.

Boom, bust, financial crisis, recovery, regional war, terror ---through it all they have remained unruffled and sure of their power. The opposition has, for the most part, self imploded. Marxism has retreated to, of all places, the academy, where it continues to be practised in scholastic form by an academic elite ensconced in the cultural studies and fine art departments of universities; an idiotic last bastion of the philosophic, surrounded by faculties of science, I.T, engineering and economy recalibrated on the basis of an alliance between power and knowledge production.

Lets take an inventory of their successes --- the defeat of communism, the extension of their military capabilities to the borders of Russia and China, the abolition of publicly owned media and its replacement by privatised news/entertainment conglomerates, the imposition of neo-liberal regimes within the printing and publishing industries, travel and communications, utilities and energy supplies, universities and educational faculties, and in health and social insurance sectors. The survival of cycles of boom, bust and financial implosion, the waging ot two large-scale invasions, and the intervention in numerous local conflicts, etc etc etc --- let's just say that Neo-liberalism has won the ideological war and has, since the 70's, ruled more or less with impunity, give or take the odd outbreak of resistance, often, in the European context, on the periphery of the centres of power and prestige.

Meanwhile to the south of the European fortress everything slowly unravels under a combination of assaults -- war, globalisation, IMF inspired neo-liberal “restructuring”, debt repayments, destruction of indigenous agriculture and traditional economies, drought, famine and corruption facilitated by the western oil, mining and arms conglomerates.

And all of this, mind you, alongside a mountain of reports from the scientific community documenting the effects of the neo- liberal economic policies on sustainability of resources, if not the very sustainability of life on the planet. Even so the ideology of unending development, innovation, resource depletion, pollution, arms manufacture, continues apace or increases, even as the effects of climate change begin to be factored into our future. Resilient indeed.

They will lead us to planetary ruin and there is probably not much we can do about it until things begin to unravel in the heartlands of power and empire – New York, Moscow, Berlin, Paris, London, Beijing

On the periphery things are different. Here one can investigate possibilities for new forms of struggle, new organizational structures and processes, and new theoretical insights in situations of collapse, social unrest, discontent, mass action and the radical reinvention of the idea of community, commonality of struggle, alliance of interest, diversity, difference, anarchic flow. And most importantly, one can examine as they unfold new forms of decentralised power relation that respect a radicalised practice of democracy while remaining cool, creative and effective in battle.

Already on the periphery, Greeks of diverse interest and background have come together and said No. Greek radicals now have an opportunity to fuse theoretical enquiry and social practice by the extension of the process of subtraction which this No demands. One by one and in each area of economic and social life, neo-liberal ideological postulates could be publicly interrogated and subtracted from the body-politic. This might enable the social manifestation of that No as a further extension of liberatory possibility expressed in the re-aproapriation of the commons of the the excluded and the marginalised communities by the excluded and the marginalised and the rejuvenation of those traditional organizations of worker struggle which remain intact.

Der Beitrag Yet again: No. erschien zuerst auf non.

Is Austerity Winning the Argument on Euro-Zone Recovery?

$
0
0

29547170,31142009,dmFlashTeaserRes,PON_20150111_107

Der Krisendiskurs der Neoliberalismus ist verzweigt. Heute ist der schnell wachsende Einfluss des finanziellen Kapitals - seiner Strategien und Institutionen, seiner Marktmechanismen und Machttechnologien - auf die staatliche Souveränität und ihre diversen Regierungsformen kaum noch zu übersehen. Gerade in der Finanzkrise 2007f. wurde der Ratschlag Milton Friedmans allzu gerne beherzigt, die Krise als eine Chance zur Realisierung des politisch Unbequemen zu ergreifen, die gerade in der weiteren Forcierung der Marktorientierung der staatlichen Politiken besteht, die mit der Ausgliederung öffentlicher Aufgaben, der Vervielfältigung öffentlich-privater Unternehmen und der Privatisierung öffentlicher Infrastrukturen weiter vorangetrieben wird.Die Krise ist nicht nur das Resultat ökonomischer Konjunkturzyklen, sondern Teil der Restrukturierung der Kapitalakkumulation, der Entwertung von Geldkapital und der Abstoßung veralteter Technologien.

Zugleich ist der Krisendiskurs eine Regierungstechnik, eine politische Methode der Verwaltung der Bevölkerung, die permanent in Paniklaune gehalten werden soll, und dies durch die Umstrukturierung ihrer Lebensbedingungen. Das Unsichtbare Komitee schreibt dazu: "Auf den Alltag übertragen, ähnelt dies der bekannten Praxis der Aufstandsbekämpfung durch »Stabilisierung mittels Destabilisierung«, in der die Macht absichtlich Chaos provoziert, damit die Ordnung wünschenswerter erscheint als die Revolution. Ob im Mikromanagement oder in der Verwaltung ganzer Länder, die Bevölkerung wird in einer Art von permanentem Schockzustand gehalten, der sprachlos macht und Verlassenheitsgefühle weckt, woraufhin man mit jedem Einzelnen nahezu alles machen kann, was man will. Die Massendepression, die die Griechen gegenwärtig befallen hat, ist das gewollte Ergebnis der Politik der Troika und nicht ihre Begleiterscheinung. ...Was wir erleben, ist nicht eine Krise des Kapitalismus, sondern im Gegenteil der Triumph des Kapitalismus der Krise. »Die Krise« bedeutet, dass die Regierung wächst. Sie ist zur Ultima Ratio dessen geworden, was regiert. ..Die gegenwärtige Krise verspricht nichts mehr; sie neigt ganz im Gegenteil dazu, die Regierenden von jeder Beschränkung hinsichtlich ihrer Wahl der angewandten Mittel zu befreien."

Das "No" vieler Griechen war ein erstes Zeichen der Depression zu widerstehen.

Achim Szepanski

 

John Milios

1. Austerity constitutes the keystone of neoliberal policies. On the surface, it appears as a strategy of reducing entrepreneurial cost. Austerity reduces the labour cost of the private sector, increases profit per (labour) unit cost and thereon boosts the profit rate. It is complemented by economy in the use of “material capital” and by institutional changes that on the one hand enhance capital mobility and competition and on the other strengthen the power of managers in the enterprise and bondholders in society. As regards fiscal consolidation, austerity gives priority to budget cuts over public revenue, reducing taxes on capital and downsizing the welfare state.

2. However, what is cost for the capitalist class is the living standard of the working majority of society. This applies also to the welfare state, whose services can be perceived as a form of “social wage”.

3. It is clear then that austerity is first and above a class policy: It constantly promotes the interests of capital against those of the workers, professionals, pensioners, and other vulnerable groups. On the long run it aims at creating a model of labour with fewer rights and less social protection, with low and flexible wages and the absence of any meaningful bargaining power.

4. The institutional arrangement of the Euro-Zone, with the ECB being deprived the power of a lender of last resort, deliberately reinforces neoliberal policies. Member states will not always have the necessary liquidity to pay off bondholders. This will make the downsizing of the Welfare State a precondition for financial solvency. The ruling European elites have thus voluntarily subjected themselves to a high degree of sovereign default risk in orderto consolidate the neoliberal strategies. In other words, they have jointly decided to exploit the crisis as a means to further neo-liberalize state governance.

From the above theses becomes apparent that austerity wins the argument with the mainstream mass-media and intellectuals who support the class views and interests of the ruling elites. However, it can hardly win the argument with the working majority, even not in marginal conjunctures of crisis, when the elites portray any alternative to neoliberalism as a “disaster”.

The working majority will always be opposed to shrinking wages and precarious employment, to degeneration and cut-back of public services, raising the cost of education and healthcare, weakening of democratic institutions, strengthening of repression. They will always conceive the “crisis of labour” (i.e. unemployment, precarious and underpaid work etc.) as a social illness that shall be tackled by itself, not as a side effect of the recovery of profits.

The inner workings of an enterprise constitute a battlefield between antagonistic interests. As Karl Marx commented on the limits of the working-day: “The capitalist maintains his rights as a purchaser when he tries to make the working-day as long as possible […] On the other hand, […] the labourer maintains his right as seller when he wishes to reduce the working-day to one of definite normal duration. There is here therefore an antinomy, of right against right, both equally bearing the seal of the law of exchange. Between equal rights force decides” (Capital. Vol. 1, Penguin Classics, p. 344).

The continuation of austerity is a matter of the social relation of forces. If austerity persists, the European ‘welfare model’ will be remembered as a bad joke.

Beyond certain limits, the subjection of all parts of social life to the unfettered function of markets and the dictate of profitability may function as “political risk” for the neoliberal establishment, since it can easily trigger uncontrolled social outbreaks. As Franklin D. Roosevelt stated in his speech at Madison Square Garden, New York City on October 31, 1936: “We know now that Government by organized money is just as dangerous as Government by organized mob”.

From historical experience we know that an alternative to austerity and neoliberalism does exist. The European social model must and can be re-founded, social needs must gain priority over “organized money”!

Der Beitrag Is Austerity Winning the Argument on Euro-Zone Recovery? erschien zuerst auf non.

Alternativlos

$
0
0

oxi 2

11.7.15: Die Frage war nicht, ob Ja oder Nein, die Antwort war klar: eine Alternative besteht nicht. Ja oder Nein führt zum gleichen Ergebnis. Nichts kann diese Tatsache besser illustrieren, als die letzten Tage in Griechenland.

Am 25.6. präsentiert die EU-Kommission Griechenland ein Papier zur Lösung der Krise. Daraufhin verkündet die griechische Regierung, dass am 5.7. ein Referendum gehalten werde, um der Regierung ein Mandat zu geben, diesen Vorschlag entweder abzulehnen oder zustimmen. Die Frage des Referendums lautet wie folgt:

Soll der von der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds der Eurogruppe am 25. Juni vorgelegte Entwurf […] angenommen werden? (vgl. Text)

Die Antwort der Griechen ist mit fast 2/3 der Stimmen ein Nein.

Am vergangen Donnerstag dem 9.7. präsentiert die griechische Regierung den so genannten Institutionen einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen, der dem Papier vom 25.6. fast vollständig  gleicht. Tsipras räumt gestern ein, dass das Papier nur "marginal besser" ist als dasjenige vom 25.6. Nun meldet Reuters heute am 11.7., nachdem im griechischen Parlament über diese Papier abgestimmt wurde:

Das griechische Parlament hat am frühen Samstagmorgen der Regierung die Vollmacht erteilt, über weitere Spar- und Reformmaßnahmen mit den Gläubigern zu verhandeln und eine Einigung zu unterzeichnen.

Die Regierung Tsipras hat also, auf ihre Frage hin, ob man besagtes Papier annehmen solle, eine eindeutige ablehnende Antwort erhalten, verhandelt aber nun auf Basis eben dieses Papiers weiter, um eine Einigung zu erzielen – wobei die Institutionen zur genüge klar gemacht haben, dass sie keine Deut nachgeben werden. Das Volk sagt nein, die Regierung macht trotzdem weiter. Nun aber – als ob es nicht schon genug der Absurdität wäre – mit den Stimmen der Opposition, weil es innerhalb der Syriza Gegenstimmen und Enthaltungen gab.

Stathis Kouvelakis kommentiert das Geschehen wie folgt:

Der Eindruck, man habe es hier mit einem absurden Schauspiel zu tun, ist nicht einfach nur der Effekt eines unerwarteten Wendung des Geschehens. Er entsteht vor allem daraus, dass sich dies alles in einer Weise direkt vor unseren Augen abspielt, als sei nichts geschehen, als ob es das Referendum eine Art kollektiver Halluzination gewesen sei, die sich plötzlich in Luft aufgelöst hat und die uns zurück lässt, als ob wir einfach so fortfahren könnten wie vorher. (org. Text, meine Übers.)

Das "absurde Schauspiel direkt vor unseren Augen" ist der Wahn, der auf diesem Blog am 5.7. angesprochen wurde und dem eine absolute Absage erteilt werden muss. Es geht nicht mehr um eine Alternative in einem demokratischen Prozedere. Es geht um die totale Absage. Allerdings nicht nur einem Parlamentarismus gegenüber, der sich einen Dreck um den Willen des Volkes schert, sondern auch jeglichen linken Alternativen  gegenüber – den reformerischen wie auch den so genannten radikalen. Es geht, im Sinne Foucaults, um eine grundsätzliche Absage der Episteme gegenüber, in der wir zu leben gezwungen sind und von dem Linke in allen Varianten Teil sind. Es geht hier vor allem um eine andere Generation, auf die man derzeit nur hoffen kann, denn alles hat versagt.

Franco 'Bifo' Berardi macht es mit einem Satz klar: "Es ist unmöglich sich aus einer rein finanzpolitischen Falle mit politischen Mitteln zu befreien." Seine Auffassung bündelt er am 29.6. zu einem einzigen bissigen Statement. Was dabei die Linke angeht, ist sein Urteil eindeutig:

Wir – die Linke, die Intellektuellen, die Universität, diejenigen, die dafür verantwortlich gewesen wären, die Rückkehr der Pest nach Europa zu verhindern – wir sind verantwortlich.

Was er mit Pest meint, macht er klar, indem er sagt, dass Europa heut so geeint ist wie 1941. Und er macht die Linke für die Rückkehr dieser Pest verantwortlich – eine zerstrittene, sich atomisierende Linke, eine die in dieser Atomisierung sich in immer kleinere Einheiten, die gleichzeitig um so voluminösere Theoriegebäude erdenkt, auflöst, während um sie herum sich der neoliberale Fraß ungezügelt ausbreiten kann. Eine Linke die in ihrer Atomisierung exakt neoliberalen Ansprüchen an das Subjekt folgt. Neben allem anderen gilt das absolute Nein auch dieser Linken, die lediglich eine weitere ScheinAlternative innerhalb der allgemeinen Alternativlosigkeit bedeutet.

Das Desaster ist komplett. Bifo:

Die realistischste Konsequenz aus dieser Geschichte [aus der Pest in Europa und aus dem Versagen der Linken] ist der Krieg. Ein Bürgerkrieg der nicht nur an den südlichen Grenzen herauf zieht, da wo die Leichen in der See treiben, oder an den östlichen Grenzen wo Putin gerade 40 Nuklearsprengköpfe neuester Generation auffährt, nein, der heraufziehende Bürgerkrieg wird auch an der italienisch-französischen Grenze sichtbar, am Bahnhof von Mailand und in Hunderten von europäischen Städten in denen sich nationalistischer Hass organisiert.

(...und jeder kann sich die italienischen Gegebenheiten an seine Lokalität anpassen...) Was diesen Krieg angeht, so ist erhellend, was Varoufakis gestern im Guardian zu sagen hatte. Er betont, dass Deutschland Griechenland schon lange aus der EU raus haben will – um Frankreich unter Kontrolle zu bekommen. Es lohnt sich, auf Basis dieser Beurteilung, noch ein wenig weiter zu spekulieren.

Die westliche Wertegemeinschaft hat es weit gebracht in der Erzeugung so genannter Failed States. Von Zentralafrika haben diese sich inzwischen bis an das südliche Mittelmeer ausgebreitet – wobei Ägypten und Tunesien die nächsten Kandidaten sind. Wie es östlich der Levante aussieht, wissen wir. Hier gibt es inzwischen nicht nur weite Landstriche, in denen jegliche Regierung versagt, sondern mit dem IS inzwischen auch eine Kraft, der unsere Alternativlosigkeit nichts mehr entgegensetzen kann. Vor diesem Hintergrund, ist es nur folgerichtig, wenn sich die EU langfristig konsolidiert und toxischen Ballast in Form von überschuldeten Nationen, die noch dazu linke oder gar offen sozialistische Regierungen wählen, entledigt. Somit wäre ein Grexit auch ein langfristiger strategischer Akt der EU. Die Pest, die Europa vereint, kann es sich nicht erlauben, systemgefährdende Regierungen zu dulden. Der Ruf nach eine allgemeinen Formel für den Rauswurf aus der EU, der derzeit auch erklingt, ist  in dieser Hinsicht logisch.

Das sind die Verhältnisse. Wer geglaubt hat, mit Syriza bahne sich eine politische Wende in Europa an, sieht sich getäuscht – durch eine Selbsttäuschung, denn das System ist alternativlos. Was in Umrissen aber auch immer deutlicher wird, ist, wie das System beginnt, sich gegen eine drohenden allgemeinen Zerfall zu wappnen – gegen einen Zerfall der aus seiner systematischen jahrhundertelangen zerstörerischen Tätigkeit resultiert.

Die Frage ist, wie lange man das noch vorgeführt bekommen muss, bevor man aus dieser Alternativlosigkeit aussteigt und wirklich Nein sagt?!

Der Beitrag Alternativlos erschien zuerst auf non.

Guy Debord: Beyond the Society of The Spectacle

$
0
0

1236160_10202028107767121_860627156_n

Yet, let us add that the accumulated capital is that of the Subject who has become a total image, immersed in a world of information where reality is nothing but a copy of copies. One of the first texts to begin a critique of representationalism, of the production of reality out of images: a world where Plato’s Cave becomes our only reality, but one that is itself inverted, one in which the shadows on the wall vanish into the wall and we follow them into the darkness. This is the Society of the Spectacle. Sitting here at my desktop peering into the screen of my computer, or momentarily lifting my iPhone and peering at the face of my young daughter as she talks to me from a city hundreds of miles away I realize this is our reality now. We’ve all vanished into the screens of an unreal world and come back out and let the screens follow us into our world.

“But a critique that grasps the spectacle’s essential character reveals it to be a visible negation of life — a negation that has taken on a visible form.”1 Yes, it has, yet we no longer realize it as a negation of life – instead, it is our life, our reality; we’ve become immersed 24/7 in information, it follows us everywhere now rather than us following it. The shadows are alive now, it is only us that exist in stasis, a simulated image turning in a void; our actual selves have become data – roaming beyond us in the onlife worlds we once inhabited as passive onlookers. The tools of this immersive process are no longer separate from us – as in Debord, but surround us on all sides even as we move through the world.

Debord lived in the age of television, in a media age of print and electronic media as monolithic and bound to specific encapsulations. People now move with the dataflows, follow their trails in work, play, and sleep. We are never without this new sheath of information that wraps us in its cocoon like an agent of light without reflection. For Debord the spectacle presented itself as a vast inaccessible reality that can never be questioned. Its sole message is: “What appears is good; what is good appears.” The passive acceptance it demands is already effectively imposed by its monopoly of appearances, its manner of appearing without allowing any reply.(KL 475)

Ours is an inverse relation to this. We live in the appearance of appearances, we are no longer passive in regard to information: we are information, inforgs or information organisms (Floridi) that actively pursue the life of images as producers rather than consumers. Many of us have become knowledge-workers or part of that new class termed the cognitariat. Others live in the lesser worlds of the precariat, the service worlds of older forms of economic slavery, shifting with the shadows of older forms of work and bound to a precarious world where they are become more and more marginalized as machines replace them year by year.

Yet, Debord was correct when he said that the spectacle aims at nothing other than itself. (KL 488) In a world where the appearance of appearances is the only reality there is no sense of the physical only the immaterial sign that tracks itself in the spectacle is true and substantial. One is nothing but data now, therefore one’s physical embodiment means nothing to the spectacle: only one’s data counts as appearance of appearance – this is your true body now, a data-body floating among the onlife worlds as a transactional commodity for the spectacle’s consumption. You are no longer a consumer: you are what is consumed. Your dividual or affective relations as data are consumed by thousands of economic machines daily as part of the spectacles mapping and tracking programs. What these systems know is your desires, your affective relations, your dividuality. They use that to market you and consume you.

Debord’s belief in the individual has also vanished: “Individual reality is allowed to appear only if it is not actually real.” (KL 505) Nothing is real, everything is real. The individual has become a dividual (Deleuze):

The affect is impersonal and is distinct from every individual State of things: it is none the less singular, and can enter into singular combinations and conjunctions with other affects. The affect is indivisible and without parts; but the singular combinations that it forms with other affects form in turn an indivisible quality, which will only be divided by changing the quality quantitatively (the ‘dividual’). The affect is independent of all determinate space-time; but it is none the less created in a history which produces it as the expressed and the expression of a space or a time, of an epoch or a milieu (this is why the affect is the ‘new’ and new affects are ceaselessly created, notably by the work of art).2

The dividual as affective relations is produced by the spectacle-machine: an image, a part-object – a data-being that is both mobile and dispersed in the networks of global data; but since there is no inside or outside (i.e., the presence/absence dichotomies of metonymy) to the online world of the inforg we’ve merged with the spectacle beyond recognition as appearance. Our bodies continue to be dispersed among the security spaces of the neoliberal order, but those are only the entrapments of our onlife self: the commoditized mobile carrier of our data packets. Only the dividual matters not the body that carries it. As Debord says:

When the real world is transformed into mere images, mere images become real beings — dynamic figments that provide the direct motivations for a hypnotic behavior. (KL 508)

We are our images not the other way round. We are Plato’s world magnified: codified Ideas that have been copied into copies and let loose upon the global datastream. This is why bodies have such difficulties with identity theft: your real being is an image, a dividual that is no longer under your control; and, even, more it has its own life beyond you. Like any other life form it is open to vulnerability, hacking, pirating, manipulation, and theft: it can turn your body into a criminal tool, or take from your body any and all property. There is no security anymore. You are nothing more than a blip on the insecure screen of life.

You are nothing but Subject-as-data. The securitization of one’s onlife life is first and foremost a 24/7 project. One’s alienated being roams beyond you like a dark twin who is up to no good. Yet, as Debord will remind us: “The spectacle is the bad dream of a modern society in chains and ultimately expresses nothing more than its wish for sleep. The spectacle is the guardian of that sleep.” (KL 531) But there is no sleep in our mobile spectacle, only vigilance: permanent paranoia. One can always lose one’s identity and one’s life to an other.

When Debord suborned the mediatization of reality to a bureaucratic form he did not know it would become what it is now: we no longer need administrators who channel and concentrate power in some objective form, rather we have internalized these forms of power and administrate ourselves. When he said that the “social separation reflected in the spectacle is inseparable from the modern state — the product of the social division of labor that is both the chief instrument of class rule and the concentrated expression of all social divisions” (KL 551), he did not see that in our information age power would be dispersed within the networks invisibly shaping our desires through other means. The normalization of this mode of command and control has become ubiquitous and invisible; reversible: we enter it and it enters us – we are shaped even as we shape. The feedback loops are continuous and have no horizon nor hierarchical organization.

Whereas for Debord the general separation of worker and product tends to eliminate any direct personal communication between the producers and any comprehensive sense of what they are producing. (KL 574) In our age there is instead total immersion between worker and product, and communication has cut the manager out of the equation to the point that what is produced is the user herself as dividual, as affect in the spectacle.

He spoke of there being no freedom apart from activity,

and within the spectacle activity is nullified — all real activity having been forcibly channeled into the global construction of the spectacle. Thus, what is referred to as a “liberation from work,” namely the modern increase in leisure time, is neither a liberation of work itself nor a liberation from the world shaped by this kind of work. None of the activity stolen by work can be regained by submitting to what that work has produced. (KL 584)

In our time the construction is complete, and we are onlife 24/7. There is no separation between work and leisure: one is always working even in leisure. One’s dividual life and one’s bodily life are both commodities in a surplus-value regime that never ends until death. And even in death one’s artificial immortal life goes on as part of the spectacle of global capitalism. Data is never lost only degraded.

One could say that our age is not so much the Society of the Spectacle, as it is the Society of the Immersion: we’ve become immersed in images to the point that we are images. There is no separation as in Debord. We have entered our images as appearance: it is the image, not us that is real in this world of immersion. Only signs are real, not bodies. Yet, it is our bodies that carry the signs and are still paraded before the humiliation of the Law and State.

1. Debord, Guy (2011-03-15). Society of the Spectacle (Kindle Locations 464-466). Soul Bay Press. Kindle Edition.
2. Colebrook, Claire; Colebrook, Claire (2013-05-13). Gilles Deleuze (Routledge Critical Thinkers) (p. 61). Taylor and Francis. Kindle Edition.

taken from "dark ecologies"

blog "dark ecologies"  here

Der Beitrag Guy Debord: Beyond the Society of The Spectacle erschien zuerst auf non.


Der philosophische Politizismus ist die Kinderkrankheit des Kommunismus

$
0
0

Gemeinschaft 2

Vertreter der linken  Syriza Plattform wie Kouvelakis machen sich nun über Varoufakis lustig, weil er in den Verhandlungen in Brüssel die alberne Idee verfolgt hätte, gegenüber der stahlharten Machtpolitik mit ökonomischer Theorie sprich Argumenten glänzen zu wollen. Es mag ja richtig sein, dass der Linkskeynesianer Varoufakis noch von einem Rest Aufklärungswillen und -vernunft getrieben war. Aber was heißt denn dann heute bitte linke Realpolitik? Von einer Katastrophe in die nächste zu schlittern? Über die Tragödien und die Farce des Leninismus/Reformismus brauchen wir nicht zu sprechen, es hilft da auch die xte Erneuerungsdebatte wie "Lenin Reloaded" nicht weiter. Der unbeirrbare Politizismus, den die Linke seit nun dreißig Jahren verfolgt, kassiert gerade in Griechenland die nächste Niederlage. Hätte man, anstatt Verhandlungen und x Debatten zu führen, die intellektuelle Power nur ansatzweise in ökonomische Übergangsprogramme und Fragen ihrer Durchsetzung verschwendet, wie sie bspw. von Milios und Varoufakis in ganz unterschiedlicher Weise vorgebracht wurden, dann sähe die Lage heute in Griechenland etwas anders aus.

Ganz aktuell hat Milios seine Position hinsichtlich eines Konzepts zur Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit und zur stärkeren Besteuerung der Reichen noch einmal bekräftigt. Und Varoufakis hat in einem aktuellen Interview zur Frage, wie man der durch die EZB erzwungenen Schließung der Banken begegnen könne, folgendermaßen geantwortet: "Wir sollten unsere eigenen Schuldscheine ausgeben, oder zumindest verkünden, dass wir unsere eigene auf Euro lautende Liquidität herausgeben würden; wir sollten die griechischen Papiere von 2012, die die EZB hält, einem Schuldenschnitt unterwerfen oder zumindest verkünden, dass wir es tun würden; und wir sollten die Bank von Griechenland unter unsere Kontrolle bringen. Das war das Triptychon, die drei Dinge, mit denen wir meiner Meinung nach antworten sollten, wenn die EZB unsere Banken schließt."

Bezeichnend auch Varoufakis`Schilderung der Verhandlungen in Brüssel. Die Politik der herrschenden Eliten in der EU spielt damit, a) den Gegner immer am Laufen zu halten (die Einforderung von Daten), b) sich gegenüber jedem ökonomischen Argument taub zu stellen, und c) durch Ermüdungstaktiken ein Ja zu Forderungen zu erzwingen, die je nach Sachlage noch verschärft werden können. Es ist genau das, was Vogl in seinem neuen Buch "Souveränitätseffekte"als regulierten Staatsstreich bezeichnet hat, eine durchaus rationale Form des Regierens in schweren Zeiten, in Zeiten der Rezession.

Frederic Jameson liegt vollkommen recht, wenn er sagt, dass die Substitution der Ökonomie durch die Politik das übliche Mittel aller kapitalaffirmativen Angriffe auf den Marxismus war, das Lenken der Debatte von der Kapitalökonomie und ihren Exploitationen auf Freiheit, Sachzwang und politische Repräsentation. Der Marxismus war aber nicht unwachsam gegenüber solchen Angriffen, im Gegenteil, er hat im Zuge der Verwandlung der Politik in das Politische die Einladung der herrschenden Klassen, Politik zu betreiben, freudig angenommen. Begann es mit der Diskussion um die Doktrinen sozialistischer Politik und sozialer Gerechtigkeit, Reformismus versus Revolution, so sind die darauf folgenden Turns der akademischen Linken, political, cultural, spatial und gender, nur Wurmfortsätze jener Debatten. Der philosophische Politizismus, das ist die Kinderkrankheit des Kommunismus. (Wenn schon Politizismus, dann zumindest den der Raf. Radikaler Ökonomismus plus radikale Politik, das ist die Devise heute.)

Frederic Jameson hat in seinem Essay „Lenin und der Revisionismus“ vom Vorrang der Ökonomie im Marxismus als determinierend in der letzten Instanz gesprochen, was ihm schließlich seine Kraft und Originalität gäbe, und, wie Jameson darauf folgend resümiert, hätte mit den Schriften von Nicos Poulantzas definitiv eine Umkehr in der marxistischen Diskussion stattgefunden, insofern von nun an die signifikante Schwäche des Marxismus im strukturellen Mangel an politischer und rechtlicher Theorie ausgemacht worden sei. Und es gilt daran anschließend noch zu konstatieren, dass in der Nachfolge des Strukturalismus fast sämtliche linken Theorien des Politischen (ausgenommen vllt. die von Deleuze/Guattari) die Sprache als eine molare und hegemoniale Bedingung begreifen, als ein Transzendental, das der politischen Aktion und dem Subjekt vorausgeht und es auch übersteigt. Auch die ranciersche Erweiterung des Diskurses qua Affektpolitik verbleibt nochin diesem theoretischen Feld, wenn Ranciere etwa schreibt, dass das Soziale durch eine Serie von diskursiven Akten und den Rekonfigurationen eines perzeptiven Feldes konstituiert sei. Jameson beharrt hingegen darauf, dass der Marxismus in der Einheit von Theorie und Praxis ein völlig anderes Denksystem inhäriere (also noch jenseits der Theorien der Macht und des Politischen), dessen „Vernünftigkeit“ und radikale Kritikfähigkeit zugleich erst heute, wenn alles wieder ökonomisch werde, völlig zum Tragen komme. Jameson schreibt: „Derzeit ist klar, dass alles wieder ökonomisch ist, sogar im vulgären marxistischen Sinn.“ Es lässt sich heute oft an fünf Fingern abzählen, dass Konstellationen, die rein politische Fragen oder Fragen der Macht zu sein scheinen, transparent genug geworden sind, um die ökonomischen Konstellationen darin zu erkennen.Wenn heute private Schuldner und Staaten ohne wenn und aber den Forderungen der Gläubiger Folge zu leisten haben, dann kann man getrost davon ausgehen, dass die Austeritätspolitiken der neoliberalen Regime weniger auf politischen oder ideologischen Wahlmöglichkeiten beruhen, sondern »notwendige« monetär orientierte Lösungen sind (Lösungen, die allerdings das Problem im Unsichtbaren belassen).

Allerdings doggt Jameson hier an eine Argumentation an, wie sie Marx etwa in den Grundrissen vorgeführt hatte, wo er die Befürchtung, dass der Begriff der abstrakten Arbeit als organisierende Funktion von Aussagen ohne Referenten bleiben könne, mit dem Verweis auf die Empirie ausmerzt. War es in den Grundrissen der Reichtum der Arbeitsarten und die Tendenz zu ihrer zunehmenden Vereinfachung (Flexibilisierung würden wir heute sagen), welche historisch einen schnellen Wechsel von der einen in die andere Arbeit leicht und massenhaft auftreten und damit eine Gemeinsamkeit der Arbeiten auftauchen ließ, die zum Begriff der abstrakten Arbeit führt, so ist es für Jameson die Globalisierung bzw. Kapitalisierung, welche heute die allgemeine Struktur des Kapitals (und damit die Vernünftigkeit der marxschen Position) anzeigt.

Marx war in der Tat in seinen schlechten Momenten von der Befürchtung geplagt, dass der Begriff als organisierende Funktion von Aussagen bzw. die theoretische Repräsentation ohne einen wirklichen Referenten bleiben könne, sodass er die Empirie zum unhintergehbaren Referenten (bezüglich der abstrakten Arbeit, den leichten Wechsel von der einen Arbeitsart in die andere) machte. Weil Marx zudem die Gesellschaft als rational betrachtet, als eine rationale Totalität, die empirisch wirksam ist, kann sie ihre Spiegelung im Begriff hervorbringen. Daran hat anschließend haben Generationen von Marxisten den Fetisch der Fetischismustheorie aufrechterhalten, um konsequent jeden Ausweg aus dem Dilemma, wie diese Spiegelung denn überhaupt möglich sein soll, zu verbauen. Eine theoretische Praxis, die ihr Erkenntnisobjekt durch die Darstellung der verkehrten Erscheinungsformen – Ware-, Geld- und Kapitalform - und der darauf basierenden, quasi verkehrten Begriffe gewinnt (wobei es gleichgültig ist, ob die Realität die Begriffe bestimmt oder die Begriffe die Realität), und durch diese Darstellung hindurch zugleich immanente Kritik sein will -, diese theoretische Praxis muss die verkehrte Wirklichkeit als verkehrte offenbaren können, und dieser Schritt bedarf offensichtlich eines außergewöhnlichen oder enormen Bewusstseins, dem es gelingt, die Verkehrung und die sie explizierenden Wertformen in der Theorie zu dechiffrieren, um die reale Verkehrung als solche zu beschreiben/deduzieren, womit im Grunde genommen die theoretische Operation der Dechiffrierung nur die richtige Wiedergabe der Verkehrung in der Realität sein kann. Das Dilemma des Begrifflichen und des Politischen (als Fehler des Marxismus) ist damit nur kurz angerissen.

Man muss die Fehler als essenzielle Teile des Marxismus begreifen, man muss aber deswegen den Marxismus nicht ganz annulieren, sondern man sollte ihn wieder radikal in Bezug zur ökonomischen Instanz der Infrastruktur setzen. Es gibt in Marx nichts zu aktualisieren, seine Fehler sind seine Relevanz, und nur wenn man dies mit jeder singulären Kritik am Marxismus berücksichtigt, kommt es zu keiner spiegelbildlichen Doublette zwischen Marxismus und realität. Es ist sinnlos, den Marxismus zu verbessern, ihn zu reformieren oder zu re-philosophieren – insbesondere der philosophisch politizistische Marxismus muss für eine neue Zukunft der Theoriebildung nicht in die Basis re-integriert werden, sondern in eine Theorie gemäß der Basis; der Nicht-Marxismus behandelt den Marxismus als Material von Symptomen.

Der Beitrag Der philosophische Politizismus ist die Kinderkrankheit des Kommunismus erschien zuerst auf non.

Ενας απολογισμος της μετεξελιξης του ΣΥΡΙΖΑ με αυτοβιογραφικα στοιχεια

$
0
0

29547170,31142009,dmFlashTeaserRes,PON_20150111_107

Η συμφωνία της ελληνικής κυβέρνησης στη Σύνοδο Κορυφής της 12ης Ιουλίου 2015 εγκαινιάζει μια νέα φάση για την ελληνική κοινωνία, την Αριστερά και τον ΣΥΡΙΖΑ. Είναι σίγουρο, όπως συνομολογείται από πολλές μεριές, ότι «ο αγώνας συνεχίζεται». Μπορεί όμως ο αγώνας των λαϊκών τάξεων για βελτίωση της ζωής τους και αλλαγή της κοινωνίας να έχει ως κέντρο, ως «Γενικό Επιτελείο», μια κυβέρνηση που συνομολόγησε και υποχρεώνεται να υλοποιήσει το 3ο Μνημόνιο, δηλαδή ένα πρόγραμμα οικονομικών και κοινωνικών μετασχηματισμών ενταγμένο απόλυτα στο νεοφιλελεύθερο πλαίσιο εμπέδωσης των συμφερόντων του κεφαλαίου; Έχει περιθώρια μια τέτοια κυβέρνηση να ξεφύγει από το ασφυκτικό πλαίσιο της «συνέχειας» ενός κράτους, που επί πέντε χρόνια θεσμοθετεί ψαλιδίζοντας τα εισοδήματα της κοινωνικής πλειοψηφίας, διαλύοντας τους θεσμούς κοινωνικής προστασίας, ιδιωτικοποιώντας τα δημόσια αγαθά, καταστέλλοντας τα κοινωνικά κινήματα;

Και ποιο ρόλο μπορεί να παίξει το κόμμα του ΣΥΡΙΖΑ, της κύριας κυβερνητικής δύναμης μέχρι σήμερα;

Στα ερωτήματα αυτά απαιτούνται συλλογικές απαντήσεις. Προηγουμένως, ή μάλλον παράλληλα, θεωρώ ότι ένας απολογισμός για το πώς φτάσαμε έως εδώ, είναι πολλαπλά χρήσιμος.

1. Επιλογή θέσης μάχης

Όταν στις 29/12/2014 ο τότε Πρωθυπουργός Αντώνης Σαμαράς ανακοίνωσε ότι θα προκηρύξει βουλευτικές εκλογές (της 25/1/2015), επιδίωξα άμεση συνάντηση με τον Πρόεδρο του ΣΥΡΙΖΑ Αλέξη Τσίπρα και του ανακοίνωσα την απόφασή μου να μην είμαι υποψήφιος βουλευτής, αλλά ούτε και να αναλάβω θέση στην επερχόμενη κυβέρνηση του ΣΥΡΙΖΑ. Αμέσως μετά ενημέρωσα την Πολιτική Γραμματεία του Κόμματος, της οποίας ήμουν μέλος ως Υπεύθυνος Οικονομικής Πολιτικής, και προχώρησα σε μια σχετική δημόσια δήλωση.1 Εντούτοις, στις 26/1/2015 ο Πρόεδρος του Κόμματος και ήδη νέος πρωθυπουργός μου πρότεινε να αναλάβω χαρτοφυλάκιο αναπληρωτή υπουργού. Αρνήθηκα την τιμητική αυτή πρόταση, όπως και άλλες που ακολούθησαν, για τοποθέτησή μου σε διεθνείς Οργανισμούς.

Το ίδιο έπραξα και προ ολίγων ημερών, όταν μου προτάθηκε να αναλάβω θέση αναπληρωτή υπουργού εξωτερικών, μετά την απόφαση του Νίκου Χουντή να παραιτηθεί από μέλος της κυβέρνησης και βουλευτής, για να αναλάβει Ευρωβουλευτής, ύστερα από την παραίτηση από το Ευρωκοινοβούλιο του Μανώλη Γλέζου.

Η στάση που επέλεξα, ήδη από τα μέσα του 2014, και την οποία διατηρώ μέχρι σήμερα, στηρίζεται σε δύο διαπιστώσεις και μια εκτίμηση:

α) Η πρώτη διαπίστωση είναι ότι μετά το 2012 και ιδίως μετά τις Ευρωεκλογές του 2014 ο ΣΥΡΙΖΑ έχει υιοθετήσει μια στρατηγική «ιστορικού συμβιβασμού», δηλαδή ασκεί πολιτική στο πνεύμα ενός κόμματος και μιας κυβέρνησης «εθνικής ενότητας»: Εξομάλυνση και άμβλυνση των κοινωνικών αντιθέσεων, με «κοινό για όλους» «εθνικό στόχο» την ανάπτυξη της ελληνικής καπιταλιστικής οικονομίας (καπιταλιστική ανάπτυξη που κατ’ ευφημισμό ονομάζεται «παραγωγική ανασυγκρότηση») και την προστασία των θυμάτων εκείνων των μνημονιακών πολιτικών, που βρέθηκαν σε συνθήκες ακραίας φτώχειας («αντιμετώπιση ανθρωπιστικής κρίσης»).

β) Η δεύτερη διαπίστωση είναι ότι η στρατηγική του «ιστορικού συμβιβασμού», δηλαδή η αντίληψη τελικά πως η Ελλάδα μετά την κρίση του 2008 μπορεί να κυβερνηθεί με τον προκρισιακό τρόπο, αποτελεί αυταπάτη, που συνέπειά της μπορεί να είναι μόνο η ήττα της αριστερής στρατηγικής και ο μετασχηματισμός της Αριστεράς σε καθεστωτική δύναμη. Διότι η κρίση ανέδειξε ως μοναδική στρατηγική των κυρίαρχων κεφαλαιοκρατικών τάξεων τη λιτότητα και τη διάλυση του κοινωνικού κράτους, πράγμα που σημαίνει ότι η αριστερή πολιτική μπορεί να είναι μόνο συγκρουσιακή, πολιτική ρήξεων με το κεφάλαιο, πολιτική αναδιανομής υπέρ της εργασίας: Αναδιανομής πλούτου, εισοδήματος και ισχύος (συνδικαλιστικά δικαιώματα, δημοκρατικοί θεσμοί, πλαίσιο συνεργατικής-αλληλέγγυας αναδιοργάνωσης τομέων της οικονομίας, κλπ.).

γ) Η εκτίμηση είναι ότι σαν αποτέλεσμα της στροφής του ΣΥΡΙΖΑ προς τον «ιστορικό συμβιβασμό», η πλέον πρόσφορη στάση για τον μέχρι τη στιγμή εκείνη Υπεύθυνο Οικονομικής Πολιτικής του Κόμματος ήταν να συμβολοποιήσει με την απουσία του από τη Βουλή και την κυβέρνηση το πρόβλημα: Διατηρώντας την ανεξαρτησία μου από την κυβερνητική εξουσία, να ασκήσω ανοικτά την εποικοδομητική εκείνη κριτική, που μέσα από τις εσωκομματικές διαδικασίες αλλά και τον δημόσιο διάλογο θα συμβάλλει στην αλλαγή πορείας: Για την αφύπνιση του ριζοσπαστικού δυναμικού που περιέχει ο ΣΥΡΙΖΑ, για την επαναφορά της απολύτως απαραίτητης κοινωνικής μεροληψίας που πρέπει να περιέχει η πολιτική της Αριστεράς: Υπεράσπιση των συμφερόντων της εργασίας και της κοινωνικής πλειοψηφίας, σε σύγκρουση με τα συμφέροντα του κεφαλαίου, σε έναν κοινωνικό πόλεμο που έτσι κι αλλιώς μαίνεται αδυσώπητος, ιδιαίτερα μετά το 2010.2

2. Ιδεολογική και πολιτική παρέμβαση για αλλαγή πορείας

Ήδη στις 9/6/2014, σε άρθρο που συνυπογράφαμε με τον Σπύρο Λαπατσιώρα3 επισημαίναμε μεταξύ άλλων:

«Μετά τις εκλογές του 2012, υιοθετήθηκε μία στρατηγική που [… χαρακτηρίζεται από] τη σχετική υποχώρηση του αιτήματος για αναδιανομή / “να πληρώσουν οι πλούσιοι , ως οργανωτικού στοιχείου του λόγου του ΣΥΡΙΖΑ, υπέρ του αιτήματος για “παραγωγική ανασυγκρότηση ως κύριου οργανωτικού στοιχείου. Η μετατόπιση αυτή αντανακλά επίσης την προσπάθεια διεύρυνσης των κοινωνικών συμμαχιών προς τμήματα του επιχειρηματικού κόσμου που έχουν πληγεί από την κρίση […] Μια υποχώρηση του ΣΥΡΙΖΑ μπροστά στη δύναμη του συστήματος, ειδικά στις σημερινές συνθήκες, θα άφηνε τη δυνατότητα να καταστεί δύναμη διακυβέρνησης μόνο με βάση την απελπισία (και όχι την ελπίδα ή πολύ περισσότερο τη συστράτευση) των κατώτερων τάξεων – και αυτό δεν πάει πολύ μακριά. […] Η Αριστερά δεν έχει κανένα λόγο να επιχειρήσει μία φυγή από το κοινωνικό πρόβλημα και την αυξανόμενη κοινωνική πόλωση. Δεν έχει κανένα λόγο να επικαλείται τον πατριωτισμό για να συσσωρεύει ένα ανεξόφλητο κοινωνικό χρέος, όπως έκανε σε προηγούμενες δεκαετίες το ΠΑΣΟΚ. […] Απαιτείται το κόμμα να οργανώσει τις αντιστάσεις της κοινωνίας, να ανοιχτεί στα στρώματα που πλήττονται, προτάσσοντας την αναδιανομή υπέρ των πολλών και οργανώνοντας τα λαϊκά αιτήματα γύρω από αυτόν τον πυρήνα, μετασχηματίζοντας τις διεκδικήσεις σε ένα πρόγραμμα αλλαγής της ελληνικής κοινωνίας».

Λίγες μέρες αργότερα, στην τοποθέτησή μου στην Κεντρική Επιτροπή του ΣΥΡΙΖΑ (21/6/2014), επισήμανα ότι το κρίσιμο ζήτημα της περιόδου που σηματοδοτεί τη στροφή του ΣΥΡΙΖΑ προς τον «ιστορικό συμβιβασμό», δηλαδή επιταχύνει τη συστημική μετάλλαξη της πολιτικής του, είναι η προσέγγιση με τις δυνάμεις της Κεντροαριστεράς και ιδιαίτερα με τη «μνημονιακή» ΔΗΜΑΡ.

Μια συμμαχία με τη ΔΗΜΑΡ θα λειτουργούσε ως άλλοθι για την απεμπόλιση του ριζοσπαστικού Προγράμματος του ΣΥΡΙΖΑ, στο όνομα μιας «συμφωνίας εθνικού χαρακτήρα με ευρωπαϊκό προσανατολισμό» (Δ. Βίτσας, Γραμματέας ΣΥΡΙΖΑ, 3/10/2014, Χαιρετισμός στο Συνέδριο της ΔΗΜΑΡ4 ). Για τον λόγο αυτό καταψήφισα (μαζί με τον Σπύρο Λαπατσιώρα) την Απόφαση της Κεντρικής Επιτροπής. Στην ομιλία μου στην Κεντρική Επιτροπή επισήμαινα:

«Σήμερα καλούμαστε να ψηφίσουμε ένα κείμενο που αποτιμά την πολιτική μας και επαναφέρει άξονες των προγραμματικών μας θέσεων. Αν το ζήτημα ήταν αυστηρά το κείμενο αυτό, δεν θα είχα λόγους να μην το ψηφίσω. Δυστυχώς όμως το κείμενο δεν αντιστοιχεί στο γενικότερο μήνυμα που εκπέμπουμε προς την κοινωνία […] μου είναι αδύνατο να το υποστηρίξω, διότι θα ήταν σαν να εθελοτυφλώ μπροστά στον κίνδυνο που βρίσκεται μπροστά μας, να χάσουμε το στοίχημα της ανατροπής.

[…] Εμείς είμαστε αυτοί που μιλούν για την ανατροπή της λιτότητας και της κοινωνικής καταστροφής, όχι για μια μικρή διόρθωσή τους, με διατήρηση όσων κεκτημένων εξασφάλισαν οι κυρίαρχες τάξεις επί δεκαετίες και ιδίως τα τέσσερα τελευταία χρόνια […] Για μας η εξουσία είναι απλώς μέσο, για να έρθουν στο προσκήνιο τα συμφέροντα της κοινωνικής πλειοψηφίας, για μια κοινωνία και οικονομία των κοινωνικών αναγκών […] Όταν […] μιλάς για δήθεν συμμαχίες με τα φιλομνημονιακά κόμματα και πρόσωπα, […] είναι σαν να λες στο ακροατήριό σου: Δεν γίνεται να εφαρμοστούν οι αλλαγές που ευαγγελιζόμαστε εμείς, γι’ αυτό φρενάρουμε».5

Καίτοι η προσέγγιση με τη ΔΗΜΑΡ δεν προχώρησε, λόγω αφενός της εκλογικής εξαφάνισης του κόμματος αυτού στις Ευρωεκλογές και αφετέρου, ιδίως, λόγω των αντιστάσεων εκ μέρους της μεγάλης πλειοψηφίας των στελεχών και μελών του ΣΥΡΙΖΑ, εντούτοις η στρατηγική του «ιστορικού συμβιβασμού» παρέμεινε και εκφράστηκε ποικιλοτρόπως, μεταξύ άλλων με τα πρόσωπα που επιλέχθηκαν, πολύ χρόνο πριν τις εκλογές της 25ης Ιανουαρίου, για να στελεχώσουν κρίσιμες υπουργικές και άλλες θέσεις της οικονομικής πολιτικής στην επερχόμενη κυβέρνηση ΣΥΡΙΖΑ.

Εντούτοις, και αυτό είναι το σημαντικό, η επιλογή των προσώπων δεν έπαιξε ιδιαίτερα σημαντικό ρόλο, καθώς δεν ήταν η αιτία αλλά το αποτέλεσμα και το σύμπτωμα της μεταστροφής προς τον ιστορικό συμβιβασμό. Η παραγκώνιση των ομάδων εργασίας του Κόμματος και της δουλειάς τους, η αγνόηση των επεξεργασιών και προτάσεων του Τμήματος Οικονομικής Πολιτικής κλπ., δεν συνιστούν παρά υλοποίηση της στρατηγικής του «ιστορικού συμβιβασμού» προς την οποία είχε προσανατολιστεί το επιτελείο του Προέδρου του ΣΥΡΙΖΑ, και προπάντων ο σημερινός αντιπρόεδρος της κυβέρνησης, ως επικεφαλής του «κυβερνητικού Προγράμματος» του ΣΥΡΙΖΑ, πολύ καιρό πριν την 25η Ιανουαρίου.

Η παγίωση αυτής της πορείας με οδήγησαν στο να υιοθετήσω τη συγκεκριμένη «επιλογή θέσης μάχης» που περιέγραψα στην προηγούμενη ενότητα αυτού του κειμένου: Να παραμείνω εκτός Βουλής και Κυβέρνησης.

Παρά την κριτική μου προς την πορεία του ΣΥΡΙΖΑ μέσα στις εσωκομματικές διαδικασίες ή σε θεωρητικά και πολιτικά κείμενα ή συγκεντρώσεις οργανώσεων και πρωτοβουλιών του ΣΥΡΙΖΑ, συνέχιζα να εμφανίζομαι στα ΜΜΕ (τηλεοράσεις, ραδιόφωνα και σχετικές ιστοσελίδες), όπου έκανα ό, τι έχει την υποχρέωση να κάνει κάθε στέλεχος του ΣΥΡΙΖΑ που εμφανίζεται στα ΜΜΕ: Υπερασπιζόμουν την επίσημη γραμμή του ΣΥΡΙΖΑ, όποια κι αν ήταν αυτή.

Στα ΜΜΕ έπαψα να εμφανίζομαι μετά τη Συμφωνία της 20ής Φεβρουαρίου 2015, όταν πλέον μου ήταν αδύνατο να υπερασπιστώ την ήδη προδιαγεγραμμένη πορεία προς αυτό που έχουμε σήμερα, το 3ο Μνημόνιο (βλ. στα επόμενα).

Μετά την 20ή Φεβρουαρίου έδωσα πλέον όλο το βάρος των παρεμβάσεών μου στο να δείξω στους συντρόφους μου ότι απαιτείται άμεσα μια ριζική αλλαγή πορείας, πριν εξαντληθούν όλοι οι πόροι του ελληνικού Δημοσίου αλλά και οι αντοχές της κοινωνικής πλειοψηφίας που μας στήριζαν. Σε θεωρητικό επίπεδο επιχειρηματολογούσα ότι τα Μνημόνια δεν αποτελούν «λάθος πολιτική», αλλά πολιτική αντιλαϊκή: Τα μνημόνια συμπυκνώνουν τις κομβικές επιλογές των κυρίαρχων τάξεων, της ολιγαρχίας, αλλάζουν βιαίως την κοινωνία και επιβάλλουν ένα νέο κοινωνικό καθεστώς παντοκρατορίας του κεφαλαίου και των αγορών.

Την ανάλυση αυτή εμβάθυνα με σειρά μελετών και άρθρων στα οποία θεμελίωσα την άποψη ότι η λιτότητα αποτελεί την πλέον προσήκουσα πολιτική για την αντιμετώπιση της πτώσης της κεφαλαιακής κερδοφορίας (της «κρίσης του κεφαλαίου»), καθώς αποτελεί συνιστώσα της ευρύτερης στρατηγικής για μείωση του κόστους ανά μονάδα παραγόμενου προϊόντος. Οι στρατηγικές μείωσης του κόστους είναι εξ ορισμού πάντα πολιτικές συρρίκνωσης της ζήτησης και ως εκ τούτου αρχικά παράγουν αποτελέσματα ύφεσης, προσβλέποντας όμως σε μια μελλοντική ανάπτυξη μέσω της αυξημένης κερδοφορίας.

Εντούτοις, με δεδομένο πως ό, τι αποτελεί «εργασιακό κόστος» για το κεφάλαιο συνιστά το επίπεδο διαβίωσης των εργαζομένων και κατ’ επέκταση της κοινωνικής πλειοψηφίας, τα Μνημόνια αποτελούν ταξικές πολιτικές, που στοχεύουν σε μια ανάκαμψη της (καπιταλιστικής) οικονομίας με κοινωνικά «άδικο» τρόπο, δηλαδή σε βάρος της ζωής των πολλών.6

Παρά την κομματικότητα της στάσης μου, δηλαδή το γεγονός ότι υπερασπίστηκα στα ΜΜΕ την «επίσημη γραμμή» του ΣΥΡΙΖΑ μέχρι τη χρονική στιγμή (20ή Φεβρουαρίου) που δεν μπορούσα να την υπερασπίζομαι πλέον, εντούτοις έπεσα θύμα επαναλαμβανόμενων χυδαίων «παροπολιτικών», τα περισσότερα από τα οποία, όπως με πληροφόρησαν, είχαν εσωκομματικές προελεύσεις.

Ξαφνικά στον πολυτασικό και δημοκρατικό ΣΥΡΙΖΑ κάποιοι θεώρησαν σκόπιμο να συκοφαντούν με «παραπολιτικές» κακοήθειες όσους ασκούν κριτική. Ακόμα κι αν η κριτική ασκείται με εποικοδομητική διάθεση, για τη διόρθωση της «επίσημης γραμμής», και ασκείται μάλιστα στο εσωκομματικό πεδίο και μέσα από θεωρητικά κείμενα. Ο καθείς και τα όπλα του …

3. Διαπραγμάτευση

Ο τρόπος που έγινε η διαπραγμάτευση με τους δανειστές καθορίστηκε απόλυτα από τον τρόπο που ασκήθηκε η πολιτική στο εσωτερικό, δηλαδή από τον «ιστορικό συμβιβασμό» του ΣΥΡΙΖΑ με το κεφάλαιο, και την πολιτεία μιας κυβέρνησης που λειτουργούσε ως οιονεί κυβέρνηση «εθνικής ενότητας».

Από τις πρώτες στιγμές συγκρότησης της κυβέρνησης έγινε σαφές ότι η κοινωνική συμμαχία που αυτή θα εκπροσωπούσε είχε ως έμβλημα την «ανάπτυξη», την «έντιμη συμφωνία» με την Ευρώπη και (για τους πιο ρομαντικούς) την «αξιοπρέπεια» και το σεβασμό της νομιμότητας: Τηρούμε «κάθε λέξη» του Συντάγματος και πληρώνουμε τα χρέη μας στο ακέραιο (μέχρι να εξαντληθούν όλα τα ταμειακά διαθέσιμα του ελληνικού Δημοσίου). Η συμφωνία της 20ής Φεβρουαρίου επιβεβαίωσε αυτή τη συμμόρφωση της κυβέρνησης στις επιταγές του κεφαλαίου και των δανειστών, όπως επισήμανα σε σχετικό άρθρο μαζί με τους Σπύρο Λαπατσιώρα και Δημήτρη Σωτηρόπουλο.7

Οι δυνάμεις του κεφαλαίου στην Ελλάδα δεν έχουν αντιμαχόμενα συμφέροντα με τους δανειστές. Είναι όλοι αυτοί που μαζί με τους συμμάχους τους και τους κάθε λογής εκπροσώπους τους πάλεψαν με φανατισμό για να υπερισχύσει το «Ναι» στο πρόσφατο δημοψήφισμα, οι «πατρίκιοι» που ηττήθηκαν από το 62% της ψήφου των «πληβείων».8 Η θεμελιώδης συμφωνία μεταξύ τους για το χαρακτήρα των αλλαγών που θέλουν να προωθήσουν στην Ελλάδα και την Ευρώπη είναι δεδομένη. Με άλλη διατύπωση, δεν αντιπροσωπεύουν αντιμαχόμενα κοινωνικά συμφέροντα. Είναι όλοι τους εκπρόσωποι του κεφαλαίου, και μάλιστα των ισχυρότερων μερίδων του. Απέναντι στο «πρόγραμμα» αυτών των δυνάμεων, ο ελληνικός λαός απάντησε «Όχι», με τη συντριπτική πλειοψηφία του 61,3%. Το οποίο την επομένη, η ελληνική Βουλή μετέτρεψε σε 83,7% «Ναι»!

Στο πλαίσιο του «ιστορικού συμβιβασμού» που συστηματικά υπηρετούσε η κυβέρνηση, η «ανθρωπιστική» παρέμβαση μπορεί να της έδινε χαρακτήρα «κοινωνικής σωτηρίας», αλλά με τελείως μινιμαλιστικό τρόπο. Λαμβάνονται μέτρα στήριξης για ομάδες ακραίας κοινωνικής αδυναμίας και για τους υπερχρεωμένους. Αντιμετωπίζονται οι ακραίες μορφές κρατικής βαρβαρότητας, όπως τα στρατόπεδα κράτησης μεταναστών και οι φυλακές της πιο ακραίας κακουχίας. Αλλά δεν έχει περιγραφεί ένα ριζικό πρόγραμμα αντιμετώπισης της ανεργίας, ούτε καν τήρηση της ρητής υπόσχεσης για πάταξη του λαθρεμπορίου πετρελαιοειδών και καπνού, ή για ριζική αλλαγή του φορολογικού συστήματος που σήμερα επιβαρύνει τις λαϊκές τάξεις, προστατεύοντας ποικιλοτρόπως το μεγάλο κεφάλαιο.

Έτσι και η διαπραγμάτευση σύρθηκε σε ένα «καθησυχαστικό» κλίμα, στο οποίο επανειλημμένα ασκήσαμε κριτική, 9 καθώς βλέπαμε την επερχόμενη κατάληξη: Τον τελικό εκβιασμό, μετά την αποδυνάμωση των τραπεζών και την εξάντληση των ταμειακών διαθεσίμων του Δημοσίου, για υιοθέτηση ενός τρίτου Μνημονίου.

4. Ο ΣΥΡΙΖΑ του 3ου Μνημονίου. Και τώρα τι;

Το κρίσιμο ερώτημα «και τώρα τι;» δεν απαντιέται ατομικά. Απαντιέται συλλογικά, και σ’ αυτή την κατεύθυνση θα δουλέψω την επόμενη περίοδο μαζί τους συντρόφους και τις συντρόφισσές μου. Ένα είναι πάντως σίγουρο: Θα συνεχίσουμε να παλεύουμε ενάντια στη λιτότητα, τον εργοδοτικό δεσποτισμό, τη συρρίκνωση δικαιωμάτων, την ανάπτυξη για τους λίγους, τη θεοποίηση του κέρδους και του «ιδιωτικού».

 

2 Η ένταση αυτού του κοινωνικού πολέμου γίνεται διαρκώς ορατή δια γυμνού οφθαλμού μέσα από συμβάντα όπως ο Δεκέμβρης 2008, οι πλατείες του 2011, οι συγκρούσεις του Φεβρουαρίου 2012, το Δημοψήφισμα της 5/7/2015 και η έκβασή του.

3 «Ο ΣΥΡΙΖΑ σε σταυροδρόμι. Για μια στρατηγική αναδιανομής υπέρ των υποτελών τάξεων», 9/6/2014:http://www.jmilios.gr/%CE%BF-%CF%83%CF%85%CF%81%CE%B9%CE%B6%CE%B1-%CF%83%CE%B5-%CF%83%CF%84%CE%B1%CF%85%CF%81%CE%BF%CE%B4%CF%81%CF%8C%CE%BC%CE%B9-%CE%B3%CE%B9%CE%B1-%CE%BC%CE%B9%CE%B1-%CF%83%CF%84%CF%81%CE%B1%CF%84%CE%B7/

4 «[…] να εργαστούμε μαζί για τη διαμόρφωση μιας νέας κοινωνικής συμφωνίας για την αναδιανομή, την ανασυγκρότηση, την ανάπτυξη. Μιας συμφωνίας εθνικού χαρακτήρα με ευρωπαϊκό προσανατολισμό», Δ. Βίτσας, χαιρετισμός στο Συνέδριο της ΔΗΜΑΡ: http://www.avgi.gr/article/4270270/d-bitsas-apo-to-egxeirima-den-mporei-na-leipei-kaneis-

6 Βλ. Ενδεικτικά το άρθρο: «Σκάκι, όχι πόκερ», 3/5/2015, http://www.jmilios.gr/skaki-oxi-poker/

7 Σπύρος Λαπατσιώρας, Γιάννης Μηλιός και Δημήτρης Π. Σωτηρόπουλος: «Μόνη διέξοδος η φυγή προς τα μπρος», http://www.jmilios.gr/%CE%BC%CF%8C%CE%BD%CE%B7-%CE%B4%CE%B9%CE%AD%CE%BE%CE%BF%CE%B4%CE%BF%CF%82-%CE%B7-%CF%86%CF%85%CE%B3%CE%AE-%CF%80%CF%81%CE%BF%CF%82-%CF%84%CE%B1-%CE%B5%CE%BC%CF%80%CF%81%CF%8C%CF%82/

8 Περιοδικό Θέσεις, τ. 132, Ιούλιος-Σεπτέμβριος 2015, Editorial: «Πατρίκιοι εναντίον πληβείων», http://www.jmilios.gr/patrikioi-enantion-pliveiwn/

9 «Εμμονή στο Πρόγραμμα του ΣΥΡΙΖΑ», http://www.jmilios.gr/emmoni-sto-programma/

Der Beitrag Ενας απολογισμος της μετεξελιξης του ΣΥΡΙΖΑ με αυτοβιογραφικα στοιχεια erschien zuerst auf non.

Eurozone Vampires: The Gray Club of Death

$
0
0

images

Looking at the picture of IMF head Christine Lagarde and German finance minister Wolfgang Schaeuble one gets the feeling of old partners in crime, a perfectly legal crime syndicate approved by the Eurozone and given the elite status of a total liquidation squad. In Max Brooks novel World War Z: An Oral History of the Zombie War one of the characters speaks of an Economist pop-cultural icon:

Our client liked to know people who were known by all. His plan was to provide safety for those who could raise his image during and after the war, playing Moses to the scared and famous. And you know what, they fell for it. The actors, and singers, and rappers and pro athletes, and just the professional faces, like the ones you see on talk shows or reality shows, or even that little rich, spoiled, tired-looking whore who was famous for just being a rich, spoiled, tired-looking whore.1

Well Schaeuble is no Moses, and Lagarde may or may not be a Vampire of capitalism or a “rich, spoiled, tired-looking whore who is famous for just being a rich” financier, but one thing for sure is that they are both in collusion with bleeding Greece for everything they can get. Some on the left think that imagining a serious change of the political coordinates in which we live is almost entirely impossible; a small, radical change in the economic conditions and regulations around the globe. It is not only Žižek who ‘has no alternative’, it is not even only the Left that hasn’t – it is basically all of us who are paralysed by the headlights of global capitalism.2

As Simon Critchely surmises in Infinitely Demanding (2007):  ‘Resistance is Surrender’. If you are ‘obsessed’ with demonstrating your dissatisfaction with the current state of affairs, you might very well be secretly wishing for them to basically remain as they are. In this precise sense, it is better not to do anything, to stay at home and read philosophy, than to display resistance against the state in the streets with banners and slogans. His is a philosophy of complicity, a staid bargaining of the dead who have already allowed themselves to become bleeders for capital vampirism.

As Saskia Sassen tells us austerity has become another mode of enabling sovereign governmentality and institutions like IMF to acquire vast stretches of land-debt in a foreign sovereign nation-state as a sort of extension of its own territory even as it expels local villages and rural economies from that right to life. Another is the brilliant engineering that allows us to extract safely what we want from deep inside our societies while disfiguring its surface of those social safety systems en passant. Our advanced political economies have created a world where complexity too often tends to produce elementary brutalities masked as salvation and redemption. This brutalization comes about through a logics organization whose main policy of “innovation” in intergovernmental agreements to protect the nations through debt relief, which means, practically and brutally speaking, that countries will tend to fight for expanding their right to enforce debt on their citizenry so as to buy time against the future. In the case of finance, its organizing logic has evolved into a relentless push for hyperprofits and a need to develop instruments that enable it to expand the range of what can be financialized into every sector of society. As she admits:

Historically, the oppressed have often risen against their masters. But today the oppressed have mostly been expelled and survive at a great distance from their oppressors. Further, the “oppressor” is increasingly a complex system that combines persons, networks, and machines with no obvious center. And yet there are sites where it all comes together, where power becomes concrete and can be engaged, and where the oppressed are part of the social infrastructure for power. (Sassen KL 185)3

One such site is happening in EU financial meeting grounds… In the latest BBC article Eurogroup chief Jeroen Dijsselbloem warns of a tough meeting ahead, saying there is a “major issue of trust” over Greece’s ability to implement reforms. Trust? Who the hell is worrying about “trust”: people are about to die soon, no money to buy food, clothing, rent, etc., and these suckers are worried about “trust”? Sounds like this meeting is nothing more than another blanket session of fear mongering to me. As Zygmut    reminds us members of the global elite of super-rich  need not concern themselves with assuaging the fears that haunt the natives/ locals of the place where they stopped for a while, because keeping ‘the proles happy’ is no longer a condition of their own security, or indeed of their wealth and continuing aggrandisement. If the volume of local fears grows too large for comfort they can just turn the screw a little tighter on financial insecurity letting the natives stew and burn alone in the cauldrons of panic and nightmares …

For the global elite, whipping up rather than mitigating the fears of locals spells few if any risks. Refashioning and refocusing the fears born of global social insecurity into local safety concerns seem indeed to be a most effective and almost foolproof strategy; it brings so many gains and relatively few risks, when it is consistently pursued. By far its most important benefit, though, consists in diverting the eyes of the frightened from the causes of their existential anxiety, so that the global overclass may ‘continue rewarding itself financially on a staggering scale’, undisturbed.4

The EU officials told Reuters that “Under certain conditions, they jointly see the proposals as a basis for negotiation.” (ibid.) We can expect those conditions to be either more of the same austerity, or even more stringent control mechanisms that will entail even harsher conditions upon the multitude of Greek citizens who are already at the breaking point.

What I keep wondering is Where is the Solidarity against the EU itself? Where are the radicals? Is there anything going on to support Greece in other countries? Are all these intellectual pipe-dreamers of the Left sitting back just watching – a wait and see period? It’s as if everyone is in love with the “spectacle of fear” rather than its reality on the street. One is reminded of the moment of coming upon a serpent in the wilds: a moment when one hears the rattling vibration of a snake, one freezes, one stops in one’s tracks, fearful of moving, yet scanning the landscape for the visible signs of this ever-present terror. As if one were caught in a suspended time, a time of no time: a pure present without outlet, cut off from hope, bound to an instant of pure fear that is born of an animal instinct for flight and escape that is no longer possible. What Guy Debord said a generation ago is still true today “the current form of alienation is imposed on the producers of an estranged present. In this spatial alienation, the society that radically separates the subject from the activity it steals from him is in reality separating him from his own time. This potentially surmountable social alienation is what has prevented and paralyzed the possibilities and risks of a living alienation within time.”5 Are people stuck in time? Have they through fear suddenly become frozen in an eternal present, paralyzed to move, to act, to risk doing or saying anything? As Debord says:

“Static societies” are societies that have reduced their historical movement to a minimum and that have managed to maintain their internal conflicts and their conflicts with the natural and human environment in a constant equilibrium. Although the extraordinary diversity of the institutions established for this purpose bears eloquent testimony to the flexibility of human nature’s self-creation, this diversity is apparent only to the external observer, the anthropologist who looks back from the vantage point of historical time. In each of these societies a definitive organizational structure has eliminated any possibility of change. The total conformism of their social practices, with which all human possibilities are identified for all time, has no external limit but the fear of falling back into a formless animal condition. The members of these societies remain human at the price of always remaining the same.(ibid.)

Is this what it’s about? Is this after all the much vaunted “human condition,” the condition of total sterility and passivity for the price of security? Have we suddenly fallen into a social world of pure apathy where fear and terror rule our lives to the point where movement and change seem no longer possible; not because they don’t exist, but because we have been corralled into a global commons that is both our prison and our asylum? The elimination of hope, change, and the future: a world of conformity and passivity, of securitization against the animal condition itself? A world where “freedom” itself, risk, has been completely removed and bound to a system of financial practices and dictatorship where risk of failure is not an option? In a world where economic servitude becomes normalized is freedom = austerity the final solution – a solution that is no longer of the fascist anti-Semitic kind of racialism, but of a totalized space of economic holocaust? Is this the freedom offered dangling from the new EU ministers of fear? A freedom of total economic enslavement?

As one business man from Greece in the BBC article says: “Something must be done. The measures the government is offering are bad, but it’s the only way to go forward.” Is this true? People are suspended in time, in a twilight zone between two iron fists: the fist of total power of finance and the government who has their backs to the sea. Either way is a no go for Greece as a Nation. What we see coming is nothing but more tyranny of the market, the implementation of even tighter controls and fear over the people themselves. Is this how the world runs now? Have we truly begun to live in a total world of insecurity and fear: absolute control = absolute securitization of the populace through financial control?

What used to be said of War is now the state of Economics: economics as a “state of exception” has become normalized.  Moreover, society as a whole becomes increasingly financialized; political concessions to public interest groups become relics of long abandoned claims to democracy; and the welfare state is hollowed out to serve the interests of global markets and elite banking and governmental institutions. Any collective sense of ethical imagination and social responsibility toward those who are vulnerable or in need of care is now viewed as a scourge or pathology. Within this mindset, interventions that might benefit the disadvantaged are perversely deemed to be irresponsible acts that prevent individuals from learning to deal with their own suffering— even though, as we know, the forces that condition their plight remain beyond their control, let alone their ability to influence them to any degree.6

Discarded by the corporate state, dispossessed of social provisions, and deprived of the economic, political, and social conditions that enable viable and critical modes of agency, more and more sectors of civilian society find themselves inhabiting what many term “zones of total social exclusion” marked by deep inequalities in power, wealth, and income. Such zones are sites of rapid disinvestment, places marked by endless spectacles of violence that materialize the neoliberal logics of containment, commodification, surveillance, militarization, cruelty, criminalization, and punishment.  These “zones of hardship” constitute a hallmark and intensification of the neoliberal politics of disposability, which is relentless in the material and symbolic violence it wages against society for the benefit of a financial minority. What has become clear is that capitalist expropriation, dispossession, and disinvestment have reached a point where life has become completely unbearable for many living in the most prosperous of nations. Areas of great affluence can often be found adjacent to, if not surrounded by, zones of great misery inhabited by impoverished immigrants, poor minorities, the homeless, young people living in debt, the long-term unemployed, workers, and the declining middle class, all of whom have been delivered by market forces into criminalized communities of violence, harassment, surveillance, and everyday humiliations and brutality. (Giroux KL 924)

In my last post Yanis Varoufakis implied that the leaders of this world want to force Greece into a “zone of hardship” and exclusion: “Based on months of negotiation, my conviction is that the German finance minister wants Greece to be pushed out of the single currency to put the fear of God into the French and have them accept his model of a disciplinarian Eurozone.” (here) Will the Greek citizens have to pay the price of total exclusion so that Germany can impose its new economic dictatorship upon the rest of the EU? Have we gone from political fascism to an economic and financial tyranny without even a whimper? So do you think people will wake up and do something to help Greece and her Citizens? Or will it all be a spectacle of the elites, the Vampires of a Financial Empire who will once again enforce blood letting upon a people with little left to give? A new Roman Circus where the only gladiators are the vicious financiers themselves who cut and bleed the Eurozone till its social body is flayed beyond recall?

Economic Puppets of Capital

Sometimes I think the political puppets have left the stage, and allowed Economics full reign as the ultimate Stage Administrator of the World:  “the puppet figures as the insensate and sub-personal reality hidden beneath the ‘mindless mirrors’ of our naive reality”.7 Puppets function as ‘conduits to the unreal’, through whose agency hallucinatory phenomenalism bleeds into a simultaneous concretisation of the oneiric theatre of cruelty. A staged production for brutality and cruelty based on a merciless rational madness that seeks profit over life. Life is played out as an inescapable puppet show, an endless dream in which the puppets are generally unaware that they are trapped within a mesmeric dance of whose mechanisms they know nothing, and over which they have no control. The puppet is not merely an mocking parody of man, it is the unmasking of the animate face of insensate reality, the unveiling of the inexorable mechanics of the personal. Isn’t this the perfect image of neoliberalism? A puppet machine that manufactures an oneiric dream played out on the stage of global capitalism: a realm within which we’ve all become puppets in a determinate mechanism of which we know little, and even more have no control? Is this not the insensate reality of global capitalism today?

Are we to fall before the great puppeteers of capital? Are we to allow the neo-vampires of the IMF like Legarde, and the finance ministers of fear like Schaebule to pull the strings? Is this the new horror show? Thomas Ligotti the horror writer in a weird portrayal of this strangeness we’ve all succumbed to once said:  “There will come a day for each of us—and then for all of us—when the future will be done with. Until then, humanity will acclimate itself to every new horror that comes knocking, as it has done from the very beginning. It will go on and on until it stops. And the horror will go on, as day follows day and generations fall into the future like so many bodies into open graves.”

Is this our fate as presented by our economic masters? To go on and on delivering to them every last ounce of surplus-value and surplus-jouissance left in the world till we all fall into open graves? Or, will we find another way? Begin again from the beginning and discover a way out of this trap? Break our puppet strings and walk away from our puppet masters? Will the glass eyes that have blinded us to our master’s reality fall away and reveal at last the real? Or shall we continue to bow before the big Other of Capital like puppets in a nightmare world of insanity that imprisons us and sucks us dry under the stone eyes of its vampiric gaze?

Neoliberalism as Anhadonia Economics

If we follow such leaders as these are we not accepting the truth of their anhadonia? Their emotions are of little or no account in the scheme of things for such as they; much rather do we not see in their withdrawn and glassy eyed mannikinism  a mind emptied of all thought and being. Are not these economic leaders completely detached from anything, including themselves and anyone around them? This is the lesson of anhedonia, which is an eminently rational state. Is this not the truth of neoliberalism and austerity: that it is an android affair of anhedoniacs – creatures who have themselves already lost their humanity, become impersonal and detached mechanisms of hypercapitalism: codes in an overcoded world of algorithmic necessity? As William James once remarked: “One can distinguish many kinds of pathological depression. Sometimes it is mere passive joylessness and dreariness, discouragement, dejection, lack of taste and zest and spring.” 8 Mark Fisher would call this depressive realism, or the mark of the Capitalist Realist: “Depression is usually characterized as a state of anhedonia, but the condition I’m referring to is constituted not by an inability to get pleasure so much as it by an inability to do anything else except pursue pleasure. There is a sense that ‘something is missing’ – but no appreciation that this mysterious, missing enjoyment can only be accessed beyond the pleasure principle.”9

As Greece faces their masters will they be like Kafka’s The Trial, caught between and ‘ostensible acquittal’ and an ‘indefinite postponement’? As Fisher remarks:

Deleuze is right to argue that Kafka is the prophet of distributed, cybernetic power that is typical of Control societies. In The Trial, Kafka importantly distinguishes between two types of acquittal available to the accused. Definite acquittal is no longer possible, if it ever was. The two remaining options, then, are (1) ‘Ostensible acquittal’, in which the accused is to all and intents and purposes acquitted, but may later, at some unspecified time, face the charges in full, or (2) ‘Indefinite postponement’, in which the accused engages in (what they hope is an infinitely) protracted process of legal wrangling, so that the dreaded ultimate judgment is unlikely to be forthcoming. Deleuze observes that the Control societies delineated by Kafka himself, but also by Foucault and Burroughs, operate using indefinite postponement: Austerity as a lifelong process… debt that persists for as long as your working life continues… Work you take home with you… Working from home, homing from work. A consequence of this ‘indefinite’ mode of power is that external surveillance is succeeded by internal policing. Control only works if you are complicit with it. Hence the Burroughs figure of the ‘Control Addict’: the one who is addicted to control, but also, inevitably, the one who has been taken over, possessed by Control. (pp. 22-23)

Are Legarde and Schaeuble control addicts: addicted to control, as well as being controlled by controllers within? Are the police becoming the policed? The governors the governed? In seeking total control our economic governing body has only trapped themselves in their own dark chamber of horrors. Maybe the truth is that our supposed leaders themselves are the true puppets of capitalism, the ones who have become so immersed in their command and control systems that they themselves have become the actual determinante mechanisms and puppets of their own ill-founded systems. Maybe they are the ones imprisoned by their own lust for power and profit. Maybe we need to pull the plug, set them free, release them from the capitalist machine that produces such a crazy brutality, make them realize once and for all that we are discovering our own lines of flight and escape out of their puppet machine. Maybe that would be a true beginning…

1. Brooks, Max (2006-09-12). World War Z: An Oral History of the Zombie War (p. 81). Crown/Archetype. Kindle Edition.
2. Laustsen, Carsten Bagge; Bjerre, Henrik Jøker (2010-05-11). The Subject of Politics: Slavoj Zizek’s Political Philosophy (Philosophy Insights) (Kindle Locations 1855-1857). Humanities-Ebooks. Kindle Edition.
3. Sassen, Saskia (2014-05-05). Expulsions (Kindle Locations 57-61). Harvard University Press. Kindle Edition.
4. Bauman, Zygmunt (2013-04-17). Liquid Fear (Kindle Locations 3247-3253). Wiley. Kindle Edition.
5. Debord, Guy (2011-03-15). Society of the Spectacle (Kindle Locations 1973-1978). Soul Bay Press. Kindle Edition.
6. Giroux, Henry A.; Evans, Brad (2015-06-22). Disposable Futures: The Seduction of Violence in the Age of Spectacle (City Lights Open Media) (Kindle Locations 897-902). City Lights Publishers. Kindle Edition.
7.  The Shadow of a Puppet Dance: Metzinger, Ligotti and the Illusion of Selfhood by James Trafford (Collapse IV 2008)
8. Varieties of Religious Experience Lecture VI, The Sick Soul, William James 1902
9. Fisher, Mark (2012-08-07). Capitalist Realism: Is there no alternative? (Zero Books) (pp. 21-22). NBN_Mobi_Kindle. Kindle Edition.

 

taken from "dark ecologies" here

Der Beitrag Eurozone Vampires: The Gray Club of Death erschien zuerst auf non.

Der Kampf geht weiter – Stathis Kouvelakis im Interview

$
0
0

Geld bleibt billig

What fallows is a short German summary of an Interview Stathis Kouvelakis has given on July 14th to Jacobin Magazin. See link at end of text.  

16.7.15: Die letzten Monate, besonders aber die letzten Wochen, sind ein Lehrstück in Sachen gelenkter Demokratie à la EU. Die Wahl der Syriza zur Regierungspartei im Januar und zugespitzt die Abläufe seit der Ankündigung eines Referendums in Griechenland für den 5.7., zeigen Abläufe im politischen Europa, die normalerweise nicht in dieser Deutlichkeit sichtbar werden. Klar wird auf viel breiterer Ebene, dass die Europäische Union eine Politik der Technokraten darstellt, denen Regeltreue und Vertragserfüllung vor ökonomischen Sachverstand geht – der kontraproduktive Regeln und überholte Verträge annullieren müsste –  und dass vor allem grundlegende demokratische Verfahren ausser Kraft gesetzt sind. Obwohl nun die Regierung Tsipras, nach der Abstimmung letzte Nacht im griechischen Parlament, in der erneut sogenannte Austeritätmassnahmen vorbereitet wurden, die alles Bisherige in den Schatten stellen und die damit allem diametral entgegen stehen, für was Syriza im Januar gewählt wurde und obwohl damit die Hoffnung auf eine andere Politik in Europa vorerst begraben werden muss, sind die Abläufe aber dazu geeignet, europäische Realpolitik in aller Deutlichkeit darzustellen. Was diese europäische Realpolitik bedeutet, hat Ex-Finanzminister Janis Varoufakis in einem Kommentar zum "Diktat von Brüssel" (1) in einem Satz zusammen gefasst. Dieses Diktat, diese 'Vereinbarung' des Euro-Gipfels vom 12.7. verwandele Griechenland, nach dem Vorbild Brüssels, in eine demokratiefreie Zone in Form einer technokratischen Regierung, die das Politische vergifte und makroökonomisch unqualifiziert sei. (vgl. The Euro-Summit ‘Agreement’ on Greece – annotated by Yanis Varoufakis)

In einem Kommentar zur Annahme des Diktates von Brüssel durch das griechische Parlament letzte Nacht zieht Stathis Kouvelakis folgendes Fazit:

In einer Hinsicht ist das jetzt schlimmer als all die bisherige drakonische Sparpolitik in einem Land, das nach fünf Jahren 'Schocktherapie' sowieso schon am Boden zerstört ist: Es ist die totale Zerstörung der Demokratie, der Souveränität des Volkes und die endlose Fortsetzung und Zuspitzung der schärfsten Form der Unterwerfung. (vgl. hier auf Facebook)

Statis Kouvelakis hat unter dem Titel Griechenland: der Kampf geht weiter, in einem Interview mit dem Magazin Jacobin am 14.7., die nähere und weitere Vergangenheit der jüngsten Entwicklungen Revue passieren lassen, aus der Sicht des linken Flügels der Syriza kommentiert und einige Schlüsse gezogen, die für die weiterer Entwicklung wichtig sind. Zwei Aspekte treten besonders hervor: Erstens geht es um die realpolitischen Dynamik. Kouvelakis konstatiert in dieser Hinsicht, die Linke sei reichlich versehen mit gutmeinenden Leuten, die aber im Feld der Realpolitik "total impotent" seien. (vgl. zu allem weiterem: Jacobin, Greece: The Struggle Continues; Übersetzungen M. St.) Zweitens geht es um die Dynamik der Mobilisierung in der Bevölkerung, also im eigentlichen politischen Feld, und wie diese Dynamik von der der Realpolitik erstickt wird. Zu diesem Aspekt birgt das Interview eine interessante Erkenntnis, die auch in anderen Situationen relevant werden könnte. Es geht um eine Rebellion gegen den propagandistischen Mainstream.

Sebastian Budgen, der Interviewer, stellt fest, dass das Referendum vor dem Hintergrund einer Liquiditätskrise, einer Schliessung der Banken, einer hysterischen Reaktion der Medien und anderer Kräfte stattgefunden habe, die auf ein "Ja" im Referendum drängten. Dann aber sei etwas geschehen, was eine Gegenreaktion von enormen Ausmaß der "gewöhnlichen Griechen" verursacht habe.  Das heisst, gemessen an Verhältnissen die wir gewohnt sind, an Verhältnissen in denen unserer Quoten- und Qualitätsmedien unisono die Rolle des Vorbeters übernehmen, hätte das Referendum in Griechenland mit einem klaren "Ja" quittiert werden müssen – mit einer Unterwerfung unter jegliches Diktat von Brüssel. Dann aber geschah etwas, was den griechischen Souverän derart aufbrachte, dass er mit überraschender Mehrheit mit "Nein" stimmte – mit einem Nein gegen weitere und erneut weiter gehende sparpolitische Massnahmen. Was war hierfür der Auslöser? Kouvelakis dazu:

Die hysterische Reaktion der dominierenden Kräfte und die dramatische konkrete Situation, die durch die Schliessung der Banken, die Kappung von Auszahlungen usw. verursacht wurden, bewirkten in der breiten Masse der Bevölkerung die klare Einsicht, dass das Lager der Jasager das war, was man hassen musste. Die Tatsache, dass das Lager der Jasager all diese verhassten Politiker, diese so genannten Experten, diese Typen aus den Führungsetagen und all die Stars und Sternchen für seine Kampagne mobilisierte, half dabei, diese Reaktion einer ganzen Klasse zu entzünden.

Neben anderen Faktoren die Kouvelakis erwähnt, ist dieser Punkt in der Mediokratie von grosser Wichtigkeit. Die Empirie zeigt, dass die Simulation einer Wirklichkeit plötzlich das Gegenteil von dem auslösen kann, was eigentlich bezweckt ist. Statt Sedierung entsteht plötzlich eine aufputschende Wirkung gegen die, die allen Grund haben für Sedierung zu sorgen. Es kommt aber hinzu, dass in der Mediokratie die Fakten stets verfügbar sind – it is at your fingertips, stupid! D.h. der plötzlich auftretende Ekel vor den Talkshows, Talking Heads, ewig tagenden Alternativlosen und Tag und Nacht tickenden DauerWerbeSendungen der Realpolitik, könnte mit Wissen über das Verborgene unterfüttert werden.

Man könnte den ersten Teil, den plötzlich auftretenden Ekel, auch als aporetische Dissonanz beschreiben. Als eine affektiven Zustand. Als den Sound einstürzender Luftschlösser und einer mit diesem einhergehenden Verstörung, Verwirrung und einem Orientierungsverlust – der aber sofort mit Wut verbunden ist, da der Betrug klar wird , dass die bisherige angebliche Orientierung lediglich der Schöne Schein war, der sich nun als wertloser Wechsel entpuppt.

Allerdings bleibt es nach Kouvelakis' Analyse beim Auftreten der aporetischen Dissonanz und das aufflackernde Wissen um den Betrug kann nicht in das Feld getragen werden, in dem, nach althergebrachten demokratischen Verfahren, die Legislative dieses Wissen zu Konsequenzen nutzen könnte. Die realpolitische Dynamik ist es, die jeden Ansatz in dieser Richtung zu Nichte macht. Kouvelakis beschreibt in dem Interview wie das überaus gut ausgebildete Wissen im realpolitischen Vollzug gegen die Wand fährt. Er zitiert die Erfahrung, die Euclid Tsakalotos, der Nachfolger Varoufakis', in Brüssel machen musste.

[A]ls er [im April] nach Brüssel ging, war er sehr gut vorbereitet. Er hatte eine ganze Reihe Argumente vorbereitet und erwartete genauso gut vorbereitete Gegenargumente. Was aber geschah, war, dass er einfach mit Leuten konfrontiert war die in einem Fort Regeln und Verfahrensweisen rezitierten.

Varoufakis hat bekanntlich das Selbe berichtet:

Sie stellen ein Argument vor, an dem Sie wirklich analytisch gearbeitet haben – um sicher zu gehen, dass es logisch kohärent ist – und dann schauen Sie lediglich in leere Gesichter. Sie hätten genau so gut die schwedische Nationalhymne singen können – Sie hätten dieselbe Antwort bekommen. Und für jemanden, der akademische Debatten gewöhnt ist, ist das erschreckend. Da debattiert die andere Seite immer mit. Aber hier gab es gar keine Beteiligung. Man hat nicht einmal Genervtheit gespürt, es war so, als ob man einfach nichts gesagt hätte. (vgl. Neues Deutschland: Sie haben uns in die Falle gelockt)

Es sei damit klar, so Kouvelakis, dass Tsakalatos, Varoufakis und andere in die Auseinandersetzung in der EU wie in eine akademischen Diskussion gegangen wären. Das ist der Punkt, an dem er von der Impotenz der Linken im Feld der Realpolitik spricht: Das Wissen fährt gegen die Wand der Technokraten. Es nutzt nichts, dass das Wissen verfügbar ist. Für die Realpolitik ist es kein Argument. Das aber realisiere die Linke nicht, es gäbe in dieser Hinsicht einen elementaren Mangel an Realismus, der direkt mit dem grössten Problem der Linken verbunden sei – "unserer eigenen Impotenz".     

Diese Impotenz scheint laut Kouvelakis zum Teil darin zu bestehen, dass sich zentrale Positionen der Syriza keine Alternative zu Europa vorstellen wollen oder können. 

Für diese Leute besteht die Wahl nur in zwei Möglichkeiten: Entweder man ist "Europäer" und akzeptiert die bestehenden Verhältnisse, die in gewisser Weise objektiv einen Fortschritt im Vergleich zu älteren Formen des Staatswesens darstellen, oder man ist "anti-europäisch", was man mit einem reaktionären und regressiven Rückfall in Nationalismus gleichsetzt.

Es ist aber klar, dass keinerlei Wissen über die Verhältnisse wirksam werden kann, wenn man nur die Alternative zwischen einem Setting hat, in dem das Argument sozusagen überhaupt nicht ins Dispositiv gehört – in der EU-Kommission, Euro-Gruppe usw. –, oder aber einem vermeintlichen neuen tumben und per Definition nicht an Wissen interessierten Nationalismus, der einem bei einem Verlassen der Gemeinschaftswährung oder der EU selbst angeblich droht. Was also ist die Alternative? Hier wird das Gespräch merkwürdig dünn. Es folgt auf die Alternative zwischen Eurokratie und Nationalismus nur der Hinweis auf Nicos Poulantzas' Text von 1975 Klassen im Kapitalismus - heute, demzufolge die Europäische Gemeinschaft ein imperialistisches Beispiel für die Internationalisierung europäischen Kapitals innerhalb der Nachkriegsstruktur des US-Amerikanischen Hegemons sei...

Es gibt aber keine ausformulierte Antwort auf die Frage, wie eine Mobilisierung, tatsächlich auf breiter Basis in politisches Wissen überführt werden könnte, das eine neue Alternative zu den oben genanten schafft. Was zum Teil allerdings am Prozess selbst liegt, der in Gang gesetzt werden muss, um eben diese Wissen so zu aktualisieren, dass daraus Handlung entsteht. Der einzige Versuch, diesen Prozess weiter voran zu bringen, scheint der so genannte Grexit selbst zu sein. Die europa-orientierten Kräfte hätten allerdings Vorbereitungen dieses Austritts aus dem Euro verhindert, so Kouvelakis, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, diesen Schritt tatsächlich tun zu müssen. Demzufolge musste die Dynamik in der Folge der Ankündigung des Referendums auch hier verpuffen. Lediglich eine Gruppe der Linken Plattform hat Schritte in diese Richtung vor dem Referendum ausgearbeitet, wurde aber abgeblockt. Trotzdem scheint für die Linke Plattform der Grexit derzeit die einzige Möglichkeit zu sein, einen Bewegung in Gang zu setzen, die aus der von der EU aufoktroyierten AusteritätsStrangulation hinausführen könnte.

Dies bleibt aber relativ vage. Es ergibt sich das Bild von Ratlosigkeit. Es bleibt der Rückblick auf entscheidende Momente und eine verlorene Dynamik. Die einzige Aktion die in Aussicht steht, ist die Einberufung eines Parteitages und der Versuch der Linken Plattform, auf diesem Parteitag Syriza für sich zurückzugewinnen. Wobei aber die Linke Plattform nur einen kleinen Teil der Syriza ausmacht und Koalitionen mit der KKE und Antarsya ausgeschlossen scheinen. Es sieht damit ganz so aus, als hätte die Alternativlosigkeit einmal mehr gesiegt.

Einziger unsicherer Punkt bleibt derzeit Meister Schäuble. Er selbst betreibt jetzt – nach dem letzte Nacht das griechische Parlament das Diktat von Brüssel angenommen hat – immer noch den Grexit und er könnte somit selber zum Katalysator einer erneuten Mobilisierung werden. Der IWF selbst fordert nun einen Schuldenschnitt für Griechenland, der aber für Schäuble nur ausserhalb des Euro möglich ist. Da jedoch ein Grexit ohne entsprechende Vorbereitung zu noch mehr Verwerfungen in Griechenland führen würde, kann man einen von Deutschland forcierten Grexit nur als Versuch sehen, Griechenland aktiv zu destabilisieren. Ob das eine Mobilisierung für eine radikale Linke allein wird, muss sich zeigen. Genauso gut könnte das nach Rechts losgehen. Diese Gefahr ist real. Aber das ist für den Meister aus Deutschland womöglich nicht wirklich problematisch. Vielleicht steckt sogar der Gedanke dahinter, dass eine Destabilisierung nach Rechts nützlich sein könnte um linkes Wissen noch stärker zu isolieren und um die Nazis später wieder einzuhegen.

Artikel, english =>  Greece: The Struggle Continues 

 

(1) Aufmacher Handelsblatt, 14.7. – In der Druckausgabe hiess es "Diktat von Brüssel", online heisst es nun "Diktat aus Brüssel". Dieser kleine Unterschied ist nicht ganz unwichtig, denn das Diktat von Brüssel erinnert unmittelbar an das Diktat von Versailles. Vom Diktat von Versailles zu sprechen, war ein wichtiges Propagandamittel der Nationalsozialisten. Man kann mit Recht vermuten, dass man diesen Anklang in der deutschen Wirtschaftspresse vermeiden möchte. Nichts desto Trotz ist dieser freud'sche Lapsus vielsagend, da er ein unterschwelliges Bewusstsein der Probleme, die die Brüsseler Finanzpolitik unter der Aufsicht von Meister Schäuble mit sich bringen, offenbart. Im "Diktat von Brüssel" tritt das Verdrängte in neuer Maske wieder zu Tage. In dem Moment aber in dem die unbequeme Wahrheit – über die zu erwartenden weiteren Verwerfungen – ins Bewusstsein treten, wird die entsprechende Aussage sofort korrigiert. Der Lapsus des Handelsblattes offenbart damit nichts weniger, als dass es in der deutsche Finanzpresse sehr wohl ein Bewusstsein davon gibt, dass die Brüsseler Finanz- bzw. Europolitik einer neuen Rechtsextremen förderlich sein könnte, dass man aber gleichwohl so tut, als habe mit diesem Problem nichts zu tun.       

Der Beitrag Der Kampf geht weiter – Stathis Kouvelakis im Interview erschien zuerst auf non.

Foucault und Ökonomie in-der-letzten-Instanz

$
0
0

high-frequency-trading

Kroker/Weinstein beschreiben schon 1996 in ihrem Buch Datenmüll präzise den neoliberalen Staat: „Mit dem Bunker Staat exkludiert der liberale Faschismus die Überschuß-Körper (Einwanderung), mit dem Austeritäts-Staat setzt er Schuldenreproduktion und hohe Arbeitslosigkeit ein, um den Arbeitsmarkt zu kontrollieren und soziale Programme zu minimieren, und mit dem Sicherheits-Staats unterwirft er Körper der Erprobung und Überwachung. Unter der liberalen faschistischen Ideologie ist alles, was den Opfern angetan wird, entweder für ihren eigenen Nutzen oder ist eine bedauerliche Handlung, die aber notwendigerweise für ein offensichtlich allumfassendes humanitäres Interesse stattfindet. Die dominante Stimmung des liberalen Faschismus ist zynische Pietät; seine Strategie ist positionslose Macht – die kontinuierliche Verschiebung und Zirkulation politisch-taktischer Initiativen maskiert nur das Versagen der politischen Institutionen, mit der liquiden Geschwindigkeit des virtuellen Kapitalismus zurechtzukommen.“

Der verschuldete Bunker-Staat inkludiert eine Governance, gewissermaßen eine hilflose und doch schlaue Governance, aber letztere nur insofern, als er seinen Dienst am Kapital, das vom reinen Regierungshandeln nicht zu trennen ist, als eine starke Präsenz simulieren kann (die ihm natürlich fehlt). Unter den Bedingungen der (finanziellen) Ökonomie als Determination-in-der-letzten-Instanz kann er gar nicht anders. (Stellt man den kapitalistischen Wert als so etwas wie einen ideellen »Horizont« ab, vor dem die heterogenen Produkte unweigerlich einen Tauschwert annehmen (sollen), dann wird schnell deutlich, worin das utopische Potenzial des Kapitals immer noch liegt. Man geht und sieht den Horizont, und obgleich der Horizont sich weiter und weiter verlagert und man ihn nie erreichen kann, gibt die Möglichkeit ihn zu sehen dem Gehen Sinn. Die Utopie ist dieser Horizont, den man nie erreicht, den aber das Kapital als permanente Möglichkeit aufspannt. Und das Gehen ist in die in unzählige Virtualisierung/Aktualisierung-Transaktionen aufgespaltene, potenziell infinite Bewegung des semio-finanziellen Kapitals eingelassen. Batailles allgemeine Ökonomie unterliegt heute einer gewaltigen Inversion: Die Verschwendung macht sich in gewaltigen Überproduktionskrisen von Kapital und Zeichen Luft. Da die soziale Verschwendung als Einbruch des Realen konsequent ausgeschlossen bleiben muss, kommt es zugleich den furchtbarsten Reterritorialisierungen in Form des Fundamentalismus, der das Reale zu usurpieren versucht.)

Der Begriff Gouvernementalität wird von Foucault im Sinne der präzisen Bestimmung eines Problems – der Kunst des Regierens – dahingehend gefasst, dass er die Regierung als »Führung der Führungen« beschreibt, als eine spezifische Form der Praxis, als eine Regierungsgewalt, in die sowohl die »Regierung des Selbst« als auch die »Regierung der anderen« eingebunden bleibt. Dabei impliziert Foucaults Hinwendung zur Problematik der Regierungskunst die Integration von zwei neuen Machtfeldern in seine allgemeine Konzeption der Machtanalytik, und zwar die politische Ebene des Staates und das Subjekt. Wenn Foucault sich nun in den Vorlesungen zur Geburt der Biopolitik mit dem Liberalismus und Neoliberalismus (deutscher und amerianischer Spielart) beschäftigt, dann aber gerade bezüglich einer gemeinsamen Programmatik, mit der versucht wird, eine Relation zwischen staatlicher Regierungspraxis und wirtschaftlicher Unternehmensform herzustellen. Dem vorgelagert ist natürlich die Problematisierung des Verhältnisses von Ökonomie (Markt/Wettbwerb) und Staat, das der Neoliberalismus entgegen dem klassischen Liberalismus nicht länger als das einer Trennung zwischen der ökonomischen und der politischen Sphäre fasst, sondern als ständige gegenseitige Interpenetration.  Man könnte nun aber sogar von einer Interferenz bzw. Idempotenz sprechen (gemäß Laruelle die mathematische Regel, mit der man die Interferenz zweier Einzelwellen in einer einzigen Welle beschreibt: 1 + 1 = 1), die gerade darin besteht, dass die staatlichen Regierungspraktiken die institutionellen Bedingungen derart gewährleisten, damit einzig und allein allein die Gesetze des Marktes das Prinzip der allgemeinen ökonomischen Wirkungsweisen darstellen, die nun das Politische und/oder das Gesellschaftliche dominieren. (Das Paradoxe des Staates besteht gerade darin, dass er etwas garantieren muss, was er selbst in keinem Fall sein darf.) Es gilt festzuhalten, dass Foucault in Abgrenzung von Positionen, die den Kapitalismus allein als Ausdruck einer Logik des Kapitals verstehen, von einem Kapitalismus  spricht, der als eine historische Einzigartigkeit eine ökonomisch-institutionelle Gestalt annehmen muss, von der aus sich jeweils bestimmte Felder der Möglichkeiten eröffnen.

In diesem Kontext betreibt der Neoliberalismus eine gleichermaßen prophylaktische wie futurisierende Politik, um sich dem Ziel eines reinen Wettbewerbs infinitesimal anzunähern. Die Ökonomie wird nun selbst zu einem Teil der modernen politischen Rationalität, ja zum wesentlichen Regulator eines Dispositivs der Macht – einer Machtform, die  in erster Linie ökonomisch ist. Die Bewegungsgesetze der Ökonomie selbst unterlaufen die Grenzziehungen zwischen Ökonomie und Politik, indem siedas Gesellschaftliche und das Politische, die Kultur und das Wissen in der letzten Instanz determinieren. Die Figur der Entgrenzung durch die Logik des Ökonomischen, die Foucault in der Geburt der Biopolitik konstatiert, folgt in gewisser Weise der Transformation des analysierten Phänomens. Die politische Ökonomie wird nun nicht mehr als ein Wissenstypus, als eine Analyse der Reichtümer, sondern als ein autonomer Regierungsmodus begriffen. Zugleich wird dem Staat kein Wesen oder eine fixe Gestalt zugeschrieben, er wird vielmehr als eine Wirkung, als »der bewegliche Ausschnitt einer ständigen Staatsbildung«beschrieben, im Zuge dessen sich spezifische Regierungspraktiken erst herausbilden können. Während der klassische Liberalismus die staatlichen Regierunspraktiken durch die Proklamation einer dem Staat entgegengesetzten Sphäre des Marktes begrenzen wollte, negiert die Neoliberalismus und seine Gouvernementalität das binäre Modell zugunsten einer permanenten gegenseitigen Durchdringung, und dies eindeutig unter der Dominanz des Ökonomischen. Der Markt bzw. der Wettbewerb wird in der neoliberalen Gouvernementalität als ein System konzipiert, an dem sich das Regierungshandeln zu orientieren hat. Es sind die Prinzipien und Kriterien des Marktes, die die staatlichen Regierungspraktiken leiten und legitimieren, i. e. der Markt ist die wesentliche Regulationsinstanz des Staates. In der Folge muss die neoliberale Gouvernementalität das Prinzip des Marktes über die Ökonomie hinaus ausweiten – die Ökonomie wird zum entscheidenden Regulator der kapitalistischen Gesellschaftsformation insgesamt (zumindest in den kapitalistischen Kernländern).

Das Funktionieren des Marktes, dem das Wesen des Wettbewerbs (Eucken) zugesprochen wird, beruht auf einer formalen System, das allerdings der Kunst der Regierungspraxen bedarf, die rein artifiziell die Bedingungen herstellen, unter denen die Logik der Ökonomie sich entwickeln und multiplizieren kann. Der Staat erhält also die Funktion zugesprochen, permanent die Bedingungen der Möglichkeit der Dominanz des Marktes herzustellen und für dessen Kultivierung zu sorgen, womit der Staat die Ökonomie niemals aus den Augen lassen darf. Indem die staatlichen Regierungspraxen die Bedingungen herstellen müssen, damit die Mechanismen des Marktes weitgehend friktionslos funktionieren, werden dem Markt aber auch gewisse Begrenzungen eingezogen. Dennoch regiert man für den Markt anstatt auf die Anforderungen des Marktes nur zu reagieren, womit die richtige gouvernementale Einrahmung des Marktes dessen ihm eigenständige Gesetzmäßigkeiten hervortreten lassen kann.

Die Ökonomie ist also nicht länger ein Instrument im Dienst der Gesellschaft, vielmehr hat die Gesellschaft den Imperativen der Ökonomie zu folgen. Wenn ein wesentliches Element neoliberalen Regierens darin liegt, dass in der Tendenz alle gesellschaftlichen Sektoren auf ihre Marktkompatibilität getestet werden, so haben wir es in der Tat mit einer empirischen Durchsetzung des Prinzips der ökonomischen Struktur als Determination in der letzten Instanz zu tun. Mit der Deterritorialisierung der Ökonomie und des Marktes besteht die Kohärenz des neoliberalen Regierens in der Ausweitung der Unternehmensform: Das regulative Prinzip der neoliberalen Gesellschaft liegt in einer Verallgemeinerung der Unternehmenslogik. Der Neoliberalismus konstruiert eine Unternehmensform, mit der die unterschiedlichsten politischen und sozialen Faktizitäten in ökonomischen Kategorien integriert werden – bis hin zu dem Phänomen, dass »der Arbeiter selbst sich als eine Art von Unternehmen erscheint«. Die moderne Regierungsrationalität, die insbesondere in ihrer liberalen und neoliberalen Variante immer schon Ausdruck einer ökonomischen Kalkulation ist, wird von Foucault im Hinblick auf den Aspekt der Dominanz der Ökonomie, d.h., der Ausweitung der Ökonomie auf das Nichtökonomische hin konzipiert. Dabei werden die Wirtschaftswissenschaften keineswegs als pure Repräsentation oder als ein Diskurs zur Produktion von Wirklichkeit begriffen, da ein Wissensmodell wie das »Humankapital« nicht einfach nur Aussagen über die bestehende Welt formuliert, sondern zugleich Aufrufe zur Normalisierung erzeugt, nämlich sich als ein Unternehmen rational und kreativ zu verhalten, etwas, was Foucault als die Normalität einer Subjektivierung versteht. Foucault bekräftigt in einer Analyse der theoretischen Figur von Adam Smiths unsichtbarer Hand, bei der er den Schwerpunkt auf den Term »Unsichtbarkeit« legt, dass die Ökonomie eine wissenschaftliche Disziplin ohne Totalität beinhaltet, insofern ihr Ungewissheit, Unsichtbarkeit und Blindheit wesentlich beigemischt sind, Prinzipien, die aus der fehlenden Transparenz der ökonomischen Prozesse selbst herrühren. Und dies weist noch über den Begriff der bürgerlichen Gesellschaft hinaus, den Foucault am Ende seiner Vorlesungen zur Biopolitik einführt, um das Scharnier zu bezeichnen, das es erlaubt, das die Regierungstechniken sich juristisch und zugleich rational and den Erfordernissen der Ökonomie ausrichten können. Problematisch wird dies, wenn man die Grenzen bedenkt, denen die Ökonomie als System ausgesetzt ist und die mit dem Geld erreicht werden, das als Kapital eine Struktur oder eine Maschine darstellt, die regulativ wirkt und zugleich ihre eigene Grenze selbstreferentiell fasst, womit die Struktur des Ökonomischen in Relation zum Prozess immer schon funktionalisiert ist, der nun über die begrenzte Ökonomie hinausweist. (Vgl. Schwengel 1978) Wie wir in unserer Schrift immer wieder herausstellen, impliziert ein derart gefasstes Verhältnis von virtuell fixierbarer Struktur und virtuell fixierbarem Prozess eine Gleichung mit mehr als einer Unbekannten (siehe hierzu die Ausführungen von Bichler/Nitzan in ihrem Buch Capital as power) – sie verweist auf die Ungewissheit und Unbestimmbarkeit der kapitalistischen Ökonomie. (Das Geld in der Funktion eines allgemeinen Maßes suggeriert noch die Messbarkeit dieser zerstreuten Prozesse, wie auch die stochastische Kalkulation der Volatilität dies tut.) Gleichzeitig erzeugen die diskursiven Institutionen des Wissens und die politischen Systeme den Anschein der Notwendigkeit dieser ganz spezifischen Ungewissheit (kalkulatorische Vernunft), dessen Kritik wiederum nur noch konstatieren kann, dass die kapitalistische Quantifizierung heute anscheinend jede Quantität möglich macht und letztendlich nur noch postuliert, dass eine Quantifizierung überhaupt stattfindet. Nicht zuletzt schiebt Foucault in diesem Kontext die Frage an, wie in dieser Quantifizierung qua kapitalistischem Geld politische Insitutionen anwesend sind. Und wie schließlich das Politische so anwesend sein könnte, dass es die Maschinen einer selbstreferentiellen Zeichenökonomie ohne wirklichen Referenten, wie man sie in den heutigen Finanzmärkten aufzuspüren gedenkt, nicht nur irgendwie reguliert, sondern durch das Politische eine absolute Fissur eingeführt wird, die die Dichte eines nichterfassbaren Realen als Singularität bedenkt, die minimale, dichte und irreduzible Quantität des Radikalen oder der puren Immanenz, die von seiner Unkontrollierbarkeit und Unvorhersehbarkeit nicht zu trennen ist.

Der Beitrag Foucault und Ökonomie in-der-letzten-Instanz erschien zuerst auf non.

Aufstand? Welcher Aufstand?

$
0
0

oxi 2

Dass die moderne Macht subjektivierend wirkt, d.h. die Individuen in Subjekte transformiert, ihnen eine bestimmte Identität aufprägt, sie in bestimmte Rollen einfügt und ihnen ein bestimmtes Wissen zuschreibt, ist das Dilemma jedes Kampfes oder Widerstands gegen die moderne Macht; denn sie ist in einem gewissen Sinne schon eingegangen in genau die Subjektivitäten, die sich gegen sie richten könnten. *

Wenn man jetzt linke Analysen liest über die Implosion des Impulses, den die Wahl in Griechenland vom 25.1.15 darstellt, muss man feststellen, dass die Möglichkeit, es könnte so sein wie im Eingangszitat dargestellt, weiten Teilen der Linken nicht denkbar scheint – und falls doch, dass derartige Erkenntnisse im Ghetto der Akademie verstauben, anstatt in gelebter Realität in die Tat umgesetzt zu werden.

Die Analysen, die wir lesen, mögen noch so hilfreich sein, um die Abläufe rein von ihrer Empirie her zu verstehen – vgl. das auf diesem Blog verlinkte Interview mit Stathis Koevelakis in Jacobin oder die Analyse von Thomas Sablowski  in der Jungen Welt – dass diese Empirie jedoch durch eine nicht-bewusste Ideologie verzerrt sein könnte, wird nicht in Betracht gezogen. Sablowski legt als Fazit z.B. nahe:

Maßstab für sinnvolle Schritte der europäischen Integration oder der Rücknahme bestehender Integrationsformen sollten die Interessen der beherrschten Klassen und sozialen Gruppen sein. (Kursivierung M.St).

Sehen wir davon ab, wie wohlfeil und unverfänglich einen solche Forderung ist, wie sehr sie einem WahlKampfSlogan zum verwechseln ähnlich sieht und wie dürr dieses Fazit ist – angesichts des realpolitischen Spektakels, dem zu folgen wir gerade gezwungen waren. Legen wir den Fokus stattdessen darauf, dass diese Formulierung impliziert, wir hätten es bei den beherrschten Klassen mit diskreten Subjekten zu tun, die unabhängig von moderner Macht agierten. Wenn man das in Betracht zieht, kommt man der Ursache der (immerhin) mancherorts beklagten Impotenz der Linken vielleicht etwas näher, dass sie nämlich auf der Illusion beruht, ein freies und unabhängig agierendes Subjekt zu sein. Natürlich wird eine solche Annahme jeder Marxist – rein theoretisch – von sich weisen. Praktisch sieht es jedoch anders aus. Konkrete Konsequenzen aus einer neoliberalen Subjektformatierung, die die (Selbst)Kontrolle stets schon in sich trägt, findet man nicht. Eine linke Politik könnte ansonsten nicht davon ausgehen – wie im Falle Syriza 2015 – es wäre erfolgversprechend, mit einem scheinbar autonomen linken Subjekt, auf  die immer weiter gehenden Verrechtlichungen neoliberaler Verhältnisse in der EU loszugehen.

Davon abgesehen, und durchaus folgerichtig in der fälschlichen Annahme eines autonomen oder gar revolutionären Subjektes, kann man sehen, dass Protest und Widerstand heute, sich widerspruchslos den Platz zuweisen lässt, der ihm von der Macht angewiesen wird. In doppelter Hinsicht: Dieses Jahr in Elmau sahen wir, mit welchem Aufwand der Staatsapparat Protest insgesamt neutralisiert; in Frankfurt am 18.3. sahen wir, dass, falls doch die Polente mal zu spät kommt, ein hysterischer Propagandaapparat anspringt, der das Stimmungsbild mit seinem Spektakel bis in die Realpolitik hinein beherrscht. Die Frage, warum das so ist, dass der Protest nur an seinem vermeintlich logischen Ort stattfinden darf, und warum das so ist, dass er keinen Weg findet, gegen die gute alte HassTante von der Presse mit den SpringerStiefeln eine eigene Darstellung zu entwickeln, die auch Durchschlagskraft brächte, wird nicht gestellt. Sie kann nicht gestellt werden, solange der Widerstand nicht sieht, dass er Macht geleitet ist.

Von dieser problematischen Situation aus abgesehen, agiert linke Politik im Großen und Ganzen aber auch so, als hätte es das letzte Vierteljahrhundert nicht gegeben. Das Netz dient allenfalls der Dispersion, nicht der Bündelung von Kräften. Dabei könnte gerade das Netz der UnOrt werden, in dem eine andere Wirklichkeit virulent wird. Whistleblower und die Materialien, die sie ans Licht bringen, Hacker und ihre Blockade- und InfiltrationsFähigkeiten und schließlich neue Formen von medialer Berichterstattung müssten gebündelt werden. Für eine linke Politik aber gibt es das alles nicht.

Dabei könnte sie sich doch auch einen Effekt zu nutze machen, der gerade im Vorfeld des Referendums in Griechenland zu beobachten war. Dort hatten die Jasager alles in die mediale MainstreamWaagschale geworfen, um ein Nein zu verhindern – mit dem Effekt, dass viele sich plötzlich angewidert von diesem miesen Opportunismus abwandten und erst recht Nein sagten. Diesen Effekt gegen den miesen Opportunismus könnte man noch unterstützen, gäbe es gebündelte Information darüber, wie es hinter den Kulissen dieser Opportunisten aussieht. Man hat gesehen, dieses Kippmoment gibt es tatsächlich: Plötzlich werden die bis dahin klaglos ertragenen Abziehbilder neoliberaler Individuation zu verlogenen Fressen, denen man, in drei Teufels Namen, einen Tritt in der Arsch geben möchte. D.h. Mobilisierung ist effektiv möglich – mit den Mitteln die schon da sind... mit der Tagesschau, der nächsten Talkshow, der dümmsten Soap und der deppersten Reklame für noch mehr Freiheit im panopticonalen Nirwahna der SelbstKontrolle und SelbstOptimierung.

Diese Mobilisierung und die massive Bündelung einer Gegeninformation (ein Gegen-ohne-Gegensein) aber wäre auch eine gegen die Linke selbst – wenn es sich so verhält, wie im Eingangszitat angedeutet. Das heisst die entstehenden Mobilisierung würde auch das linke Subjekt in eine (weitere) Destabilisierung überführen – bevor herauszufinden wäre, wie es sich neu und anders konstituieren könnte. D.h., linke Politik heute müsste sich auf ihre eigene Zerstörung richten – in dem Sinne, dass sie als Teil des neoliberalen Subjektes nur wirklich handeln kann, indem sie sich als solches eliminiert und herausfindet, wie das Politische innerhalb einer Macht, in der das Subjekt stets Teil der Macht ist, neu funktionieren kann.

Von jeglicher Beantwortung dieser Frage scheinen wir aber Lichtjahre entfernt und es sieht so aus, als ob der Kapitalismus sein planetares Zerstörungswerk eher vollendet, als das wir einer Antwort näher kämen. Insofern bleibt zunächst nur die Anerkenntnis einer ausweglosen Situation und dessen, was man minimal noch leisten kann – in den Worten von Franco 'Bifo' Berardi:

Erstens bleibt einer jeglichen sozialen Bewegung nur, von sich selbst als einer Art Militärhospital zu denken (in dem Sinne, wie Franziskus über die Kirche sprach): um Platz zu schaffen für Heilung, Sorge und Solidarität mit den Erniedrigten.

Zweitens müssen wir die Offensive einer Kraft der Entmachtung schaffen: Konkurs, Aufkündigung, Preisgabe der politischen Szene und das absolute Schwarzsehen im Sog des Kriegesm der schon in jedem Winkel des Planeten lauert. (vgl. hier, Übers. M.St.)

_______

* Martin Saar, Die Form des Lebens, in: Michel Foucault: Ästhetik der Existenz, 2007, S. 335 f.

Vgl. zu diesem Kommentar: Achim Szepanski, Foucault und die Ökonomie-in-der-letzten-Instanz.

Der Beitrag Aufstand? Welcher Aufstand? erschien zuerst auf non.

Podcast: Syriza’s John Milios, “I will continue to fight against austerity”

$
0
0

29547170,31142009,dmFlashTeaserRes,PON_20150111_107

21.7.15 Wir verlinken hier zu einem aktuellen Podcast mit John Milios. Erneut bekräftigt er gegen keynesianische Positionen, dass es sich bei der Austeritätspolitik um eine durchaus rationale Politik des Kapitals  zur Senkung der Lohnkosten handele, um die Profitabilität zu sichern. Der Syriza Regierung wirft er vor, dass sie nach der Regierungsbildung  keine konsequente linke Klassenpolitik betrieben habe. Sie hätte nach dem Wahlsieg die sofortige Einstellung der Rückzahlung der Schulden beschließen, ein Programm zur Besteuerung der Reichen verabschieden und geschlossene Fabriken instandsetzen müssen. Letzeres erinnert an die Problematik um die Arbeiterselbstverwaltung in Allendes Chile.

Gegenüber der Einführung einer neuen Währung, die als technizistisch und sekundär qualifiziert wird, bleibte Milios skeptisch. Eine stark abgewertete Währung diene vornehmlich den Interessen des abgewanderten griechischen Kapitals. Man muss hinzufügen, das ein Grexit zwingend die Zusammenarbeit mit einer anderen großen Zentralbank erfordert, da er ansonsten an den Devisenmärkten schutzlos den Spekulationen des finanziellen Kapitals ausgesetzt ist. Eine weitere Notwendigkeit besteht darin, das Niveau der Abwertung (gegenüber dem Euro circa 30%)  auf einem gewissen Level zu halten, da ansonsten der Zugang zu wichtigen Waren, bspw. Rohstoffen, nicht mehr möglich ist. Die Carry Trades sind zu beachten, die sie  eine neue Währung schnell ins Straucheln bringen können. Es erscheint also wahrscheinlich, dass die griechische Zentralbank die Währungsabsicherung des Grexit aus eigener Kraft nicht leisten kann, weil sie nicht über ausländische Devisen in ausreichender Höhe verfügt, um obigen Problemen erfolgreich begegnen zu können.

Achim Szepanski

 

Zum Podcast hier

Der Beitrag Podcast: Syriza’s John Milios, “I will continue to fight against austerity” erschien zuerst auf non.


Anmerkungen zu Yanis Varoufakis: Der globale Minotaurus.

$
0
0

Gemeinschaft 2

Einer der Sachverhalte, der das gegenwärtige System der Kapitalisierung stark beeinflusste, war die im Zuge der Auflösung des Bretton Woods Systems im Jahr 1971 getroffene Entscheidung der amerikanischen Regierung, das damals schon existierende doppelte Defizit der USA (Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizit. Das Defizit in der Leistungsbilanz besteht vor allem aus dem Handelsdefizit) in Zukunft vor allem durch Waren- und Kapitalflüsse aus dem Ausland kompensieren und finanzieren zu lassen. Insbesondere die aus der Nachriegsordnung neu entstandenden Exportländer Deutschland und Japan lieferten in der Zeit nach 1971 ihre Produkte wieder in größerem Umfang in die USA, während die Gewinne, die durch diese Verkäufe realisiert wurden, bis zu 70% wieder an die Wall Street zurückflossen, wo sie wiederum in Direktinvestitionen, Finanzinstrumente, Staatsanleihen und Aktien transformiert wurden. (Vgl. Varoufakis 2012: 35) Später wurde die Absorption der Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen der Exportländer Japan und Deutschland durch den sogenannten pazifischen Kreislauf zwischen den USA und China ergänzt, erweitert und teilweise sogar ersetzt.

(Im Jahr 2015 ist die Volkswirtschaft Chinas die zweitgrößte der Welt und wird wahrscheinlich im kommenden Jahrzehnt schon die Spitzenposition besetzen. Seit dem Jahr 2009 führt China bei den Weltexporten.  Im Jahr 2009 brach das amerikanische Handelsdefizit zwar ein, doch heute steigt es wieder an. Ein Großteil des amerikanischen Handelsbilanzdefizits entfällt eben auf China. Zwischen beiden Großmächten entwickelte sich ein Defizitkreislauf, der bspw. in der Eurozone zwischen Deutschland und den Ländern der südlichen Peripherie besteht. Die USA fungieren jedoch immer noch als Konjunkturstütze des kapitalistischen Weltsystems. Seit 1987 haben die USA die Weltwirtschaft insgesamt – qua der kumulierten Handelsdefizite - mit einer kreditfinanzierten Nachfrage von 10,7 Billionen US-Dollar unterstützt.
Allerdings muss die Annahme, dass Chinas Wachstum vor allem aus seiner Exportstärke besteht, relativiert werden. Sie "beruht" darauf, dass man den Export als ein Teil des BIP definiert. Doch den Export durch das BIP zu teilen ergibt eine ziemliche bedeutungslose Zahl. So waren die Exporte von HongKong and Singapore im Jahr 2006 um über 200% höher als ihr BIP, was absurderweise bedeuten würde, dass die Exporte zweimal so hoch wie der Output ihrer Ökonomien waren. Diese Werte sind zu hoch angegeben, weil die typischen Exportstatistiken die intermediären Inputs nicht berücksichtigen, die ungefähr zwei Drittel des BIP ausmachen. Beispielsweise werden Autoteile aus Australien von China importiert, dort zusammengesetzt und dann in die USA exportiert. Die obigen übertreibenden ideologischen Figuren haben politische Auswirkungen, von protektionistischem Lobbyismus bis hin zu diplomatischen Disputen. Was es wirklich zu eruieren gilt, das ist der in China hinzugesetzte Wert. Wenn man die internationalen Wertschöpfungsketten berücksichtigt, dann schrumpft das Handelsdefizit der USA gegenüber China um 40%. Anstatt „Made in China“ sollte auf vielen Produkten „Made globally’ stehen.)

Die Finanzierung des doppelten Defizits war, wie Yanis Varoufakis in seinem Buch "Der globale Minotaurus" ausführt, auch das Resultat einer gescheiterten US-Politik des Globalen Plans, mit dem die US-Regierung ihre Handelsüberschüsse nach dem zweiten Weltkrieg unter allen Umständen aufrechterhalten wollte, während sie gleichzeitig in Form von Direktinvestitionen, Soforthilfen und anderen Zuschüssen Japan und Deutschland finanziell massiv unterstützte, womit es diesen Staaten erst ermöglicht wurde, in größerem Umfang amerikanische Produkte zu kaufen. Zugleich sollten Deutschland und Japan durch diese Unterstützung zumindest auf regionaler Ebene wieder eine hegemoniale Basis gewinnen. (Ebd.: 108) Was die US-Strategen in den oberen Politetagen allerdings nicht voraussehen wollten oder auch gar nicht konnten, das bestand später einfach darin, dass sich die globalen Ungleichgewichte - auch infolge eines fehlenden Regulationsmechanismus, der das „globale Überschussrecyling“ (Varoufakis) koordinieren kann – mit der Zeit tatsächlich umkehrten, sodass die USA zum Defizitland in doppelter Hinsicht transformierten.

Insbesondere durch die enormen Kriegskosten (Vietnam) und die massive Ausweitung der internen Sozialprogramme wurde schon in den 1960er Jahren das Ende des Globalen Plans eingeleitet. Die steigende Staatsverschuldung der USA, die Anfang der 1970er Jahre durch ihre eigenen Goldbestände längst nicht mehr gedeckt war, beschleunigte die Dollarflut an den Weltmärkten (und zugleich den Inflationsdruck auf Staaten wie Frankreich und Deutschland, die nun gezwungen waren, die Geldmengen in ihrer Währung zu erhöhen, um die Wechselkurse stabil zu halten), mit dem bekannten Resultat, nämlich dem Ende des Bretton Woods Systems (Aufhebung der Konvertabilität des Dollars in Gold).

Es galt nun seitens der US-Regierung zu organisieren, dass die Minusse der USA, die aus ihrem doppelten Defizit resultierten, vom „Rest der Welt“ finanziert wurden, und dafür bedurfte es der rigorosen Umverteilung der globalen Profitmassen, das heißt die Umkehr der globalen Geldkapitalflüsse in die USA; dies erforderte aber auch signifikante Produktivitätszuwächse der US-Industrie vor allem gegenüber den Konkurrenten in Deutschland und Japan (hier gilt es die Senkung der Lohnkosten in den USA und den Anstieg der Ölpreise, der Japan und Deutschland wesentlich stärker betraf als die USA, zu beachten). In den 1980er Jahren erhöhten die US-Unternehmen qua neuer Technologien, der Verdichtung der Produktionsprozesse und ausländischen Direktinvestitionen ihre interne Produktivität, was die absoluten Profitmassen und prozentualen Profitraten der US-Unternehmen zumindest zeitweilig wieder ansteigen ließ. (Schon seit den 1970er Jahren stagnierten die realen Löhne in den USA, was zur zeitweiligen Erholung der Profitraten beitrug.)

Mehr als nur orchestriert wurden diese ökonomischen Prozesse durch die kurzfristigen sprunghaften Erhöhungen der Zinssätze ab dem Jahr 1979, um damit weitere Geldkapitapitalströme an die Wall Street zu locken. Der von Präsident Carter zum Chef der FED ernannte Paul Volcker setzte auch angesichts hoher Inflationsraten in den 1970er Jahren eine radikale Erhöhung der Zins- und Diskontsätze durch, was sich in einer Stabilisierung des Dollarkurses und einer Erhöhung der Profitraten für inländische und ausländische Investoren, Banken und großen Unternehmen niederschlug, während es gleichzeitig zu einer Verteuerung der Schulden kam. Dabei wurde das ständig ansteigende staatliche Haushaltsdefizit (Reagonomics qua Steuersenkungen für die reichen Eliten, Einkommensumverteilung und höhere Militärausgaben) stärker denn je durch das ausländische Kapital finanziert, indem es Wertpapiere, Anleihen, Aktien und kurzfristige US-Schuldverschreibungen (Treasury Bills) in großem Umfang erwarb. Zumindest zeitweise konnte damit das wachsende Handelsbilanzdefizit kompensiert werden. (Varoufakis 2012: 135) Auf dem Höhepunkt ihrer Defizitkonjunktur verzeichneten die Vereinigten Staaten ein jährliches Handelsdefizit von nahezu 800 Milliarden US-Dollar. Durch sein Handelsdefizit nahm die USA einen Großteil der Überschussproduktion der Welt auf und wirkte somit stabilisierend auf das gesamte Weltsystem des Kapitals.

Der Besitz einer globalen Leitwährung ermöglicht es, mit den Waffen der Inflation und der Abwertung der Währung zu drohen und wenn notwendig diese auch effektvoll einzusetzen. Eine Leitwährung kann aggressiv sein, weil sie zu Außenhandelsbilanzdefiziten (Triffin-Dilemma) und einer Schuldenblase bei genau dem Staat führen kann, der im Besitz der Leitwährung ist. (Dies heißt seit den 1970er Jahren auch, dass die Finanzierung der Staatsschulden der kapitalistischen Kernstaaten zunehmend durch das finanzielle Kapital erfolgte, durch seine institutionellen Anleger wie Pensionsfonds, Versicherungen und Investmentgesellschaften, und dies wurde von den Ratingagenturen eskortiert, die nun auch für die Staaten exakt diejenigen Bewertungskriterien einführten, mit denen private Unternehmen evaluiert wurden. Man etablierte in den wirtschaftspolitischen Öffentlichkeiten statistische Kennzahlen für Leistungsbilanzen, Haushalte, Pro-Kopf Einkommen, Inflations- und Wachstumsraten. (Gegenwärtig orinetiert sich die gesamte Austeritätspolitik mit ihren Schuldenbremsen, Stabilitätspakten und Privatisierungen ganz am Gläubigerschutz des finanziellen Kapitals, das zuverlässige staatliche Schuldner einfordert, die auch in Krisenzeiten die Forderungen der privaten Kreditgeber zu bedienen in der Lage sind.)

Dabei kann die Schuldenblase zu einer Waffe mutieren, die an eine Art Sprengstoff erinnert. Wie Heiner Mühlmann es treffend formuliert hat, man kann die Waffe zünden, muss dann aber auch dafür sorgen, dass sie nicht im eigenen Land in die Luft fliegt, sondern im Land der anderen. (Mühlmann 2013) In diesem Kontext führte das freie Flottieren der Währungen nach dem Ende von Bretton Woods zu einer erweiterten Nachfrage nach dem weiterhin als Leitwährung fungierenden Dollar, wobei dies nicht unbedingt einer Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen aus den USA gleichkam. Vor allem die nach wie vor weltweit in Dollar abgewickelten Öl- und Rohstoffgeschäfte bewirkten eine ständige Nachfrage nach dem Dollar, und dies zeigte sich in den 1970er Jahren besonders deutlich am Beispiel des Petrodollars, die in großen Mengen an die Wall Street flossen, wo sie umgehend in Staatsanleihen, Aktien und Wertpapiere umgewandelt wurden. Weil der Dollar im globalen Maßstab als Zahlungsmittel eingesetzt werden konnte, kam es hohen Dollarbeständen bei Unternehmen und Privatpersonen in aller Welt, die vor allem darum bemüht waren, das Geldkapital umgehend an der Wall Street in Fonds, Aktien, Staatsanleihen, später in Hedgefonds und Derivaten anzulegen, womit man mehr oder weniger freiwillig die Bonität der USA befeuerte. Der militärisch-ökonomische Komplex verfestigte zudem die ökonomische Hegemonie des US-Kapitals. Dieses absorbierte also die Geldkapitalströme aus anderen Staaten und von ausländischen Unternehmen und recycelte sie unter anderem dadurch, dass man die Importe in das eigene Land unverdrossen ankurbelte. Solange der Dollar nach wie vor als globale Leitwährung (Reservewährung und Zirkulationsmittel) fungiert, bleibt die hegemoniale Rolle der US-Ökonomie bis heute im Weltmaßstab gesichert (gestützt durch den militärischen Komplex). Allerdings hat sich mit Beginn des Jahres 2000 der wirtschaftliche Abstieg der USA vor allem gegenüber China beschleunigt, und damit sank auch die internationale Stärke des Dollars. Hielten die Notenbanken der Welt im Jahr 2000 noch ca 70 Prozent ihrer Währungsreserven in US-Dollar, so waren es 2010 nur noch 60 Prozent. Im Jahr 2016 wird die Marke von 50 Prozent angestrebt und dann ist es in der Tat nicht vollkommen auszuschließen, dass bei einem weiteren Rückgang eine Massenflucht aus dem Dollar einsetzen wird.

Das längst global agierende finanzielle Kapital erfand Anfang der 1980er Jahre mit der Finanzialisierung, dem System der Derivate, eine neue Geldkapitalform, die durch eine Machttechnologie und Regierungsform komplementiert wird, kurz gesagt, es kam zu einer Transformation der polit-ökonomischen, der strategischen RaumZeit. An dieser Stelle kommen die CDS-Versicherungen ins Spiel, mit denen auf den Ausfall eines Referenzkredits spekuliert wird, auf ein Kreditereignis, das zunächst als Bankrott nur inszeniert wird, das heißt einen Bankrott nur bedeutet, insofern der reale Bankrott innerhalb einer fixierten Zeitspanne ständig simuliert wird. Dabei ist davon auszugehen, dass es sich bei den CDS-Ketten um temporale, virale Verkettungen handelt, die zur andauernden Produktion von differenziellen Klonen führt. Gerade wenn darauf spekuliert wird, dass die Preise der Referenzkredite (Staatsanleihen) fallen, steigen die Preise der CDS-Versicherungen, und auf dieser Bewegung des asymptotischen Aufschubs bzw. der differanziellen Preisbewegung wird sozusagen gesurft, bis es zum Ende des Aufschubs bzw. zur Katastrophe kommt, die man in Fachkreisen „Das Kreditereignis“ nennt. Mit den CDS-Versicherungen werden einerseits die Preise der Referenzkredite manipuliert (steigende Nachfrage nach CDS führt zu höheren Gebühren im Simulationsraum und damit zu höheren Zinsen der Referenzkredite (Staatsanleihen), mit denen eben auch die CDS-Kosten gedeckt werden müssen), andererseits werden die Ereignisse, die monetäre Katastrophen zunächst nur bedeuten, aufgeschoben, und dies wiederum beeinflusst deutlich die Katastrophen in der sog. Realökonomie. (Die seit einigen Jahren festzustellende sprunghafte Multiplikation des internationalen Kreditvolumens lässt sich eher durch den Handel der Forderungen von Eigentumskontrakten als durch die direkte Eigentümerschaft an Wertpapieren at full cost erklären, was nichts anderes heißt, als dass der fiktive oder nominale Wert der Derivate das Vielfache der direkten Kosten betragen kann.)

(In den Jahren vor der Finanzkrise 2007 wurden in den USA in großem Umfang Hypothekenkredite vergeben, in die der Kreditausfall von vornherein miteingerechnet war. Qua mortgagebacked und asset-backed securities wurde es möglich, eine große Anzahl von Hypothekenkrediten zu bündeln, deren Strukturierung, Evaluation und Bewertung immer komplexer wurde, was unter anderem auch dazu diente, toxische bzw. subprime Hypotheken zu verstecken oder zu waschen, indem sie mit tragfähigen Hypotheken gemischt wurden. (Die Effekte der seit den 1990er Jahren stattfindenden Expansion der Derivate als Geldkapital und als Macht-Instrumente des finanziellen Kapitals bestanden auch in der Vervielfachung informeller, opaker und zum Teil unlesbarer Strukturen, von internationalen Organisationen und maschinellen Abläufen, die jeder sozialen oder demokratischen Kontrolle entzogen waren.) Mit dem Instrument der collateralized default obligations (CDOs) wurden Bündel von Hypotheken geschaffen, die zunächst ein singuläres Risiko und einen singulären cashflow konzentrieren/verdichten, wobei diese Konzentrate wieder aufgeteilt, das heißt in verschiedene Ebenen mit verschiedener Kreditwürdigkeit tranchiert und damit rekombiniert werden können. Auch dadurch wurden die toxischen Tranchen verdeckt, verdunkelt und verkleidet. Das Instrument der Hypothek auf Wohnungen und Häuser geronn also zum Ausgangspunkt einer Kaskade von derivativen Preisbewegungen. Dabei ist die Hypothek selbst schon eine abgeleitete und zugleich dominante Form des „Besitzes“, denn die Hypothekenbesitzer können sich keineswegs Eigentümer des Hauses nennen, zumindest nicht bis zum Ende eines langen Periode der Amortisierung. Die kreditgebende Bank ist die wirkliche Eigentümerin, während die Hypothekenbesitzer mit ihren Zinszahlungen periodisch die Profite der Banken realisieren. Während die materielle Form des hypothekenbelasteten Hauses fix und unteilbar ist, besitzt seine finanzielle Form, die Hypothek, die differenzielle Struktur der Teilbarkeit und Rekombinierbarkeit im Zuge des Handels mit Derivaten. Die gesamte Architektur der Derivate ermöglichte es, durch diese Verdichtungs- und Differenzstrategien das Gesamtkreditvolumen der Kreditinstitute enorm auszudehnen.

Heute muss die Vergabe von Anleihen, Staatsanleihen und Krediten immer durch CDS-Versicherungen gedeckt werden. Wenn Banken Geld ohne Sicherheiten verleihen, dann schließen sie auf jeden Fall CDS-Versicherungen ab, und dies unter Umständen auch im Ausland, womit man das Risiko teilweise ins Ausland zu exportieren vermag. (Vgl. Mühlmann 2013: 59) Gerade die Kombination von Weltleitwährung und Einsatz von Derivaten wie CDS ermöglicht es den USA, Krisen ins Ausland zu exportieren bzw. Entropie zu transferieren. Dies geschieht im Kontext der Viralität von CDS-Versicherungen, die sich qua Klonierung zu differanziellen Kettenbriefen fortschreiben, in die per se der zeitliche Aufschub integriert ist, wobei die letzten Käufer, die in die Kette einsteigen, bevor ein Kreditereignis wie die Insolvenz eintritt, die Verlierer darstellen. So verkauften US-Banken vor der Subprime Krise eben zur Absicherung von unbesicherten Hypothekenkrediten ihre Derivate/CDS massiv ins Ausland, wobei die CDS ausgezahlt werden mussten, wenn es zu Bankrotten und Pleiten (vor allem in den USA selbst) kam. Wenn nun eine Abwertung des US-Dollar eintritt, dann ist bezüglich der CDS, die vormals mit der eigenen, später abgewerteten Währung bezahlt worden waren, eben auch mit Verlusten auch des auslandischen Kapitals zu rechnen. (Mühlmann 2013: 111).

In Europa hatten wir in den letzten Jahren nun folgende Entwicklung zu verzeichnen. Varoufakis spricht hinsichtlich der Struktur des ESM von einem Modell, das die Dominanz einer neuen Bankrottokratie ausdrücke, weil mit dem Geld zum einen die europäischen Pleitebanken gerettet würden, zum anderen mit der Ausgabe von differenziellen Eurobonds das System der Derivate erneut aufgegriffen (Bonds sind wie CDOs in verschiedene Tranchen strukturiert) und erweitert würde, sodass man Banken, Versicherungen und Hedgefonds geradezu einlade, neues spekulatives Geldkapital zu kreieren. (Varoufakis 2012: 207) Die Banken, Versicherungen und Hedgefonds kauften also die ESM-Anleihen und kassierten hohe Risikoaufschläge, die u.a. auf den Kosten der CDS basieren, die im Interbankenverkehr entstehen, wenn die Anleihen durch eben diese CDS abgesichert werden müssen. Weil die Mitgliedschaft in der Eurozone die am höchsten verschuldeten Staaten daran hindert, ihre eigene Währung abzuwerten, war es dem finanziellen Kapital ohne weiteres möglich, gerade auf Insolvenzen exakt dieser Staaten zu spekulieren, und dies geschah mit den Versichungsderivaten CDS, bei denen man gerade dann Renditen einfährt, wenn ein Staat seiner Insolvenz immer näher kommt. Heiner Mühlmann resümiert an dieser Stelle: “Damit befindet sich der Markt der Staatsanleihen zur Gänze in der Gewalt der strategischen CDS-Räume.“ (Mühlmann 213: 109) Und dies eben angesichts der Tatsache, dass mit Hilfe der CDS Gewinne genau dann realisiert werden können, wenn auf den Ausfall von schwachen Mitgliedsstaaten der EU wie Griechenland oder Portugal spekuliert wird, was zunächst zu einem Kursanstieg dieser CDS führt, worauf die Zinsen für Staatsanleihen dieser Länder steigen und sie, wenn kein Geld am Geldmarkt mehr zu bekommen ist (wie im Fall Griechenlands), beim ESM vorstellig werden müssen. Die Eurobonds und die mit ihnen entstandenen CDS trugen damit also erneut zu einer Expansion spekulativen Geldkapitals bei.

Einige amerikanische Hedgefonds verloren das Gros ihres Wertes, zwei deutsche Banken gerieten in Liquiditätsnöte. In Großbritannien, wo die Einlagen der Sparer nur zu einem geringen Umfang abgesichert sind, zeichnete sich zum ersten Mal seit 1866 ein Bank-Run ab: Sparer leerten ihre Konten bei Northern Rock und entzogen der Hypothekenbank Milliarden-Pfund-Werte. Sogar in Kasachstan und Indonesien waren Auswirkungen zu spüren. Sicherlich hat ihr rasches Um-sich-Greifen zum einen mit den gewachsenen Möglichkeiten der Informationstechnologie zu tun. Diese erleichtert Finanzmarktakteuren die Investition auf ausländischen Märkten – oftmals aber fehlt ihnen ein adäquates Verständnis für die Risiken, die sie auf Fremdmärkten eingehen.Zum anderen hängt die internationale Krisen-Ausbreitung mit der Liberalisierung der Finanzmärkte zusammen. Zumal in Schwellenländern Kapitalmärkte überstürzt dereguliert wurden, ohne dass eine starke Bilanzaufsicht, andere Aufsichts- und Regulierungsstellen und Transparenzregeln geschaffen wurden, die ein Minimum an Stabilität garantieren. Die Flucht in sichere Anlagemöglichkeiten ist dann schon programmiert, Selbst in entwickelten Finanzmärkten wie denen der USA und Westeuropas bleibt die Aufsicht über Finanzmarktinnovationen hinter dem Wünschenswerten zurück. Dies gilt auch für den Markt mit hypothekenbesicherten Wertpapieren (mortgage-backed securities, MBOs) und anderen forderungsbesicherten Schuldpapieren (collateralized debt obligations, CDOs), der erst in den neunziger Jahren größere Bedeutung für die Finanzmarktpraxis erlangte. Dies gilt aber auch für den Bankensektor. Im Verlauf eines Booms, so Minsky, steigen zunächst die Finanzmarktwerte, womit – scheinbar – auch die Bonität potentieller Schuldner zunimmt. Die Gewinnhoffnungen klettern, die realistische Wahrnehmung von Risiken leidet. Banken und Finanzhäuser intensivieren ihre Kreditvergabe, weil sie selbst problemlos an Kredite herankommen.Der "irrationale Überschwang" führt zu einem Übergang von der rein spekulativen zur "Ponzi-Finanzierung" – spätestens ab diesem Punkt entsteht bedrohliche Instabilität. Kein Zufall ist, dass die gegenwärtige Krise vom Immobiliensektor ausging. Zum einen hat die bisher hohe Liquidität im Markt zu einem markanten Anstieg der Häuser- und Grundstückspreise geführt – diese trügerischen "Sicherheiten" heizten die Schuldenaufnahme an, die amerikanische Kreditmaschine funktionierte. Zum anderen wurden durch den Weiterverkauf von Immobilienkrediten in Form von hypothekenbesicherten Wertpapieren die Risiken der Schuldenaufnahme breit gestreut. Hedgefonds und Großbanken waren dabei stark involviert.Die aktuelle Kreditkrise verlief daher in – bisher - zwei Akten. Ihren Ursprung nahm sie ihm Geschäft mit subprime-Hypotheken, also mit Immobiliendarlehen an Kunden unsicherer Bonität. Viele Haushalte mit geringem Jahreseinkommen wurden auf oft undurchsichtige Weise in solche Verträge hineingelockt.Spätestens nach der De-facto-Insolvenz zweier Hedgefonds der Investmentbank Bear Stearns, die in diesem Bereich spekulierten, sank auch bei anderen Finanzgeschäften die Bereitschaft der Banken zum Risiko. Die Geldhäuser vergaben weniger Kredite, sowohl an Kunden als auch unter sich, oder riefen gar Kredite zurück. Die Krise tangiert seitdem ganz neue Bereiche - Firmenanleihen, Überziehungskredite von Privathaushalten und sogar Anleihen für die Finanzierung des Universitätsstudiums (college loans). Die Frage lautet nun, ob ein Übergreifen der Kredit- und Bankenkrise auf die Realseite der Wirtschaft verhindert werden kann.

Ein bis heute nicht ganz von der Hand zu weisender ökonomischer Diskurs besagt, dass gerade weil man die virale Wirkung der finanziellen Instrumente und ihrer Risiken, vor allem der CDS und CDOs, nicht mit letzter Sicherheit auf bestimmte Sektoren einschränken oder die Bewertung nur auf bestimmte Unternehmen beschränken kann, die Finanzinstitutionen in den USA ab dem Jahr 2006 aufgrund ausfallender Hypothekenkredite Kredite und Liquidität aus dem interfinanziellen Handel abziehen mussten, was schließlich trotz der ständigen durch die FED initiierten Geldzuflüsse und Stützungsmaßnahmen im Kollaps von großen Finanzunternehmen wie Lehman Brothers im Jahr 2008 endete. Damit war man endgültig in die typische, nach Keynes benannte Liquiditätsfalle geraten, und dies, wie wir es schon kurz angesprochen hatten, im globalen Maßstab. Es war Keynes, der darauf hinweis, dass in einer Rezession die Zinsen nicht weiter fallen können, wenn sie erstmal bei Null liegen. Wenn aber die Preise weiter fallen, dann steigt zwar nicht der nominale, dafür aber der reale Zinssatz an, was die Krise nur noch weiter verschärft. Und tatsächlich brach mit der Finanzkrise 2007f. auch die stark kreditgestützte Realökonomie in sämtlichen Sekoren (Haushalt, Staat und Unternehmen) ein, wobei die Krise durch die folgenden staatlichen Austeritätspolitiken noch wesentlich verschärft wurde. Der Bankrott von Lehman Brothers bildete hier ein entscheidendes Ereignis: Die Kredit- und Derivatmärkte stagnierten oder froren ganz ein, es kam zur Fusionierung und Verstaatlichung von Banken, die in den USA zunächst mit 700 Mrd. Dollar gerettet werden mussten. (Die Finanzkrise 2007f. bildet nur den vorläufigen Abschluss einer Reihe von vorausgegangenen Finanzkrisen: Mexiko 1994, Asienkrise 1997/98, Russland 2009, Argentinien 2000/2001.) Während das Epizentrum der globalen Finanzkrise in den (in)formellen Organisationsformen des finanziellen Kapitals, seines Kreditsystems und seiner Derivatindustrie lag und auch den Staat-Finanz-Nexus betraf, gelang es dem Kapital insgesamt seine Macht gegenüber den Lohnabhängigen qua sinkender Kaufkraft und wachsender ungleicher Einkommensverteilung weiter zu stärken, wobei konstatiert werden muss, dass weder Konsumentenkredite noch die zu schnelle Ausweitung der Produktion von Gütern in anderen Teilen der Welt die globale Krise zu lösen in der Lage waren.

 

Literatur: Heiner Mühlmann 2013: Europa im Weltwirtschaftskrieg. Philosophie der Blasenwirtschaft.

Yanis  Varoufakis 2012: Der globale Minotaurus. Amerika und die Zukunft der Weltwirtschaft,

 

 

Der Beitrag Anmerkungen zu Yanis Varoufakis: Der globale Minotaurus. erschien zuerst auf non.

Deleuze/Guattari und Quanten-Finance

$
0
0

article

Deleuze/Guattari fordern uns dazu auf, mindestens drei Denk-Modelle auf die theoretische Analyse der Ökonomie anzuwenden, indem sie selbst das Bild der Strömung, das ihrerAnsicht zufolge jedes Modell artikuliert, nachzeichnen. Erst das dritte, das molekular-performative Modell setzt die Kraft-des-Denkens richtig in Szene. (Laruelle setzt den Begriff Kraft-des-Denkens in Kontrast zum Gedanken. Gedanken oder Denken sind „falsche“ Repäsentationen, die in den akademischen Feldern der Konzepte entwickelt und dort auch gehandelt werden. Die Kraft-des-Denkens ist dagegen die wichtigste Erfahrung des Denkens, die dem transzendentalen Axiom des Realen folgt.) Das erste auf die philosophische Klassik bezogene Denkmodell fragt in einer Art philosophischer Selbstvergewisserung permanent nach, wie es dem Baummodell gelingen kann, durch unidirektionale Prozesse unter Umständen auch chaotische Strömungen linear zu verteilen. Ein zentralisierter Baumstamm teilt sich in zwei; eine derartige Binarität leistet die dualistische Verteilung der Ströme. Oder um es anders zu sagen, vom Zentrum der Macht her strahlen die Sprossen mittels eines einheitlichen, synchronisierten Sets von homogenisierten binären Prozessen aus. Digitalisierung, die Teilung der Eins in Zwei, bedeutet, dass zwei Terme, egal welche, zueinander in Relation gesetzt werden: bezüglich der Information erfolgt die Aufteilung in zwei Formen, bezüglich der Sprache die Aufteilung in Repräsentation und Repräsentiertes, bezüglich des Denkens die Aufteilung zwischen Denker und dem, was er denkt. Das Digitale enthält somit das Potenzial die Dinge und Objekte zu trennen und fortlaufend weitere Unterschiede zwischen ihnen zu machen. Mit Alexander Galloway fassen wir das Digitale nicht als Unterscheidung in Null und Eins, vielmehr als die grundlegendere Unterscheidung/Teilung in Eins und Zwei, die es ermöglicht immer weitere Unterscheidungen zu generieren. Und diese Art der Verteilung betrifft selbst noch diejenigen Bäume, die in ihrer organisatorischen Verteilung nicht strikt vertikal angelegt sind.

Auf die Analyse der Ökonomie bezogen heißt dies, dass es darzulegen gilt, wie es dem Baumsystem gelingt, verschiedene ‘Unit Dipole’ (Institutionen, Agenten, Assets etc.), die alle in eine lineare Richtung expandieren, so zu verlinken, dass die von einem Zentrum (Link-Dipol) aus immer schon vorgeschriebenen, euklidischen, etablierten Routen befolgt werden. Dabei geht es Deleuze/Guattari hier nicht ausschließlich um die Untersuchung der Funktionsweisen von Planwirtschaften, sondern es können durchaus auch Analysen über die Funktionsweisen von Institutionen wie die Notenbanken unserer heutigen kapitalistischen Ökonomien als Untersuchungsmaterial angestellt werden. So kombiniert bspw. die amerikanische FED „Open Market Operations“ - eine an den finanziellen Sekundärmärkten und deren Verlaufsformen orientierte Offenmarktpolitik - mit souveränen Entscheidungen (bezüglich der „short term interests rates“), um wurzel- oder baumähnliche Modi der Verteilungen von Geldkapitalströmen zu kreieren. Derlei Aktionen der Notenbanken können die Geldmenge und die Geschwindigkeit der Geldzirkulation durchaus verändern, beeinflussen aber heute in einem geringerem Maß als noch vor 30 Jahren die Preise und Liquidität an den Finanzmärkten, mit der schließlich auch die Preise der klassischen Warenströme manipuliert werden (es besteht weder zwischen Geldbasis und Geldmenge noch zwischen Geldmenge und Inflation ein fester Zusammenhang qua Geldschöpfungsmultiplikator). Die Notenbanken sind als nicht-staatliche Institutionen zugleich von staatlicher Seite her authorisiert, als ein ‘Link-Dipol’ an den Geld- und Kapitalmärkten zu agieren, um mit dem Rest der ‘Unit-Dipole’ der Ökonomie (Waren-, Equity- und Konsumwarenmärkte) zu interferieren. Sie versuchen sog. target-interest rates zu implementieren, womit sie über gewisse Möglichkeiten verfügen, die Geldnachfrage tatsächlich zu regeln (durch den Kauf und Verkauf von Treasuries), und geben damit im Rahmen einer hierarchischen Verteilung von Informationen kontinuierlich Signale an den Märkte ab. In der Tat versuchen die Notenbanken alles, um die Relationen zwischen dem Molaren und dem Molekularen zu kontrollieren und zu regeln, aber sie bleiben letztendlich durch das bestimmt, was ihnen entflieht, oder, um es anders zu sagen, durch ihre Impotenz, die sie darin hindert, die Geldkapitalströme umfassend regulieren zu können und die damit ihre angeblich unumstößlichen Macht- und Einflusszonen immer wieder der Gefahr der Krise aussetzt. Die Vorgabe von Wachstums- und Geldmengenzielen - intermediäre Zielgrößen wie Zins- und Diskontsätze, Bestimmung der Bankrerserven etc. - haben in den letzten Jahrzehnten in den Ökonomien an Wirkung stark eingebüßt und werden nun intensiver denn je vom real-finanziellen Kapital und seinen Maschinen beeinflusst, die im Zuge ihrer ultraschnellen Transaktionsketten die Kreditbewegungen, Zinssätze, Währungsschwankungen und Preise selbst modulieren. Sachverhalte wie die Expansion des Kredits, permanente Zinsschwankungen und die differanzielle Bewegung der Derivatpreise sind dem Zugriff der Notenbanken weitgehend entzogen. Im Gegenteil, die Notenbanken sehen sich nun selbst gezwungen, offensiver denn je Offenmarktpolitik zu betreiben und an den Geldmärkten zu handeln; sie mutieren selbst zu Investoren, wenn nicht gar zu Spekulanten, und dies mit der Konsequenz, dass sich die Festlegung der Geldquantitäten, die als Steuerungsgrößen eine stabile Relation zu Preisbildungsprozessen aufweisen sollen, durch ihre eigenen Aktivtäten immer weiter verschiebt

.Das zweite Denkmodell zeichnet sich Deleuze/Guattari zufolge als ein System der kleinen Wurzeln aus, wie es insbesondere in der Moderne zur Anwendung kommt. Deleuze/Guattari schreiben: "Die Hauptwurzel ist (hier) verkümmert, ihr Ende abgestorben, und schon beginnt eine Vielheit von Nebenwurzeln wild zu wuchern." Für Deleuze/Guattari unterscheidet sich dieses Modell jedoch nicht wesentlich vom Baummodell, denn das System der kleinen Wurzeln muss wegen einer Reihe von gesellschaftlichen Restriktionen die Idee der Vielheit ganz klar verfehlen; es berücksichtigt zwar die Vielfalt der Erscheinungen der äußeren Welt, aber dennoch scheint es nur einem identischen Subjekt möglich, jene zu koordinieren. Somit wird die prinzipielle Dualität des Denkens überhaupt nicht beseitigt, vielmehr wuchert sie in der fortwährenden Teilung des Objekts sogar noch stärker fort, während das Subjekt zugleich als ein neuer Typ von totalisierender Einheit erfunden wird.

Auch hinsichtlich ökonomischer Analysen findet man in diesem Modell das geheime Einverständnis mit der höheren Einheit vor, und dies jenseits einer Tendenz, die zur molekularen Vielheit führt: Kontingenzen wie sie im Angebot-Nachfrage Verhältnis, der dezentralisierten Kausalität und der Stochastik der Preisbewegungen angelegt sind, dürfen zwar als Beispiele für Vielheit gelten, aber diese Kontingenzen sind begrenzt; sie sollen schließlich den sog. „freien Marktkapitalismus“ als das Modell eines determinierenden, hierarchisch organisierten Kapitals und seines Staates (ideeller Gesamtkapitalist) affirmieren, indem sie umstandslos die Macht der höheren Einheit (Quasi-Transzendentalität des Kapitals) anerkennen, die eine bestenfalls gleichgewichtige Organisation der Verteilung von Geldkapitalströmen zu gewährleisten hat. Es geht Deleuze/Guattari darum zu zeigen, dass das zweite Modell den (apersonalen) „General“ - eine durchaus apersonale Einheit, die jedoch entweder an das Objekt oder an das Subjekt gebunden bleibt - des ersten Modells, der für n-Entitäten notwendig ist, um unisono deren Management zu leisten, angesichts der Funktionsweisen der kapitalistischen Konkurrenz für unerlässlich hält, wenn es darum geht, die Kapitalakkumulation zyklisch stabil bzw. in einem Stadium des Gleichgewichts zu halten.

Kommen wir nun zum dritten Modell. Für Deleuze/Guattari muss das Multiple bzw. die Vielheit andauernd produziert werden, und zwar nicht, indem man den bisherigen Modellen unaufhörlich höhere Dimensionen hinzufügt, sondern indem man umgekehrt in der einfachsten Art und Weise die Einheit vermeidet, also immer n-1 anschreibt. In gewisser Weise ist das Rhizom nicht, es ist allenfalls vielfältige Bewegung unter Ausschluss der zentralen Eins, es leistet eine Subtraktion, die aus jeder Bewegung eliminiert, was sich als Eins bzw. determinierende Einheit präsentieren will. Ein solches Konstrukt bezeichnen Deleuze/Guattari als Rhizom, das durch sechs grundlegende Prinzipien oder Eigenschaften gekennzeichnet ist: a) n-dimensionale Konnektivität, b) Heterogenität, c) Multiplizität oder Vielheit, d) asignifikanter Bruch oder Non-Linearität, e) Kartographie, und f) Decalcomania.

Man könnte sich nun ganze Cluster von Märkten vorstellen, die von vielfältigen Operatoren und Vektoren bevölkert sind, welche at once Hedging, Arbitrage und Spekulation betreiben, und zwar mit Hilfe von verschiedenen Assets und ihren verschiedenen Klassen des Tauschs und den Anforderungen, die durch die ökonomischen Eigenschaften/Objekte der Assets jeweils gegeben sind, um schließlich den Markt kontinuierlich als einen mobilen Horizont von heterogenen, qunatifizierenden Regimen der Zeichen, Diagramme und Technologien zu kreieren. Diese Prozesse nennen Deleuze/Guattari ökonomische Kriegsmaschinen. Dabei gilt es die Volatilität der Preisbewegungen eines Assets bis zu einem gewissen Grad durch die Differenzierung von Konzepten (Innovation eines Derivats bzw. eines Derivatemarkts), Techniken (mathematische Formalisierung bzw. Standardisierung) und Operationen (Strategien wie dynamic hedging) zu regulieren, wofür man Verfahren der ständigen Kalibrierung und Rekalibrierung benötigt, da kalkulierende Prognosen in neue Prognosen geteilt werden können (Derivate werden nicht nur auf Basiswerte, sondern auch auf Derivate geschrieben). Zukünftige Ereignisse gilt es zu identifizieren und zu quantifizieren, ihre Wahrscheinlichkeiten zu evaluieren, um ihnen entsprechende Preise zuzuteilen und auf kommende Investitionsentscheidungen anzuwenden. Dies geschieht heute vornehmlich mittels quantitativer (mathematischer) Operationen, in denen etwa stochastische Reihen Anwendung finden.

In diesem Kontext spricht Randy Martin bezüglich der Derivate von einer neu aufkeimenden Möglichkeit, derivative Sozialität auf planetarischem Niveau einzuführen, oder vom phantasmatischen Bruch mit der linearen Zeit. Er schreibt: „Während Derivate in einer Sprache der futures und forwards, der gegenwärtigen Vorwegnahme dessen, was zukünftig ist, konzipiert sind, […] spricht der Akt der Bündelung von Attributen für eine Orientierung nach allen Seiten hin, die ein Effekt von gegenseitiger Kommensurabilität ist.“ Wir müssen jedoch feststellen, dass die deterritorialisierten bzw. virtualisierten Geldkapitalströme bzw. die Derivate heute längst selbst rhizomatische Eigenschaften prozessieren, i.e. molekulare-dynamische, volatile Prozesse, die in der Lage sind, selbst noch die metrisierten Zahlungsströme mit fungibleren, anexakten und topologischen Strömen des Finance-Geldes zu verlinken, wobei - das scheint hier essenziell zu sein - diese molekularen Kompositionen der Geldkapitalströme die metrisierten Segmente der Ökonomie und ihrer Zahlungsströme heute dominieren, die allerdings nach wie vor wichtige makroökoomische Parameter wie Zinsraten, Verhältnis von Angebot und Nachfrage etc. setzen oder zumindest beeinflussen (letzteres verweist auf die extensive Determination des Werts oder des kardinalen Werts). In den ökonomischen Rechenschaftsberichten und Bilanzierungen werden Linien und Segmente in bestimmten Metriken aufgezeichnet, in numerische Register oder Maße, und dies ausgehend von gegebenen Werten oder Bestandsgrößen. Diese Linien sind stratifiziert; es geht um die gekerbten Metriken der Geldkapitalströme bzw. die dominante Metriken des kardinalen Werts, bspw. empirisch-statistische Daten wie Löhne, Nettoersparnisse, Nettoprofite, Zinsraten, Kapitalforderungen, Investments, Konsumtion etc.: Das ist die klassische Herangehensweise der Wirtschaftswissenschaften Werte zu repräsentieren - kardinale Werte. Die Machtzentren der Ökonomie, wie sie etwa in den Notenbanken verdichtet sind, versuchen permanent die molaren und die molekularen Ströme zu vermitteln. Selbst die quantitative Finance übernimmt hier eine Vermittlungsfunktion. Sie ist eng an die Informatik und Big-Data-Technologien gekoppelt, bedient sich der Forschungen zur künstlichen Intelliigenz oder der evolutionären Algorithmen, die in spieltheoretischen Simulationen eingesetzt werden und der Optimierung der Computerhardware und der Kommunikationsnetze dienen. Das Molare wird durch die Makroökonomie definiert (rigide, veridikal, euklidisch, baumartig etc.). Hingegen zeichnet sich die Mikroökonomie durch Eigenschaften wie Fungibilität, Horizontalität, Topologie, Rhizomatik etc. aus.

Es gibt eine doppelte reziproke Abhängigkeit zwischen den beiden Bereichen zu vermelden: Wann immer eine fixierte Linie identifiziert wird, kann man unter Umständen wahrnehmen, dass sie in einer anderen Form fortwuchert, bspw. als ein quantum flow. In jeder Instanz lässt sich an der Grenze zwischen Molarem und Molekularem ein Machtapparat verorten, der keineswegs durch absolute Machtausübung, sondern durch relative Adaptionen und Konversionen, die bestimmte Effekte in den Geldkapitalströmen nach sich ziehen, gekennzeichnet ist.
Mit dem Begriff des Rhizoms beginnen Deleuze/Guattari ihr Konzept des ordinalen Werts genauer zu skizzieren, das sofort die Frage nach der ökonomischen Quantifizierung, Bewertung und Bewegung von differenziellen Preisen in glatten Räumen aufwirft, die sich der Metrisierung entziehen. Jede Stratifizierung, Repräsentation und Metrisierung, egal, ob sie durch den Preis oder einen anderen ökonomischen Parameter durchgesetzt wird, muss sich heute auf die nicht-quantitative Differentation einer rhizomatischen, finanziellen Ökonomie beziehen. Es könnte sogar sein, so zumindest Deleuze/Guattari, dass in einer Ökonomie der molekularen Kriegsmaschinen selbst noch das Geld, zumindest in seinen Funktionen als Maß und Zirkulationsmittel, durch die es Bewertungen metrisiert und bewegt, nicht länger benötigt wird.

In beiden hier besprochenen Räumen gibt es Punkte, Linien und Oberflächen. Im gekerbten Raum sind die Linien meist den Punkten untergeordnet, i.e Linien stellen nur die Verbindungen zwischen den Punkten her; im glatten Raum finden wir das umgekehrte Prinzip vor, i.e. die Linien gehen durch die Punkte hindurch. Im glatten Raum des Kapitals transformiert die Linie unweigerlich zum Vektor (einer Richtung) - produziert durch örtlich begrenzte Operationen und Richtungsänderungen, und somit ist sie als nicht-dimensional und nicht-metrisch zu fassen. Die Materialien verweisen im glatten Raum auf vielfältige Kräfte oder dienen ihnen als Symbole, während im gekerbten Raum es stets die Formen sind, die die Materie organisieren.Organlose Körper, Entfernungen, symptomatische und einschätzende Wahrnehmung des glatten Raumes stehen dem Organismus und der Organisation, den Maßeinheiten und dem Eigentum des gekerbten Raums gegenüber.

Linien sind als konstitutive Elemente von Dingen und Ereignissen verstehe; die Linie bedeutet nicht Einheit des Einen, sondern eine Einheit, die sich durch Vielfalt auszeichnet (one-all). Das Einzelkapital mit seinen vielfältigen Komponenten zieht im offenen System des Rhizoms (ein Geflecht/Faltung von Linien) unaufhörlich Linien und wird von ihnen im Kontext des Gesamtkapitals gezogen - es nimmt die Linien für die kontinuierliche Effektivierung der Akkumulation in Anspruch, um keineswegs nur statische Produkte zu erzeugen, sondern für sich selbst die Optimierung der Linien im Kontext seiner Kapitalisierung zu erreichen.

Es geht hier in erster Linie nicht länger um die Herstellung von Produkten (Anzahl und Qualität incl. der Input- und Outputs), sondern um die Kreation von profiträchtigen Linien/Wellen/Vektoren, die nicht-linear und spiralförmig verlaufen - infinite und a-lineare Linien, die in alle Richtungen fliehen. Dieser per se virtualisierende Aspekt des Kapitals wird durch das ökonomische Mathem und dessen quantifizierenden Modus supplementiert, aktualisiert und damit immer auch restringiert. Dabei gilt es festzuhalten, dass der Kult um »die« Dialektik als Ariadnefaden zur Beherrschung des Labyrinths des Kapitals im Grunde immer versucht hat, das Algebraische nur als Ableitung des Sprachlich-Begrifflichen zu denken. Darin liegt zwar eine gewisse Notwendigkeit des theoretischen Zugangs, doch wurde dabei die Polarität der Opposition zugunsten des sprachlichen Logos verschoben. Der durch die deterritorialisierten Geldkapitalströme geleistete Differenzierung, Temporalisierung, Modulierung und Glättung des Maßes (des Geldes), korreliert das Mathem der Ökonomie (Modularisierung) bzw. die komplexe Logik des Algorithmus, der heute die Messungen ausführt. An den Derivatmärkten spielt die nicht-quantifizierbare Rhythmisierung eine immer bedeutendere Rolle, obgleich sie durch die an anderer Stelle beschriebenen Algorhythmen, die in diskreten Schritten temporal-rhythmische, derivative „Messungen“ ausführen (Volatilität), inkorporiert und aktualisiert werden muss. Die erste Art der Rhyhtmisierung dient rein der Verwertung des Geldkapitals, das pemanent spekulative Linien zieht, die weniger den Wert der Waren oder der Unternehmen dokumentieren, als die Optimierung des Geldkapitals anstreben.

Um einen direkten Zugriff auf die Preisbildung zu bekommen, die immer stärker ohne die »Latenzzeit« menschlicher Handlungsgeschwindigkeit auskommt, war es zunächst notwendig, die elektronischen Märkte zum Paradigma der Preisbildung zu machen. Einen wichtigen Moment in dieser Entwicklung stellt die Einführung der Art Open Source-Plattform Island, dar, die es erlaubte, buy und sell orders abseits der bekannten Börsenplätze und ihrer Market-Maker zu platzieren. Sie ging 1996 an den Start und machte den Weg für den automatisierten Handel für. Diese Innovation führte nicht nur zu radikalen Veränderungen an den Wertpapierbörsen-Plätzen (etwa der NYSE oder NASDAQ), sondern auch zu einer Verringerung der menschlichen Arbeitskräfte (mit wenigen Ausnahmen), die den Börsenhandel bis zu diesem Zeitpunkt beherrscht hatten: Die auf affektive wie intellektuelle Interaktion aufbauenden Trader, die die Preisbildung am Handelsparkett bestimmten, waren redundant geworden. Der Handel mit der Zukunft in immer mikroskopischeren Gegenwartsmomenten, unter Berücksichtigung gigantischer Mengen von historic data und der Automatisierung des order flow versprach Märkte mit hoher Liquidität und Fairness in der Preisgestaltung. Auch die Regulierungsbehörden waren, wie Haim Bodek betont, davon angetan, führten diese Systeme doch zu einer Verringerung des Spread , der Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreisen, von denen die Market-Maker lebten, und damit zu eine besseren Auftragsausführung für alle Marktteilnehmer, also auch für verhältnismäßig unerfahrene Privatanleger mit kleinen Budgets.

Gerald Raunig spricht neben der rein spekulativen oder virtuellen Linie von einer abstrakt-dividuellen Linie, die die Dinge und Relationen durchquert, er spricht von der sozialen Fabrik der neuen prekarisierten Unternehmen, von deterritorialisierten Hypotheken und Krediten etc., die als Risiken qua Derivate gebündelt und neu zusammengesetzt und in einen singulären cashflow und ein einziges Risiko verwandelt werden, um dieses wieder in Tranchen zu zerlegen (CDO), mit dem Ziel weitere Profite zu generieren. Er zitiert in diesem Kontext Randy Martin, dessen Argumentation hier erneut auf die Dominanz des finanziellen Kapitals gegenüber dem mit ihm untrennbar verbundenen „Realkapital“ verweist. Martin schreibt in seinem Buch Knowledge Ltd: „Während das massenhafte Fließband all seine Inputs an einem Platz versammelte, um eine straff integrierte Ware zu erzeugen, die mehr war als die Summe ihrer Teile, spulte das financial engineering diesen Prozess verkehrt ab, indem es eine Ware in ihre konstituierenden und veränderlichen Elemente zerlegte und diese Attribute zerstreute, um sie zusammen mit den Elementen anderer Waren zu bündeln, die für einen global orientierten Markt für risikogesteuerten Austausch interessant sind. Alle diese beweglichen Teile werden mit ihrem Risiko-Attribut wieder zusammengesetzt, sodass sie als Derivat mehr wert werden als ihre individuellen Waren.“ Das Derivat ist weit mehr als nur ein geschriebener Vertrag, der den Austausch einer Gegenstandes oder Ware zu einem zukünftigen Zeitpunkt und zu einem bestimmten Preis regelt, er ist ein finanzielles Instrument, das entgegen den Vorstellungen der Trennung von finanzieller und realer Ökonomie auf eine dem Geld supplementäre Weise (es muss stets in Geld realisiert werden) eine Art Messung qua Vergleich zukünftiger Geldkapitalströme ermöglicht, und damit die Regulation und Kopplung der verschiedenen ökonomischen Bereiche, Einzelkapitale und Kapitalfraktionen ermöglicht, sie gerade über bestimmte Differenzierungsprozesse miteinander kommensurabel macht, wobei die Derivate eben je schon in Geld realisiert werden und selbst als eine Form des Geldkapitals zu verstehen sind. Randy Martin schreibt über die Differenzierungsprozesse der Derivate:„Während uns die Waren aber als Einheit des Reichtums erscheinen, die Teile in ein Ganzes abstrahieren kann, sind Derivate noch immer ein komplexerer Prozess, in dem Teile nicht mehr einheitlich sind, sondern ständig zerlegt und wieder gesammelt werden, wenn unterschiedliche Attribute gebündelt werden und ihr Wert die ganze Ökonomie übersteigt, unter die sie einst summiert worden waren. Größenverschiebungen vom Konkreten zum Abstrakten oder vom Lokalen zum Globalen sind nicht länger externe Maßstäbe der Äquivalenz, sondern im Inneren der Zirkulation der gebündelten Attribute, die Derivat-Transaktionen vervielfältigen und in Bewegung versetzen.“

Im Diagramm eines synthetischen Assets werden die diskreten Elemente, die ja nichts weiter als die ökonomischen Eigenschaften des Assets (cashflow, Fristigkeit, Preis, Risiko, Volatilität etc.) sind, zueinander in Beziehung gesetzt. Man kann es nun dabei belassen und sagen, die Relationen extistieren vor den Relata, die sich aber nicht auflösen, oder man kann mit Nietzsche sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen, dass die Eigenschaften eines Dings nur Effekte auf andere Dinge sind, und wenn man dann den Term „anderes Ding“ wegnimmt, dann hat ein Ding gar keine Eigenschaften mehr, also gibt es definitiv kein Ding ohne andere Dinge. Dinghaftigkeit lösst sich damit ganz in den Flux der differenziellen Ereignisse auf. (Wenn man unter Anerkennung der Dominanz der Relationen gegenüber den Relata diese nicht ganz in Ereignisse auflöst und sie in einer relativen Unbahängigkeit belässt, dann verbleibt dies immer noch innerhalb der Relation „Relation und Relata“. Könnte hingegen mit Heidegger die objektive Partikularität der Relata als abhängig von einem Realen gedacht werden, von einer nicht-objektiven Transzendenz, die jedes Relata in zwei formale unterschiedene Seiten trennt, wobei eine Seite der Entbergung und Verbergung in Richtung des Seins des Seiendem zugeordnet ist, und eine Seite dem Objekt, das indifferent gegenüber der anderen Seite ist. Heidegger stellt hier die Frage nach der Irreversibilität als solche, die sich am Ende nicht selbst verleugnet. Das kantianische Ding an sich ist eine essenzielle Subtraktion, als tautologische Subtraktion in sich selbst als die Essenz des Seins. Nichts nichtet.)

Was ist nun unter einem „quantum flow“ zu verstehen? Es ist ein deterritorialisierter Strom des Finanz-Geldes, der keine Segmente und keine stratifizierten Linien kennt, sondern Singularitäten und Quanten. Dabei gelten die Pole der jeweiligen Ströme als Verdichtungen, an denen Geld kreiert und zerstört wird; Singularitäten bedeuten die nominalen liquiden Assets und die Quanten stehen für Prozesse, etwa Inflation, Deflation und Stagflation. Über Derivate lassen sich bestimmte Verteilungen und entsprechende Ryhtmisierungen der Geldkapitalströme in andere Formen und zur gleichen Zeit beobachten. Für Deleuze/Guattari liegt jeder Quantenstrom „tiefer“ als die Geldkapitalströme, deren Metriken sich auf Elemente von kardinalen Werten beziehen: Es handelt bei den Quantenströmen um mutante, konvulsive, kreativ, zirkulatorische und materielle Strömungen, die an das Begehren gebunden sind und immer tiefer liegen als die soliden Linien und ihre Segmente, die bspw. Zinsraten und das Verhältnis von Angebot und Nachfrage determinieren. Für Deleuze/Guattari gibt es also zwei ökonomische Denkweisen, a) die der ökonomischen Rechnungsführung (Segmente und solide Linien einer molaren Organisation, die determinative Metriken des kardinalen Werts repräsentieren), b) die des Finanz-Geldes, das man heute als Strömung der Finance oder eben als finanzielle Ströme bezeichnet. Miyazaki hat in seinem Buch "Algorhythmus" gegen die Metapher des Strömens den Begriff des Rhythmus ins Spiel gebracht, der für die Beschreibung von digitalen Netzwerken und den Gefügen der Speicherung, Übertragung und Bearbeitung präziser sei, weil er ein diskretes, katastrophisches Fließen anzeige, das als Algorhythmik zwischen dem Diskret-Stoßhaften und dem kontinuierlich-Fließenden anzusiedeln sei. Mittels der algebraischen Logik kann Steuerung und Kontrolle als eine Kette von Schaltungen beschrieben werden, die der Herstellung von Fließgleichgewichten dienen, »wobei der Ausdruck ›Fließen‹ nur verdeckt, daß es sich in jedem Moment nur um mehr oder weniger große Abstände binärer Zustände handelt, bis zum Grenzwert ihres Zusammenfallens.« (Bahr)

Die Problematisierung der Quantenphysik verspricht an dieser Stelle Aufklärung. Sie hat die Grundlagen der klassischen Physik durch die bahnbrechende Einsicht von Max Planck erschüttert, dass Strahlung wie etwa das Licht, das bis dahin als kontinuierliches Phänomen betrachtet wurde, unter bestimmten Bedingungen ein Quantum sein oder diskontinuierlichen Charakter haben könne. Gemäß der klassischen Auffassung verhält sich das Licht wie eine Welle, aber seit Einsteins Entdeckung, dass Licht unter gewissen Umständen sich als Partikel verhalten kann, musste die klassische Position in der Physik anerkennen, dass es Unbestimmtheit gibt, i.e. der Wellen- oder Partikel ähnliche Zustand des Lichts kann nicht zur gleichen Zeit beobachtet werden. Die Visualisierung oder Repräsentation des Quantenphänomens in einem einzigen Bild ist nicht möglich.

Das Konzept der Komplementarität, das von Nils Bohr erfunden wurde, stellt in ähnlicher Weise wie später Derrida (anhaltende Gegensätze zur gleichen Zeit) einen Bezug zwischen Quantenmechanik und Philosophie her. Wenn die Hauptfrage diejenige ist, ob ein Objekt zur gleichen Zeit gegensätzliche Eigenschaften der Welle und des Partikels annehmen kann, so zeigen spätere Experimente, dass dass “wave-like” and “particle-like” nicht einmal Eigenschaften oder Attribute sind, die sich Quantenobjekten zuschreiben lassen, weil diese Designationen auf klassischen Konzepten beruhen, die radikal neue Phänomene zu beschreiben versuchen. Neue Designationen brachten sogar die Frage auf, ob Quantenobjekte überhaupt als Objekte gedacht werden können. Damit war die Physik plötzlich mit dem Unbestimmbaren konfrontiert, das beobachtbar nur in seinen Effekten ist. Die unerkennbaren Objekte von Quantenphänomen wurden als “efficacities” bestimmt, i.e. sie sind uns nur durch ihre Effekte zugänglich, die man aber nur mit den Konzepten der klassischen Physik beobachten und verstehen kann. Die klassische Physik und die ihr eigenen Prinzipien der Kausalität benötigen die Konstrunktion eines Modells, mit dem die Interaktion zwischen natürlichen Objekten und natürlichen Phänomenen beobachtet, gemessen, erklärt und verifiziert werden kann. In der Quantenmechanik wäre ein solches Modell nicht möglich, da nur die Interaktionen zwischen den Effekten of the efficacities (Wirksamkeiten) und den Messinstrumenten beschrieben werden können. Wie Bohr sagt, benötigt all dies eine Abkehr nicht nur vom klassischen Prinzip der Kausalität und seiner Visualisierung, sondern geerelvon der klassischen Einstellung hinsichtlich des Problems der physikalischen Realität. Wenn aber das Nicht-Wissbare nur durch seine Effekte erkennbar ist – durch die Konzepte der klassischen Physik –, dann benötigt solch eine Situation eine Revision dessen, was Realität konstituiert, und somit lässt sich kaum nochdem Modell eines Modells folgen, oder etwa dem Konzept des Modells der klassischen Physik. Im Gegensatz zu klassischen, kausalen und deterministischen Art und Weisen Modelle gemäß Modellen zu konstruieren, bewiesen die Quantenphänomene, dass solche Arten des Modellierens nicht fuktionieren, weil in der Quantenmechanik generell das, was bisher für garantiert gehalten wurde, auf dem Spiel stand. Die Quantentheorie kann aus dieser Perspektive als eine Krise der Repräsentation betrachtet werden, ihrer Modelle und der Mimesis, des platonischen Modells eines Modells, mit dem die Wissenschaft generell fähig war, bestimmte Phänomene als vernünftig zu repräsentieren. Mit dem Aufstieg der Quantentheorie stand die Sichtbarkeit solcher Phänomene und damit ihre Repräsentation auf dem Spiel. In diesem Sinne war Bohr kein Hegelianer; sein Konzept der Komplemetarität stellte nicht nur das hegelsche Konzept der Synthesis grundlegend in Frage, sondern enthielt die Kritik einer Metaphysik der Präsenz. Bohr wäre vielleicht dem Dekonstruktivismus Derridas zuzuordnen, der nur dann Synthesis für möglich hält, wenn man die Metaphysik der Präsenz affirmiert. Für Bohr tat sich an an dieser Stelle wirklichein Abgrund auf. Und Bohr war vielleicht der Bataille der Physik, ein nicht-hegelianischer Hegel, der jede Art der Synthesis zwischen Gegensätzen unterbrach, um sie endlos in ihrem Auseinanderbrechen fortzusetzen.

Geldkapitalströme und ihrer Rhythmiken lassen sich auf der Ebene der Virtualisierung weder indexieren noch können sie durch die gängigen Metriken des betrieblichen Rechnungswesens gemessen werden, und sie können auch nicht durch neue Metriken und Segmente reguliert werden, vielmehr operieren sie zwischen und durch die Pole, um ständig neue Singularitäten und Quanten zu kreieren - sie bestimmen nicht zuletzt die molaren Determinanten der kardinalen Werte. Molekulare Geldströme lassen sich also nicht repräsentieren, sie widerstehen der Metrik und können sogar Fluchtlinien aufzeigen (aus den makroökonomischen Indikatoren), die sich durch Deterritorialisierung, Destruktion und Transformation des klassischen ökonomischen Denkens, Glaubens und des Wunsches auszeichnen, aber in gewisser Weise kommen sie immer auch zu spät, insofern die makroökonomischen Indikatoren die molekularen Bewegungen schon wieder reterritorialisiert haben.

Liquidität erscheint oft als die wichtigste Eigenschaft eines Assets. Man kann diesen Aspekt als Transaktionsliquidität bezeichnen, i.e. ein Asset besitzt Liquidität, wenn es gegen Geld getauscht werden kann (das Objekt besitzt Liquidität). Aber Liquidität kann gerade auch dafür dienen, um jene Kapitalmärkte zu durchdringen, die von differenziellen Varietäten der Assets bevölkert werden. Hier spricht man dann nicht länger von der Liquidität der Assets, sondern von Marktliquidität, um die Liquidität innerhalb eines simulativen Raums für den Tausch zu attributieren, in dem die Marktteilnehmer ihre Positionen schnell genug liquidieren können, ohne exzessive Preisminderungen der involvierten Assets hinnehmen zu müssen (man kann hier einen Shift der Liquidität als eine rein objektive Eigenschaft zu einer Eigenschaft des simulativen Raums mit objektiven Konsequenzen annehmen). Natürlich bezeichnet man die Liquidität auch als eine Eigenschaft, die ganz auf den Schuldner bezogen ist und dann funding liquidity genannt wird. Dies involviert die Kreditwürdigkeit des Schuldners sowie seine Möglichkeiten, Assets zu einer akzeptablen Zinsrate auszuleihen, um nicht die Konversion der Liquidität als Insolvenz zu erleiden.

Die fundamentale Voraussetzung für entwickelte Finanzmärkte ist das sog. sekundäre Trading, das auf dem vertrauen auf hochliquiden Geld-und Kapitalmärkten beruht. Der Preisbildungsprozess, angefange von primitiven Sicherheiten bis hin zu einzelnen finanziellen Innovation (Derivate) verlangt „kontinuierliche“ finanzielle Werte; und „kontinuierliche“ Preisbildung hängt von dem Vorhandensein von finanzierbarer Liquidität ab. Das glatte Funktionieren des finanziellen Systems baut auf der Vorstellung auf, dass die Option zu handeln selbst unter ständig getesteten Bedingungen vollzogen werden kann. Aber liegt auch eines der Probleme für das gegenwärtige finanzielle Kapital, denn obgleich die moderne Finance die Verwertungsbedingungen für das Kapital verbessert, bleibt es stark auf Marktliquidität angewiesen. Wenn diese verdampft, dann wird das ganze Setting schnell brüchig. Mit andere Worten, die Forderung für höhere Disziplin im Rahmen kapitalistischer Machtbeziehungen macht das ökonomische Milieu fragiler und verletzbarer. Liquidität muss dem finanziellen System als endogen zugeordnet werden. In Zeiten der Gefahr tendiert die Bewertung der Risikochancen und die Preise der Assets nach unten, die Marktteilnehmer ziehen ihre Kreditlinien, and/or raise margin requirements, um sich gegen die Risiken, die von Kontrahenten ausgehen, zu schützen, und die Liquidität verschwindet, wenn sie am meisten gebraucht wird, sodass schließlich der gesamte Preisbildungsprozess zusammenbrechen kann. Dies wäre eine Beschreibung, die man Marxens finanzielle Instabilitäts-Hypothese nennen könnte.

Ökonomische Objekte stehen niemals für Prozesse wie Inflation, Deflation etc., vielmehr sind es hier die Relationen, die die preislichen Spreads zwischen den Objekten und dem Imago des Werts (Geld) anzeigen, Relationen, die wiederum auf Prozesse der Inflation oder Deflation verweisen. Auch Quanten sind keine Objekte, sondern eher stochastische Prozesse, durch die ökonomische Objekte den Status der Objektivität erst erlangen. In diesem Kontext unterscheidet sich das Phänomen der Inflation anscheinend zunächst nicht viel von dem des Wetters, es ist eine Haeccietas, es artikuliert die differenzielle Preisbewegung und/oder die Stochastik von Preisbewegungen, die sich wiederum in Objekten verdichten, ohne je auf solche Objekte reduziert werden zu können. Wir können also sagen, dass Quanten-Ströme und ihre Rhythmen oft stochastische Prozesse sind, deren Dynamik um Singularitäten herum gebildet werden, um sich unter Umständen wieder in Linien und Segmente zu refraktieren, in Metriken der Repräsentation bzw. des kardinalen Werts. Dagegen beharrt die Theorie des ordinalen Werts darauf, dass die Geldkapitalströme aus der doppelten reziproken Determination der molekularen und molaren Maschinen emergieren, die jeweils ihre eigenen Modalitäten und zudem zwei ungleiche Referenzsysteme besitzen, obgleich die beiden Zirkulationskreisläufe, die nur analytisch zu trennen sind, materiell verkoppelt bleiben und immer nur als ein Strom fließen.

Die sesshafte Verteilung beschäftigt sich mit Räumen (Märkte) und Objekten im Raum (Assets), mit Territorien (Merkmale und deren Relationen) und deren Zonen und Regionen. Und sie prozessiert wie alle Formen der Verteilung mit Hilfe von Punkten und Pfaden. Die nomadische Verteilung beschäftigt sich zwar auch mit diesen Parametern, sie kann sogar gewöhnlichen Pfaden folgen, von einem Punkt zum anderen, wobei jedoch die Punkte den Pfaden, die sie determinieren, untergeordnet bleiben. Im nomadischen Modus der Verteilung wird ein Punkt nur erreicht, um ihn hinter sich zu lassen, sodass jeder Punkt ein Art Relais darstellt und nur als ein Relais existiert. Somit erlangt das Dazwischen (zwischen den Punkten) oder das Intermezzo eine ganz eigene Konsistenz, ja sogar eine neue Autonomie und Dominanz, die im Bereich der Finanztheorie in der kontinuierlichen Rekalibration der Assets besteht. Ein Werden, dessen kennzeichnendes Merkmal im in-between zwischen zwei Punkten liegt, zeigt in der Praxis das abstrakte Prinzip der cantorschen Mengentheorie an. Die Cantorsche Mengentheorie umfasst einen unendlichen Staub von Punkten, deren fortwährendes Werden einen kontinuierlichen Raum zwischen den Punkten schafft – das Prinzip der Aktivität besteht in der kontinuierlichen Wiederholung der Teilung, sodass die Menge kontinuierlich gegen Null geht, obgleich sie immer in einem endlichen Raum eingeschlossen ist, sodass sie zugleich unendlich vielfältig und sparsam bleibt. Die kontinuierliche Rekalibration ist eine praktische Methode der endlosen Deterritorialisierung.

Mit dem euphorischen Gebrauch des Begriffs des Gefüges oder des Rhizoms wurde eine post-historische, post-romantische, post-genealogische Phantasterei über die Netzwerkgesellschaft eingeleitet, in der sich die verschiedenen Teilbereiche angeblich in koevolutionärer Weise nach vorne entwickeln könten und keinerlei Kausalverhältnisse mehr zu gelten bräuchten, stattdessen die jeweiligen Bereiche als ein buntes Patchwork miteinander verwoben seien. Die Rede vom ökologischen System oder dem Netzwerk durchzieht heute fast jede versierte Gesellschaftsanalyse. So hat David Harvey in seiner Schrift "Das Rätsel des Kapitals entschlüsseln" neben dem Parameter Kapitalakkumulation Faktoren wie Klassenverhältnisse, institutionelle Strukturen, Produktionsprozesse, Beziehungen zur Natur, Reproduktion, Alltagsleben, demographische Entwicklung und  geistige Vorstellungen aufgelistet, die zusammengenommen ein Netzwerk bzw. ein offenes komplexes Ganzes bilden würden. Harvey zufolge kommt es darauf an, zu zeigen, wie diese Bereiche sich gegenseitig beeinflussen, wie sie ihre Relationen organisieren und strukturieren, woraus sich Spannungen, Widersprüche, Evolutionen und erfinderische Prozesse ergeben können, die allerdings keineswegs kausal determiniert, sondern einfach nur kontingent vermittelt sind. Nach Harvey wurde exakt dieses theoretische Gefüge von keinem anderen als Marx selbst im 13. Kapitel des Kapitals Bd1 in Auseinandersetzung mit der Evolutionstheorie Darwins entwickelt. Angeblich kannte Marx kein Primat einer Instanz und er kannte auch nicht den Begriff der Determination. So zeigt sich auch bei Harvey der strategische Einfluss der Netzwerkmetapher, der heute weit über die bloße Beschreibung einer datenorganisierten Infrastruktur und einer relationalen Ökologie hinausgeht. Schließlich ist heute alles Netzwerk, und die beste Antwort auf die Netzwerke sind noch mehr Netzwerke, ja es herrscht fast schon eine paranoide intellektuelle Atmosphäre, nach der alles Netzwerk ist.

In diesem Kontext musste selbst noch der Begriff „Rhizom“ dafür herhalten, dass in der Kunst, Architektur, Computerwissenschaft, Neurobiologie, Ökonomie etc. ein um den Begriff der Virtualität reduziertes Netzwerkmodell in Mode kam (zumindest wurden die Begriffe Virtualität und Digitalität deckungsgleich gebraucht), das der fast schon paranoiden Prämisse folgte, dass alles vernetzt sei. In der Tat sind viele der großen Konzerne heute Netzwerk-Companies. Während Google seine Gestaltungen der Netzwerke durch das Clustern von Algorithmen monetarisiert, überschreibt Facebook Subjektivität und soziale Interaktion entlang der Linien kanalisierter und diskreter Netzwerkdienstleistungen. In der militärischen Theorie besteht die effektivste Atwort auf den Terrorismus im Aufbau von Netzwerken, im Operaismus negrischer Spielart ist die beste Antwort auf das Empire die Multitude, in der Ökologie sind Netzwerke die effektivste Antwort auf die systemische Kolonialisierung der Natur. In den Computerwissenschaften sind die verteilten Architekturen die besten Antworten auf Engpässe in der Konnektivität. In den ökonomischen Wissenschaften sind die heterogenen ökonomischen Spielräume die beste Antwort auf die verteilte Natur der “long tail.” Das ökologische oder systemorientierte Denken erlangte eine bisweilen ungeahnte Popularität, und zwar als eine Art Lösung des Problems der Diachronie, indem der Raum und die Landschaft den Platz der Zeit und Geschichte okkupieren. Der postmoderne “spatial turn” geht mit der Abwertung des temporalen Moments Hand in Hand, man denke an Riemanns komplexe Oberflächen, an den Weg von der Phänomenologie zur Theorie der Assemblagen, vom Zeitbild des Kinos zum datenbasierten Bild im Internet. Schließlich wurde das alte Manta des Historisierens wdurch das Mantra vom beständigen Connecten und Vernetzen ersetzt. (Sloterdijk hat die Phase der Netzwerkverdichtung für den Zeitraum von 1492 bis 1974 angelegt, und verkennt damit gerade das Wesentliche der sog. digitalen Revolution.)

Während des Zeitalters der Uhren wurde das Universum noch als ein Mechanismus gedacht, in dem die Himmel gemäß der Musik der Sphären rotieren. Im Zeitalter der Dampfmaschine mutierte die Welt zu einem Motor von unbeschreiblichen thermodynamischen Kräften. Und nach der voll entwickelten Industrialisierung transformierte der Körper zu einer Fabrik, angereichert mit den verführerischen Metaphern der Technologie und der Infrastruktur. Heute, im Zeitalter der Netzwerke, schreibt sich eine neue Schablone (Paradigma) in alles ein, was als Präsenz sich zeigt, ja noch mehr, die Vorstellung, dass alles Netzwerk sei, eröffnet eine neue Tautologie der Präsenz.

Der Beitrag Deleuze/Guattari und Quanten-Finance erschien zuerst auf non.

DIE RÜCKKEHR DES »HÄSSLICHEN DEUTSCHEN«

$
0
0

deutschland-verrecke1

Was zum Teufel ist da über uns gekommen? Diese Welle von boshaftem Nationalismus, hemmungslosem Egoismus, Niedertracht und Rassismus, die unter Führung der Regierung Merkel, Gabriel und Schäuble, und unter den Peitschenhieben nicht nur des bekannten Mediums der Niedertracht, der Bild-Zeitung, sondern auch der „bürgerlichen“ Presse Besitz ergriffen hat vom deutschen Mainstream, ganz so, als hätte man dort nur auf eine Gelegenheit gewartet, das so lange mühsam verborgene „wahre Gesicht“ endlich wieder zeigen zu dürfen! Gewiss nicht zu Unrecht spricht die italienische Zeitung „Il Manifesto“ davon, dass die deutsche Rhetorik gegenüber den „faulen“ und „parasitären“ Griechen verdächtig nach den Mustern des Antisemitismus klingt. Nicht zu Unrecht meint der zurückgetretene griechische Finanzminister Varoufakis, diese Eurozone (und eine Eurozone ist, weiß der Himmel, etwas anderes als das, was wir uns einmal von Europa erhofft haben) sei kein guter Ort für ehrliche und anständige Menschen. Und nicht zu Unrecht sprechen selbst erzkonservative Medien in den USA wie in Europa von einem „Pyrrhussieg“ der Deutschen Politik. Sie setzen ihre Linie der sozialen Kälte und der erbarmungslosen Austerität, ihre Hegemonie in Europa zwar durch – aber der Preis dafür ist hoch: Deutschland und die Deutschen werden wieder mit Misstrauen, Furcht und kultureller Verachtung bedacht. Sie haben nichts dazugelernt, diese Deutschen, sagt man. Nicht einmal die eigene Entschuldung, die man ihnen als Motor einer wahrhaft wunderbaren ökonomischen Aufstiegsgeschichte gewährte, haben sie im Gedächtnis wenn es um den eigenen Vorteil geht. Wieder laufen sie den Propagandisten nach und wählen den missgünstigsten aller Hardline-Vertreter deutscher Austeritätshegemonie zum „beliebtesten Politiker“, wieder benutzen sie rassistische Stereotypen gegenüber einem Volk, in das sie einem Vierteljahrhundert noch so verschossen waren, dass sie zur touristischen, ökologischen und kulturellen Gefahr der Inselwelt in der Ägäis werden konnten. Und wieder ist ihnen das Erschrecken der Welt gerade recht, um das Nationalgefühl noch zu stärken. Ja, sagt man, diese Deutschen fühlen sich erst richtig wohl, wenn der Rest der Welt sie hasst.

Haben wir das verdient? Ich fürchte ja. Denn auch jene, die jetzt erschrocken sind, die sich schämen, als Deutsche identifiziert zu werden, die vor einem verschäubleten Europa nicht minder Angst haben als die Menschen in den „peripheren“ südlichen Regionen dieser vermaledeiten Eurozone, die von Europa weiter entfernt ist als wir je in unserer Geschichte waren, müssen sich fragen lassen, wie sie das geschehen haben lassen können, wie aus nationalistischem Geifer, herzloser Interessenpolitik und schierem Opportunismus eine Politik entstehen konnte, die anti-demokratisch, anti-europäisch und antisozial zugleich genannt werden darf. Die Politik der Merkel-Regierung ist schlimm genug; das propagandistische Grundrauschen, das sie begleitet aber ist eines zivilisierten Europäers absolut unwürdig.

Die „Behandlung“ der Griechenland-Frage durch die deutsche Regierung und die deutschen Medien hat nicht nur Auswirkungen auf, natürlich, die Bevölkerung in Griechenland und in ganz Europa, sondern auch und insbesondere auf die Menschen in Deutschland selbst. Es war von Anbeginn dieser Krise offenbar, dass es nicht allein um die Durchsetzung einer nationalen Interessenpolitik, um ökonomische Erpressung und Radikalisierung der neoliberalen Grundelemente, Liberalisierung (des Arbeitsmarktes, der Altersversorgung, der öffentlichen Fürsorge), Privatisierung und Kapitalisierung ging, um das Cracken eines „geschlossenen“ Marktes auch, sondern darum, ein Exempel zu statuieren, zu disziplinieren, zu hegemonialisieren. Ziel der deutschen Politik war es nie allein, gleichsam einem todkranken Patienten noch Blut abzuzapfen, sondern immer auch eigene, postdemokratische Machtmodelle durchzusetzen. Ob die „Troika“, wie Varoufakis erzürnt meinte, „terroristisch“ sei, mag dahingestellt sein, definitiv aber hat sie nichts mit einem demokratischen und solidarischen Europa zu tun. Entsprechend allergisch reagierte man auf alle Versuche des demokratischen Widerstands. Zweimal schrie man vor Wut auf, als das griechische Volk zum Referendum gebeten wurde, und als es gar wagte, eine linke Gegenbewegung an die Regierung zu wählen, war es um die deutsche Contenance geschehen. Wenn so angelegentlich vor einer „Ansteckungsgefahr“ gewarnt wurde, dann war damit nicht nur die Schuldenfalle gemeint, sondern auch diese linke Unbotmäßigkeit. An Griechenland musste, im Sinne des deutschen postdemokratischen Hegemonialisierungsstrebens, exemplarisch abgestraft werden, was dem verschäubleten und vermerkelten postdemokratischen Europa als Eurozone, als willfähriger Markt und geflissentlicher Schüler des neoliberalen Extremismus à la Berlin widerspricht.

Die deutsche Mehrheit kann mithilfe einer im rapiden moralischen und politischen Niedergang befindlichen Presse leicht auf dieses Projekt eingeschworen werden. Das hat verschiedene Gründe. Einer davon ist der schlichte Umstand, dass man sich, eine Zeit wenigstens, zu den Gewinnern zählen darf. Nachdem man den Menschen eingeredet hat, dass es „uns“ nur aufgrund dieser bizarren Mischung von Austerität und Neomerkantilismus so gut geht (besser jedenfalls noch als den anderen), ist es ein leichtes, ihnen auch noch einzureden, dass faule Griechen diese Überlegenheit in Frage stellen könnten. Nahtlos geht die Bild-Zeitung von der allgemeinen Stimmungsmache in die Verschwörungsphantasie über: „Jetzt enthüllt: Griechen-Minister plante Staatsstreich!“

Im niederträchtigen Griechenland-Bild übermalen die Deutschen, unter vielem anderen, ihre eigenen „Sünden“. Fakt ist schließlich, dass in Griechenland vor der Krise die Produktivität so hoch war, dass sie die deutsche sogar übertraf. Doch was machten diese Griechen mit ihrem dadurch gestiegenen Wohlstand? Sie machten dasselbe wie die Deutschen in ihrem Wirtschaftswunder: Sie konsumierten, sie unternahmen Reisen, sie ließen es sich gut gehen. Das konnte das deutsche Volk, das den Gürtel enger schnallen, die Ausländer aussperren und die „Sozialschmarotzer“ hassen gelernt hatte, nicht ertragen. Im Griechen hasst der Deutsche seine eigene unterdrückte Lust und seinen eigenen unterdrückten Willen zur Rebellion.

Der entscheidende Schritt, gerade in Richtung auf die fundamentale Postdemokratie und das germanisierte, antidemokratische und antisoziale Europa, besteht in einem bemerkenswerten Schulterschluss zwischen den Pop-Phantasien der deutschen Niedertracht, die endlich wieder ein Objekt gefunden hat, auf das man nach Herzenslust trampeln darf, und der kalten Macht- und Interessenpolitik der deutschen Regierung. Daraus ist eine Bewegung entstanden, die nicht mehr zu kontrollieren ist. Der hässliche Deutsche kann immer nur noch hässlicher werden, andernfalls wäre er mit dem Umstand konfrontiert, dass er ein gescheiterter Deutscher ist. Schon wieder!

Deutschland errichtet derzeit ein Europa, das die Mehrzahl der Menschen in Europa nicht will, das der Mehrzahl der Menschen in Europa schadet, auch wenn es ihrer Wirtschaft und ihren Regierungen nutzen könnte. Rebellionen gegen diese Politik werden mit einer Form der ökonomischen und sozialen Gewalt niedergeschlagen, die die Ausmaße eines europäisierten Klassenkrieges gegen die Verlierer annimmt. Was aber als schmerzhafter Prozess des Erhalts der Eurozone um jeden Preis erscheinen mag, und dabei die politische und kulturelle Idee Europa vernichtet, wird am Ende auch die Eurozone ruinieren. Nur dass nicht die armen, sondern die reichen Ökonomien aus dem Euro ausscheren. Vielleicht wäre ja eine Drachme zum Billiggeld gegenüber dem Euro geworden. Möglich ist aber auch, dass der Euro bald zum Billiggeld gegenüber dem Geld der Gewinner wird.

Der Schulterschluss zwischen Austeritätspolitik und halbfaschistischer Stimmungsmache steuert so oder so auf einen Zerfall Europas hin. Wird es kein deutsches Europa geben, so wird es ein verändertes Deutschland geben. Eine Rückkehr zu zivilisiertem Verhalten scheint nun nicht mehr möglich.

 

Original hier

Der Beitrag DIE RÜCKKEHR DES »HÄSSLICHEN DEUTSCHEN« erschien zuerst auf non.

Immanent Non-Musicology: Deleuze/Guattari vs. Laruelle

$
0
0

20440

In this essay we try to explore non-representationalism in music, which has to be connected to the question of non-representational aesthetics. The philosophers of immanence – Deleuze/Guattari and Laruelle - have something in common: Since the mid- 1980s they reject the discourses and techniques of post-structuralist interpretation of music and art in favor of constructing an aesthetics rooted in immanence and non-representationalism. Deleuze/Guattari work on the problem how the relationship between immanence and multiplicity could be thought. They describe a world of pure multiplicity in which all multiplicities are equally immanent und include immanent transformations within a given set of virtualities. Multiplicities actualize themselves as occasions/events or as blips of singularity in heterogeneous assemblages. In this way the transcendental must get immanent, which means, that the universe is not digital at its core, but analog. Deleuze/Guattari and Laruelle agree, that representational aesthetics has come to an end, but they do not agree on what form immanence should take in aesthetics. While Deleuze/Guattari prefer the productive capacity of matter, Laruelle insists on the immanent and generic logic of the Real/One.

For Deleuze/Guattari is one of the guiding questions in „music“, if the unformed can be heard as sound within the framework of the audible or music. But the unformed is not noise. So another question is, if there exists a passage between sound and noise, made possible by musical events (not music). When deterritorialisation brings a long a de-structuration of the articulated sound, which is a kind of deterritorialised and reterritorialised noise, this implies a state of the unformed that is still audible, but definitely not as organised music; such kind of „music“ or the audible is no more a representation or mimesis, but a becoming. For Deleuze/Guattari such (unformed) sound-becomings takes place within a three dimensional floating space (rhizom) rather than in a two-dimensional, vectorial one.

In his current period Laruelle is in search for a quantum thought, that is free from its mathematical expression, that he finds reductive. One of quantum thoughts principle is „superposition“ or the standing wave of rhythmic superposition, a kind of concept, that resonates somehow with the work by Lefebvre, Deleuze, Stengers, and Whitehead, but also with recent sound studies. The Laruellian concept of “superposition” neglects two treatments of sonic thought, so to invent sonic thinking as non-representation (that is, thinking sonically rather than about sound). Laruelle illustrates an incommensurability of sound’s closure, hermetically seperated from other material, theories; and he illustrates an incommensurability of the relation and exchange of sound, which is porous enough to permit heterogeneous assemblages without imposing them. While closure includes representation as thinking about sound, permanent exchange between sound and thought tends to confusion as it converts or even fuses thinking and sound. This con-fusion reflects the belief of experimental electronic music in its first period (from Russolo through Schaeffer and classic musique concrète) that everything in the world is musical, an unrecognized belief associated with what Jarrod Fowler calls the Principle of Musical Sufficiency.(1) Non-musicology by contrast breaks with the idea that everything is musical and develops a science of music as well as a „music“ related to science (e.g., Xenakis’ use of stochastic processes). For Fowler, “the program of Non-musicology is to use musicology to construct alien theories without those theories being yielded by the Principle of Musical Sufficiency: ‘All is not musical, this is our news." (2)
Sonic thought or Non-musicology composes theory as its own object and therefore delivers a kind of echo to the work of the muscians, to their way of the becoming-of-music. Laruelle starts to write a new music-fiction.

What is noise? The conception of noise under the aspect of irreversibility is associated to a logic of radical contingency. On one side noise is observer relative, so it may be measured by systems according to their degree of randomness, their algorithmic functions, on the other side noise is observer independent, as radical contingency or hyperchaos noise exceeds human capacity of perception for capturing it as a phenomenal information. The definition of noise as failure or disturbance presupposes the position of an objectivized ideal in and of science, to exclude noise and the composition of noise, thus thinking the Real always as a correlate of thought. Here we are already in the middle of the problematic of Laruelles Non-musicology, which situates music as a poduct of science, their methods of numerical measure (as material), and (which is more important) as the construction of some kind of audible non-order, which might be not measurable. Non-musicology starts on this plane as a different treatment of music and experimental science, breaking with the idea, that everything is musical and therefore developing a science of „music“, which does not become science itself. The infiltration of Non-musicology into musicology means the mutation of music using scientific methods to investigate a pluralism and hybridisation in a generic science, which does not comment musical objects in a reflective way, but concentrates them around a problem, of that Laruelle has had in his early phase no idea, but that musicians had already generated.

Non-musicology breaks not only with musical self-sufficiency or structured science of music, but also articulates another break that does not so much involve a new subversive immersion of the audience into the conditions of hearing as it leads to the ecological anticause, what Fowler calls a different hearing-in-Rhythm, which is identical with Rhythm insofar as Rhythm is different from metrics and recurrence.

What is Rhythm? First, Rhythm is a temporally extended pattern that can be described by information-processing systems through several parameters summarized by Inigo Wilkins: spatial, temporal, amplitude, frequency and superposition. (3) While processing systems involve an observer-dependent reality of Rhythm, it is possible to discover the existence of Rhythms that are beyond human sensory perceptual capacities through technology, math, and science. Second, it has to be asked whether or not there is a simple opposition between noise and Rhythm. The answer is no, because we can define Rhythm as the relation of identifiable and unidentifiable processes that allow the incommensurable chaos to pass into an order of difference, a degree or quantity of non-linear and non-rhythmic noise. Rhythm may exist at many degrees of dynamics and magnitude. It may emerge from noise, whereby the simulation of noise through stochastic processes demonstrates that the process of the enfolding of Rhythm and signals offers a large quantity of heterogeneous movements occurring at different time scales and frequencies. But still noise has a larger dynamics and magnitude than Rhythm. Noise is foreclosed to rhythm, to sound and music, to any ontological or epistemological theory.

If Rhythm is distinct from metrics, we enter the field of non-frequency politics, the politics of productive difference, which includes the fact, that Rhythm is distinct from science, and therefore non-musicians us science and music as pure material. Here, they also start to reduce discourses of philosophy to pure material to achieve – always in interaction with hearing-in-rhythm – pulse “rhythmights.” Parallel to the objects of non-musicians an unified and non-representational theory or a music-fiction has to simulate philosophy and to catch for the essence of music-being and the fractal-being of musical objects, and yet treat them through hypothesis, deduction and experimental tests.
The non-musicological term invented by Fowler, “rhythmight”, opens up to experimental methods of rhythm production: we can now speak of Rhythm in terms of non-periodic pulsed or clicked music. We find here transversal disjunctions, heterogeneous temporalities and spatial components, that overlap and coexist in a track; in the invincible evidence of its short signal and contextless reference, the click opens various potentials to move on without giving any noticeable association. Through the concatenation of signs something like indetermination starts to be indicated, whereby failure can become part of music. Failure is not an inscribed meaning in clicks and cuts, but rather a referential that indicates possibilities of previous and emerging sign concatenations. In the nameless “in between,” meaning is constructed with the help of signs that are not what they pretend to be.Through reference to other signs, a momentum  of meaning is produced, because a sign like the click realizes différance, suspended presence, while also referring to signs to come. Similarly, the pulse can be understood as an inherent stress that falls on certain metrics or beats. While listening to the clock, one might hear “tick-tock” instead of “tick-tick,” because every other beat is more stressed than the beat before. This repeating stress is the pulse; and in music different sorts of pulses can be overlapped and constructed by grouping beats together in different milieus or patterns. The technique of inhuman music forces a temporal division into such nuanced patterns, which only machines can perform with perfect precision.
With Deleuze or Boulez we can speak of rhythm in terms of non-periodic pulsed or clicked music. There is a transversal disjunction, which is articulated in the track intern and in relation to other tracks, and this achievs the transition of „Clicks and Cuts“. Transversality is originally a topological concept meaning an extending over, lying across, intersecting without a resulting coincidence, while transversal music caulks the „cut“ between actual and virtual on the rise of the performance itself, by mutating from a device designed to connect the past with the present into a newly future-orientated one. If we listen to a track, we always hear other things, which Deleuze describes as forces, duration, sensation and lightness, depending how tempi, rhythm and sound are variied. For heterogenous temporalities and spatial components, which overlap and coexist in a track, the click opens in its invincible evidence various potencials to move on, as the signal is short and without contextual reference, so no remindable association can be given. Only through the catenation of signs something like indetermination starts to get indicatory, whereby failure can get part of music, but, as we said, failure is not a inscribed meaning in clicks and cuts, rather a referential, which indicates possibilities of previous and coming sign catenations. In the nameless in between meaning is constructed with the help of signs, which are not, what they pretend to be.

This is quite close to Heinrich Kleists proposal, that for producing powerful rhythmights the puppet player has to become itself an automat, insofar as a machinist has to relocate himself into the emphasis of the machine, while empasis is here armed with a new attraction, which correlates to the following: when non-frequency-politicians are listening to the clock, they hear “tic – toc - fuck the clock” instead of “tik – tik” because they know, that the beat or metrum has to be stressed: the relation between the different speed of waves and the maxima of intensity or timeless degree of different waves constitute a dispersion, which cannot be measured. Exterior to the clockban non-frequency-politics is the supertrace, is the tracing of the immanent rhythmicity of Rhythm in the hearing-in-Rhythm, as Jarrod Fowler says, it is „flow an sich“ or the quantum, because the generators of non-frequency-politics are always oversweeping the beat of the significant “ding ding ding ding.”

Here we find a hotspot to non-music in a Laruelian sense. Laruelle claims a dispersive a priori of theory, which is not primarly related to music, but related to the foreclosed and indifferent Real in-the-last-instance, posing the question: how can a generic and real but nevertheless transcendental and a priori term of difference be constructed, an a priori of difference that is a matter of an immediate given condition? (4) If we relate the apriori or the axiom to music, we will find an answer: The relation between the different speed of waves and the maxima of intensity (or the timeless degree of different waves) involves a dispersion. This is a oraxiom of Rhythmight, which means that the philosophical distinction between theoretical and practical aspects of thought has lost its power. For example, the theoretical practice of music, which invent new oraxioms, uses as ist material sample politics, which is oscillating between an actual pool of samples and the capacity to create new samples.

Samples are nowadays part of the mediapool, regardless of whether they are saved on analog or digital media. Sampling includes the program-controlled, machinic transformation of the musical material with special features, transposing, time-stretching or cut up, etc. Sampling is a technology for access and transformation of media material, by grasping the signals of the media of transmission. Sampling subverts the purposeful transfer from source to destination. Instead of an exact process of mapping the input onto the output, sampling activates a production process, using the signal subtracted from its functional and contextual environment. As condition of that production, it is a sampling-in-the-last-instance.

Going from sampling to so-called pulse rhythmights, produced with techniques through immanent and generic methods of percussive flights and differential structures of sound, attends not to being-in-the-world, but being in music. A music that remains radically immanent, Rhythmight is constructed from the heterogeneity of Rhythm as foreclosed and incommensurately sampled-in-the-last-instance and binds at the same moment the methods of Rhythmics to ecological hearing-in-rhythm. The relation between Rhythm and hearing remains still unilateral: it only goes one way. The unilaterality of Rhythm doesn’t imply that music can be reduced to Rhythm, but that, aside from its territorial motives and melodic landscapes, music is in-the-last-instance Rhythm and heard from Rhythm. While Non-musicology imposes a unilateral relationship between Rhythm and hearing, hearing-in-Rhythm cannot affect Rhythm, while Rhythm is foreclosed to hearing-in-Rhythm.The scientific exology (the scientific closure of paradigms, knowledge etc.) of hearing, which arises from the indifference of Rhythm, must hallucinate music as metrics, order, and composition by ignoring the radical ecology of Rhythm, which is related to non-music’s objectivity without representation. (5) At the same time, rhythmight corresponds to a relative ecology (perception of music) that is today permanently infiltrated by the convertibility of money, the processes in which the virtuality of value is actualized as price. At this juncture Non-musicology has to indicate a radical mutation of the radical ecology of Rhythm according to the foreclosed Real.

(Non-musicology countermands the inscription of the differenziant value, which is the prevalence of money in all his registers - semiotic value and the beat of the significant, which counts the metrum as price instead of the tic-toc of the pulsating difference as non-price. Punctuated production time of the code is permanently inscribed in the body of music. At this point, one may mention that there must be a clandestine relation between non-frequency-politics and High-Frequency-Trading. The latter can be understood as a complex technical system in capitalist finance, that generates the production of noise and at the same time reduces the information gradients, operating at a high rate of data streams and coding noise. With High-Frequency-Trading financial systems try to regulate the randomness of assets in minimal scales of time, to anticipate the fluctuations of price politics. Complexity is here the random effect of acceleration towards volatility, which can lead to an intentional production of noise, for irritating traders and the financial machines. But in relation to music we prefer here not to speak first of absolut contingency, like one might do with Quentin Meillassoux, instead we follow what distincts electronic music from High-Frequency-Trading, because the former in its decomposition in the form of non-music exceeds measurability; acceleration, which is necessary - it can be also slowness - for decoding scripture and codes, should not lead to the hyperreal of Baudrillard, which introduces the universal trauma of capitals realism, instead acceleration in its different modes should lead to a kind of non-dialectical negativism.)

Through tracing the rhythmicity of Rhythm in hearing-in-Rhythm, and thus through Sampling-in-the-last-instance, Non-musicology develops a new radical ecology of rhythm. It starts to sample material from science and philosophy, from musicial material itself, to construct the immanent generic matrix, which is no longer overdetermined by capitals relations of production and circulation, rather the transcendental construction of a kind of objectivity without representation.

If Non-music or non-standard music is, as Inigo Wilkins says, situated in the “non-standard phase space” between periodic sine tones and non-periodic or non-individual complex transformation and modulation, it might fall within the same theoretical neighbourhood as Dante’s bourdon or Messiaen’s compositional techniques. (6) The latter combines listening to the rhythmic singing of each individual bird and the overall Rhythm as an orchestra. On one side, there is no total rhythmic disorder, analogous to the incommensurability of closure, as unrelated tones do not couple with one another; on the other side, the birds are not synchronized to the ticking clock, as though a regular pulse would allow them all to share a common beat. Now, it looks as though non-frequency-politics would be nothing other than a re-invention of Dante’s bourdon; but the ritornello of the birds as accompanied by the noise of the wood is not only a musical sensation. It forces Rhythm via an interaction with hearing-in-Rhythm, in order to find a radical objective music, which includes the refusal of the world, even the refusal to create alternative worlds, yet demands the Real as foreclosed to the world. Rhythmight produces tension and solidification at the same time in hearing-in-Rhythm, while non-musicians become aware of how to subtract Rhythm from the metrum, endlessly mixing and remixing the conditions and relations of rhythmights and at the same time separating fragments from these mixtures in order to use these autonomous theoretical fragments indifferent to the musical structure.

Laruelle would reject Deleuze & Guattari’s treatment of music as the capture of affects and percepts (including relationship between material and forces) and would instead postulate to music an autonomous theoretical order, a non-scientific thought according to the radical immanence of the Real – the Real, here, understood as foreclosed and indifferent, without mirroring aesthetics or knowledge or being mirrored by science; the Real, which has to be thought as neither a meaning nor a truth but rather as immanently given-without givenness. The exteriority of the Real is being-nothing, which confronts being with nothingness. This demands the Real as foreclosed to the world. By reducing all transcendental thought to pure material, thought can be developed according to the syntax of the Real. Instead of a truth, which has its telos in the white silence of a full speaking, in which even the Real should be countable, Non-musicology presents an incestuous con-junction of the quantum-principles of superposition (immanence of one-in-one) and non-commutativity.

Where Deleuze & Guattari distinguish between scientific variables, artistic varieties, and philosophical variations, Laruelle’s Non-philosophy reduces all concepts of philosophy and philosophy itself to pure variables. (7) Non-musicology reduces philosophy, science, and musical objects to pure material, by starting to sample the material from within non-musical discourses such as science and philosophy. By cutting off the Principle of Musical Sufficiency, the immersive properties of sound in relation to perception and affect might be also cut off. Non-music instead produces an irreflective processing of variables by variables, a fractal proliferation of models without transcendence.

Here we are confronted with radical differences in the aesthetic conceptions of Deleuze/Guattari and Laruelle. The movement and the relation of sound molecules itself, their catenation happens for Deleuze/Guattari in the context of rhythmical territorialisation and de-territorialisation, which they describe as the ritornell, a kind of crystallisation of time-space, the temporalisation of space and the spatialization of time. Within the ritornell body, earth, rhythm and sound events are shortened with the intensity of the body without organs. Non-musicology in this context could be subsequent to Laruelle understood as the production and tracking of Rhythmicity of rhythm in hearing-in-ryhthm, as an event of compression, which writes itself as an effect of the rhythm construction of the ritornell. As such „music“ or the audible has a fractal dimension, which cannot be reduced to metrics, number and beat time, and maybe to objects for philosophers. And non-frequency politics would force the dance through the territorialised ritornell, which constituens is rhythm and its apparatus, the drum. Rhythmight is producing tension and solidification at the same time in hearing-in-rhythm, while getting aware, how to subtract the metrum. TIC-TOC- fuck the clock! means the principle, while endlessly mixing and remixing the conditions and relations of rhythmights and at the same time seperating rudiments from these mixtures, in order to use autonomous (theoretical) fragments, a theoretical order of contingency (to music), which implies to make use of artifical techniques in a different way as musicians do and at the same write new music-fictions, which are still related to music and the audible – a non-scientific thought according to the radical immanence of the Real in-the-last-instance, the Real here understood as foreclosed and being-nothing, without mirroring something or being mirrored. Laruelle’s generalized fractality of thought is a radically unfolded plane of immanence without reflection of the world, while destroying the empirico-transcendental doublet by its distanceless adequation.

This is to abandon also reversibility between philosophy and science, and between science and music; non-musicology leads to practice „music“ in a non-scientific stance to mutate music using scientific means related to the practice of science, as Jarrod Fowler says. The result of Non-philosophy and Non-musicology includes a generic matrix, which is transcendental at the same time, a generic matrix, whose idempotency functions are related to the Real as determination-in-the-last-instance. Idempotency is a term of informatics, that refers to function thats remains unchanged by doubling and iterating itself or by the addition of new functions, so the generic matrix is related to non-commutative Identity which persists across variations and does not need any transendence. Deleuze/Guattari renounce representation, but still in the name of perception and affects, which are always correlated to experience. And this concept correlates somehow to a certain phase of Laruelle, where the non-musical construction of the rhythmight of music and science is combined with hearing, hearing-in-rhythm, with musicological systems of listening. Laruelle would assert a further step, where non-musicology reduces philosophy, science and musical objects to pure material, by starting to sample the material from within music, non-musical discourses such as science and philosophy. By cutting off the principle of musical sufficiency, the immersive properties of sound in relation to perception and affect are also cut off. Instead non-music-fiction is producing an irreflective and automatic processing of variables by variables, which is a fractal proliferation of models without transcendence. Audio, as the material of media pools, is not further related anymore „to a transindividually constituted prosthetic extension with reversible intentionality“, as Inigo Wilkins says.

In his latest works, Laruelle speaks of the non-standard method as a kind of immanent fiction that includes invention, construction, performance, etc. as a non-representative and non-expressive method that uses only abstract and pure thought for non-aesthetics and that doesn’t need to appeal to the parallelism of philosophy and art. (8) This demands neither thinking of sound as sonic philosophy nor thinking about sound, but an abstract theory of sound, a radical abstract theory that is absolutely non-worldly and non-perceptual, as Laruelle says. Music is not oriented to a world, nor is it perceptual; rather it focuses on the immanent character of music as such, being in music. Music is radical objectivation without representation or intentionality. Following Laruelle, this semblance of music must be no longer an imitation, a tracing, an emanation or a representation of world or of language, of affect or whatever. Rather there exists a non-world of music for both the musician and the philosopher of music. This non-world still exists in the present and is real, while non-music is always rooted in matter. At this point Non-musicology stops tracing the Rhythmicity of Rhythm in hearing-in-Rhythm through sampling-in-the-last-instance. As a kind of objectivity without representation, Non-musicology begins instead to sample material from science and philosophy, from musical material itself, to construct the immanent generic matrix of non-music, which is no longer overdetermined by the capitalist relation of production and circulation.

 
1 Jarrod Fowler, "JMF075" http://www.jarrodfowler.com/JMF075.html (accessed April 30, 2015).
2 Fowler, "JMF075"
3 Inigo Wilkins, “Enemy of Music,” http://irreversiblenoise.wordpress.com/2013/03/06/enemy-of-music (accessed June 14, 2013).
4 Laruelle, “The Decline of Materialism in the Name of Matter,” trans. Ray Brassier, Pli 12 (2001): 33-40.
5 Fowler, “JM075”
6 See Dante, Purgatorio, Canto XXVIII, 7-19, and Wilkins, “Enemy of Music.”
7 See Deleuze and Guattari, What is Philosophy? trans. Hugh Tomlinson and Graham Burchell (New York: Columbia University Press, 1994); François Laruelle, Introduction aux sciences géneriques (Paris: Editions Petra, 2008), p.200.
8 See, for example, Laruelle, Anti-Badiou: On the Introduction of Maoism into Philosophy, trans. Robin Mackay (London: Bloomsbury, 2013).

Der Beitrag Immanent Non-Musicology: Deleuze/Guattari vs. Laruelle erschien zuerst auf non.

On Jean Baudrillard’s Pataphysics

$
0
0

528574_4856495653123_546995255_n

The cultural philosopher Jean Baudrillard’s birthday is on July 27th and I thought it might be worthwhile to review his very first text, one that is relatively unknown to the general public. Many in the art world are familiar at least with ideas from his seminal 1981 book Simulacra and Simulation where he mulls over Marshall Mcluhan’s observations on art and media in relation to the simulacra with such gems as, “There is not only an implosion of the message in the medium, there is, in the same movement, the implosion of the medium itself in the real, the implosion of the medium and of the real in a sort of hyper-real nebula, in which even the definition and distinct action of the medium can no longer be determined. (…) The medium itself is no longer identifiable as such, and the confusion of the medium and the message is the first great formula of this new era.”

Now where might have that kind of language come from? I suggest from his very beginnings with the circa-1950 text Pataphysics.

The first remarkable thing about his already unavailable limited edition book Pataphysics is its passé, handmade, deckle-edged, luxury cover. I say remarkable in that I still tend to identify Baudrillard (who passed away in 2007) with the small, slick black Semiotext(e) introduced him to America; covers which implied more of a techno aesthetic than this solemn neo-gothic one.

The second remarkable thing about this book is its slim size: it is only 14 pages long! Thus I was immediately struck by the nonsensical pairing of a distinguished looking façade that supposedly signified some kind of venerable “authenticity” with the interior teensy-weensy substantive content.

But as I gleefully plunged past the sign-value packaging and into the distinguished Simon Watson Taylor’s English translation (his final) of this text – ostensibly on the subject of Pataphysics, which Baudrillard here defines as “the philosophy of gaseous states,” as “tautology” (the use of redundant language that adds no information) (p. 8) and as “the mind’s loftiest temptation” (p. 7) – then this pairing made a peculiarly drôle sense, as immediately I started reading about “fake” “stucco” “self-infatuation” and “vast flatulence,” (p. 7) followed by talk of “fake universes.” (p. 8)

I had first encountered this slim but fascinating text, which Baudrillard wrote at the tender age 21, when it appeared unexpectedly in Baudrillard’s collection of art-related essays which Sylvère Lotringer’s Semiotext(e) released in 2005 called The Conspiracy of Art (it is a different translation, however). But lacking the kind of provocative packaging Atlas (in association with The London Institute of Pataphysics) has given this version, it made a rather minor impact on me at the time. But this rather pretentiously packaged feign stucco-coated version has focused my mind sympathetically, by actualizing some of the significant pataphysical concepts raised within the text itself. And for that, its idiosyncratic design intelligence can be appreciated.

Of course this faux style preference is internally consistent with Baudrillard’s notion that systems of signification and meaning are only understandable in terms of their ambivalent interrelationships. How better to reinforce his iconic concepts of viral seduction, simulation, and hyperreality than this paradoxical presentation of the blatantly fake conservative exterior with the imaginative far-out interior?

One might first be tempted to point to the traditionalist signifiers being played with here as substantive affirmation of what some of his readers have identified as Baudrillard’s rather thinly veiled conservative longing for a lost originality in face of digital virtuality; an impulse which verges on the nauseating nostalgic. Indeed this impression is enhanced when reading in the prelude that the publisher played the rare book ploy here: with only 177 books being produced, now all unavailable. Undeniably, such a comic example of self-imposed rarity in the age of virtuality can be infuriating – but that would be taking this project way too seriously. Assuredly, because Baudrillard here put forth that “Pataphysics is not serious” but that it possesses a silliness that “constitutes precisely its seriousness.” (p. 10) So perhaps it is better to just concentrate on the book’s intangible intellectual pleasures, which I shall describe here.

First off, there is the pleasure to be found in probing Baudrillard backwards (so to speak) in terms of hyperreal nonsense. Backwards, in that most already know, considerably well, his mid-career and late oeuvre, but poorly, if at all, such early formative texts. And following this backwards flip, it is a pleasure to examine him circularly (again a pataphysical quality) in that Baudrillard moreover defines Pataphysics as that which “revolves around itself.” (p. 8) So through this youthful book, we regressively and retrospectively time-trip/spin-view Baudrillard’s observations, theories and analyses of technological communication through a young and delirious metaphysics deeply inspired by French and German poetry, the pataphysical anti-concepts developed by Alfred Jarry, and the brilliant lapidary ravings of Antonin Artaud. Baudrillard writing, “Artaud demands a re-evaluation of creation, of coming into the world.” (p. 10)

The Collège de Pataphysique was founded on May 11th, 1948 by an anarchic group of artists and writers interested in the philosophy of Pataphysics. These zealots devoted their time to perpetuating (and often distorting) Jarry’s philosophical pranks. In 1959 Marcel Duchamp agreed to be a satrap in the Collège de Pataphysique and there have been numerous links established with the Oulipo literary movement – specifically through the participation in both groups by the poet Raymond Queneau. The fabulous wordsmith Jean Genet has described himself as following in the pataphysical tradition. Baudrillard eventually became a transcendent satrap there.

For anyone who may not know, the traditional understanding of Pataphysics is the absurdist pseudo-philosophy/ideology devised by Alfred Jarry based in his obsessive circumnavigations around mocked-up topographies. The term first appeared in print in Jarry’s article Guignol in the April 28th, 1893 issue of L’Écho de Paris littéraire illustré. It is intended as a form of conceptual hot air (flatulent) nonsense. A practitioner of Pataphysics is a pataphysician or a pataphysicist. For Jarry, Pataphysics is the anti-scientific realm beyond metaphysics that examines the laws that preside over exceptions – an attempt to elucidate an imaginary cosmos. Jarry specifically defined Pataphysics as the “science of imaginary solutions, which symbolically attributes the properties of objects, described by their virtuality, to their lineaments.”

In the Baudrillard Pataphysics book, Baudrillard builds his theory on Jarry’s play Ubu Roi. A play that created a famous scandal when it was first performed at the Theatre de lOeuvre in Paris in 1896. Ubu Roi is an important precursor of Dada. Through a language of shocking lad hilarity, Ubu Roi tells the farcical story of Père Ubu, an officer of the King of Poland and a grotesque figure who epitomizes the mediocrity and idiocy of middle-class officialdom. Baudrillard makes swift reference to Père Ubu (p. 7) while defining Ubu as “the gaseous and caricatural state” of intricacy that is a fart.

Baudrillard points out that it was through the writing Ubu Roi that Jarry became the creator of an absurd a-logic that came to define the “science of imaginary solutions” as enshrined, since 1948, in the Collège de Pataphysique, which Baudrillard calls “anaemic” and “impossible” in that its “procedure is a vicious circle within.” (p. 11)

Nevertheless, Baudrillard’s slim Pataphysics book provides the chance to see better the airy void around us – to see beneath the stucco surface of Maya (what in Indian philosophy refers to the purely phenomenal, insubstantial character of the everyday world) – so as to enjoy fleeting (absurd) life all the more, at least for the moment.

So I recognized here some funny roots, taken seriously, that may have nurtured Baudrillard’s hyperbolic and jaded view of an incongruous virtual-reality drenched world. In Jarry, we already relish an artificial Baudrillardian simulated world created by an hallucinatory social structure where shimmering objects decree in odd ways what people can and cannot do within the vast void of virtuality. Indeed, like Jarry, Baudrillard mostly arrives at his social examinations without demonstrating any sustained systematic analysis. Poof! Voila: a gaseous bon délire: an airy imaginary solution. But in Pataphysics, every occurrence in the universe is established to be an extraordinary event. Hence simulation is unrealizable.

Of course this aim of creating an inorganic world, ex nihilo, and luxuriating in its rarefied artificiality, was not unique to Jarry. It was perfectly articulated in 1884 with the publication of Joris-Karl Huysmans’s décadent novel A Rebours (Against Nature), a story of a recluse art worshiper who yearns for new sensations and perverse pleasures within a transcendental artificial ideal. It is a classic of décadent French theory, theory nearly equivalent to Fin-de-Siècle symbolist theory, that which aspired to set art free from the materialistic preoccupations of industrial society.

But what struck me as most exact in the young Baudrillard text’s bizarre propositions was its deep reflection (one might even say brooding) on the theme of farting ignobility. And this shoddily shifted something in my appreciation of Baudrillard’s total word production. Notably, evident throughourt Baudrillard’s career, is a display of a mordantly witty obsession with language as flatulent smoke – language that tests the limits of form and stretches the bounds of meaning towards negation. So, Baudrillard’s Pataphysics is a reality-rejecting book that delivers an airy irrational punch of nonsensical negation to theory by tying together methods of insouciant informality with visceral camp irony: at turns hip and flamboyant and morally outrageous. At times the text simulates the disappearing ephemeral we associate with electronically provided information today on the Internet, and the flickering of its translucent form. I, the reader, am expected to work devotedly to solve the absurd flatulent conundrums supplied here. To provide psychological transitions, between the diverse assortments of irrational elements that supply the text its pataphysical hooks. I am required to fabricate a complicated forensic fairy-tale out of this flatulent mélange. Which kept slipping in and out of idiosyncratic narration. But that slipping narration kept turning back into something profoundly singular: the stink of death. That deeply strange, incurable, irrational affliction we altogether share. What Baudrillard defines as, the “narcissism” of “a lethal eccentricity.” (p. 8)

So, I interpret this text as a meditation on humiliating death, in all its nasty comedy. It is a young man’s text about droll, difficult death. It is a book about the awareness of the impertinent finery of flatulent decomposition. Which makes life seem faintly funny in face of death’s inexorability. Thus the book clearly shows the young philosopher’s pre-knowledge of dumb death’s putrid ignobility. And this is what gives the work its weird sense of dignity – a dignity that asserts life’s primacy over death, because death is beyond narration and words.

 

taken from here

Der Beitrag On Jean Baudrillard’s Pataphysics erschien zuerst auf non.

Viewing all 3108 articles
Browse latest View live